Peter Kaiser: "Stehen vor der Überlebensfrage"

Peter Kaiser verteidigt die SPÖ-Wahlkampagne.
Landeshauptmann Peter Kaiser über finanzielle Probleme, Flüchtlinge als Chance und die FPÖ.

Es ist "Halbzeit" in der Kärntner "Zukunftskoalition" aus SPÖ, ÖVP und Grünen. Die Landesregierung hatte in den vergangenen zweieinhalb Jahren mit nicht vorhersehbaren Problemen wie der Hypo/HETA-Causa, Kreditsperren, Sparzwang sowie dem Hexachlorbenzol-Skandal zu kämpfen. Mit dem KURIER sprach Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) über den Staus quo und die wenig rosigen Zukunftsaussichten.

Kärnten hat jede Menge Probleme zu bewältigen. Einzig vom Flüchtlingsstrom wurde das südlichste Bundesland bisher nur gestreift. Das kann sich rasch ändern.

Peter Kaiser: Jede Prognose ist sinnlos, die bisherigen haben ja in den anderen Bundesländern auch nicht gestimmt. Ich frage mich nur immer mehr, was die EU, die UNO und NATO machen, wofür es internationale Gremien gibt. Sie schauen zu. Das Bemühen um eine Lösung wird nur dann erfolgreich sein, wenn das alle EU-Staaten gleichermaßen sehen. Zu Kärnten: Wir sind in enger Kooperation mit Slowenien so gut wie möglich vorbereitet. Aber wenn 10.000 vor der Grenze stehen und losmarschieren, kannst nichts mehr machen. Platz haben wir für rund 2000 Menschen, denn wir wollen sie ja auch menschenwürdig betreuen. Der permanente Rund-um-die-Uhr-Betrieb ist bei den Helfern kräfteverschleißend, das wird zum Problem. Ich habe beschlossen, dass Landesbedienstete, die die Helfer unterstützen, fünf zusätzliche Sonderurlaubstage erhalten.

Kärnten ist das einzige Bundesland, das in den nächsten Jahrzehnten laut Prognosen hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung schrumpfen wird. Aufgrund der großen Abwanderungstendenzen sehen Statistiker nur eine Möglichkeit, um gegenzusteuern: Nur Flüchtlinge könnten Kärnten retten, heißt es.

Momentan kann fast niemand Flüchtlinge als Chance wahrnehmen. Mittel- und langfristig glaube ich aber, dass sie tatsächlich eine unabdingbare Voraussetzung sind, damit man den Bevölkerungsstand und den Lebensstandard halten kann. Denn wir haben eine zu geringe Fertilitätsrate (1,43 Geburten pro Frau, Anm.), um die eigene Bevölkerung zu reproduzieren.

Kommen wir zu den finanziellen Problemen Kärntens. Aktuell gibt es aufgrund der HETA-Angelegenheit einen Sparzwang mit Streichungen in Sozialbereichen – Schulbusse, das Babygeld, die Gratis-Liftbenützung bei Skikursen oder Volksschulen betreffend. Wie kann man das als Sozialdemokrat gegenüber dem Wähler verantworten?

Das sind nicht nur Sozialstreichungen. Zum Beispiel die Schulen: Das fußt auf der demografischen Entwicklung und versucht, die höchstmögliche Qualität in Bildungszentren sicherzustellen. Diese Reform hätte es sowieso gegeben. Aber ja, es gibt Posten wie das Babygeld, wo wir sagen: Das ist nicht notwendig, das können wir uns einfach nicht mehr leisten. Und ich glaube nicht, dass eine Familie existenzielle Probleme bekommt, nur weil die 500 Euro Babygeld nicht fließen.

Die HETA-Causa wird nicht so schnell vom Tisch sein. Das heißt, die Bürger werden 2016 den Gürtel noch enger schnellen müssen.

Das Gürtel-enger-Schnallen wurde uns vom Bund verordnet.

Und der Bund wird Kärnten auch im Fall einer HETA-Lösung wenig Luft zum Atmen lassen.

Ja, wir werden in nächster Zeit natürlich nicht Milch und Honig haben in Kärnten – das muss auch jenen klar sein, die bei der Ausgaben- und Verschwendungspolitik fest mitpartizipiert haben. Wir stehen vor der Überlebensfrage des Bundeslandes. Und die werden wir lösen.

Es ist Halbzeit in der Kärntner Zukunftskoalition. Oft entsteht der Eindruck, dass nur die Not des Landes diese Arbeitsgemeinschaft zusammenhält. Täuscht das?

Teils-teils. Es läuft besser als befürchtet; es ist aber anstrengender als erhofft. Doch was diese Regierung auf sich genommen hat, muss man schon anerkennen. Du kannst ja nicht sagen: "Jetzt spiele ich nicht mehr mit, die Situation taugt mir nicht mehr." Nein, wir haben aus dem laufenden Budget 38 Millionen Euro eingespart. Kärnten hat sich in der Vergangenheit sehr viel geleistet. Und um welchen Preis? Wir haben nichts mehr in diesem Land. Nichts, was du veräußern kannst, nichts, was du belehnen kannst.

Die ÖVP schießt sich stets auf das scheinbar schwächste Glied in der Koalition ein: SP-Gesundheitsreferentin Beate Prettner.

Wenn man die Frau Prettner kennt, mach ich mir um sie keine Sorgen. Ich habe selbst das Gesundheitsressort fünf Jahre lang geleitet und kenne die Probleme. Die Vorhalte der ÖVP sind oft sehr interessensgeleitet und gehen ins Leere.

Kärnten wurde stets als FPÖ-Hochburg bestaunt oder belächelt. Inzwischen wurden die Freiheitlichen ausgerechnet hier abgewählt und erleben in anderen Bundesländern ihre Hochblüte.

Die Kärntner haben gesehen, was passiert ist, als die FPÖ die Macht und Allmacht hatte. Das hat auch bei der politischen Bewertung der Wähler Bedeutung.

Muss man die Freiheitlichen an die Macht lassen, um zu demonstrieren, dass sie scheitern?

Sagen wir so: nach einem einmaligen Versuch sollte man klug genug sein.

Die HCB-Causa bewegt Kärnten nach wie vor. Elf Monate nach Bekanntwerden steht zwar das Zementwerk als Verursacher fest. Personelle Konsequenzen in der Beamtenschaft oder im politischen Bereich sind jedoch ausgeblieben.

Eine Schuldfrage dieser Dimension kann und darf nur von Gerichten festgestellt werden. Es wurden alle infrage kommenden Personen der inneren Revision, der Disziplinarkommission und der Staatsanwaltschaft übergeben. In der inneren Disziplinierung haben wir kein Fehlverhalten, das eine Entlassung oder Rüge als logisch erscheinen ließe, festgestellt.

Zum Klagenfurter Flughafen, der ja von der Schließung bedroht ist: Es gibt noch keine Einigung mit Unternehmer Hans Peter Haselsteiner, der ja eine Teilprivatisierung andenkt. Ist es nur ein Gerücht, dass Haselsteiner das erste Angebot vom Tisch gewischt hat?

Wir haben uns eine schnellere Lösung erhofft. Aber ich wage zu behaupten, dass wir sehr, sehr bald eine gemeinsame Erklärung mit Hans Peter haben. Parallel dazu läuft das beihilfenrechtliche Verfahren in Brüssel (das ist für die 15-Millionen-Subvention zur Landebahnsanierung erforderlich) weiter, wo ich Signale bekommen habe, dass es positiv erledigt wird.

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