Pflegemodell: „Nachbarschaftshilfe“ à la Niederlande
Pflegenotstand – weil es nicht genügend Fachkräfte gibt, diese zu wenig verdienen und zudem oft Dienstort oder gar Job wechseln. Das alles kennt Jos de Blok als ausgebildeter Krankenpfleger aus Erfahrung. Er weiß, woran es krankt und ruft 2006 seine eigene Firma ins Leben: „Buurtzorg“ (Nachbarschaftshilfe). Das Motto „Menschlichkeit vor Bürokratie“ macht sich bezahlt – für alle Beteiligten.
Nach 13 Jahren ist „Buurtzorg“ mit mehr als 15.000 Pflegekräften in 25 Ländern für 80.000 Klienten weltweit tätig, setzt 300 Millionen Euro pro Jahr um, schafft es in den Niederlanden, fünf Mal als bester Arbeitgeber ausgezeichnet zu werden und hilft laut einer Ernst & Young-Studie dem Gesundheitssystem, 30 Prozent der Pflegekosten einzusparen. Wie das geht?
Vertrauen in Pflegepersonal
„Wir stellen die Krankenschwestern in den Mittelpunkt der Pflege“, sagt Jos de Blok. Was profan klingt, das ist praktisch erklärbar: Teams mit maximal zwölf Pflegekräften kümmern sich um 5.000 bis 10.000 Menschen, die in Rücksprache mit den zu Pflegenden und deren Familien de facto alleine entscheiden, wer, wann, wo und in welchem Ausmaß betreut wird.
„Buurtzorg geht davon aus, dass dem Pflegepersonal umfassend vertraut werden kann, was in anderen Organisationen nur bedingt der Fall zu sein scheint“, so de Blok.
Gespart wird also nicht am pflegenden Personal, sondern in der Organisationsstruktur. Die Teams organisieren sich quasi selbst – während sich die sogenannten Overhead-Kosten durchschnittlich auf 25 Prozent belaufen, sind es bei Buurtzorg acht. Die Bürokratie der NGO mit 10.000 Fachkräften erledigen 50 Mitarbeiter.
Größtmögliche Freiheit
Auch die Betreuungsstunden sind weniger als anderswo. Waren es anfangs durchschnittlich 108 Stunden pro Jahr und Klient, sind es jetzt 85. „Wir wollen größtmögliche Freiheit für Klienten und deren Selbstständigkeit fördern. 24-Stunden-Pflege gibt es in den Niederlanden kaum, weil wir sie nicht brauchen.“
Seit Ende 2018 gibt es das Pflegemodell als Pilotprojekt in Österreich, seit Juli 2019 arbeiten vier diplomierte Gesundheits- und Krankenschwestern in Korneuburg an der Umsetzung. Was in Österreich noch fehlt, ist die Finanzierung durch die öffentliche Hand.
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