Peter Kaiser: "Dörfler ist völlig unfähig"

APA9892232-2 - 20102012 - KLAGENFURT - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT II - SPÖ-Kärnten Vorsitzender Peter Kaiser am Samstag, 20. Oktober 2012, anl. seiner Wahl zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2013 im Rahmen einer "Kärnten-Konferenz" der Sozialdemokraten in Klagenfurt. APA-FOTO: GERT EGGENBERGER
Der Kärntner SPÖ-Chef über die Systemmängel im südlichsten Bundesland und die Notwendigkeit einer „Reformperiode“.

KURIER: Herr Kaiser, warum sollen die Kärntner Sie statt Gerhard Dörfler, SPÖ statt FPK wählen?

Peter Kaiser: Zu viele objektive Daten weisen auf die Schlusslichtfunktion Kärntens hin. Wir haben nach Wien die höchste Erwerbslosenrate bei Jugendlichen, wir haben die geringste Frauenbeschäftigungsquote und die höchste Armutsgefährdung. Wir sind das einzige von neun Bundesländern mit negativer Bevölkerungsentwicklung, wir werden pro Jahr um rund 400 Personen weniger. Das sind Tatsachen, die das Scheitern der Koalition aus FPK und ÖVP belegen. Diese Koalition hat Kärnten auch zu trauriger Berühmtheit im Bereich der politischen Ethik verholfen. Martinz und Scheuch sind zurückgetreten. Geblieben ist Dörfler, der völlig unfähig ist, so etwas wie Zusammenarbeit in einer Landesregierung zustande zu bringen. Kärnten braucht den Wechsel.

Warum wandern so viele Kärntner ab?

Wir haben zwar die höchste Maturantenquote aller Bundesländer, aber unsere Arbeitsplätze im Industrie-und Dienstleistungsbereich bieten oft nicht ausbildungsadäquate Beschäftigung und schon gar nicht Bezahlung. Wir müssen uns anstrengen, die Bereiche Technik, Forschung, Kommunikationstechnologie zu forcieren und, als zweites Standbein, den Bildungs- und Gesundheitssektor als Wirtschaftsmotor zu entwickeln.

Was will ein Landeshauptmann Kaiser anders machen als Dörfler?

Ich werde verändern ohne zu zerstören. Ich bin verantwortungsbewusst, ich werde danach trachten, dass Respekt im Umgang miteinander herrscht. Ich will aber auch, dass jeder seine Verantwortung wahrnimmt. Das jetzige System hat sich als unzulänglich erwiesen, wir werden es Schritt für Schritt ändern. Die Gewaltentrennung muss im Alltag gelebt werden, die Kontrollinstanzen müssen funktionieren. Ich möchte mehr Rechte zum Landtag verlagern, sämtliche Anwaltschaften – für Patienten, Frauen, Kinder und Jugend – dort ansässig machen.

Sie könnten Chef einer Fünf-Parteien-Regierung werden. Ist das noch praxistauglich?

Diese Aussicht wird vielleicht die Kärntner noch zum Nachdenken anregen, dass klare Verhältnisse besser sind für eine Reform-Periode, wie sie Kärnten jetzt braucht.

Die FPK will 400 Millionen aus dem Zukunftsfonds unter den Kärntnern verteilen. Das Geldverteilen hat in Kärnten schon öfter als Wahlschlager gewirkt. Warum soll es diesmal nicht funktionieren?

Die FPK hofft, sie kann die Kärntner ein weiteres Mal täuschen: Sie stellt den Kärntnern Geld, das ihnen sowieso gehört, in Aussicht und sagt: Das kriegt’s ihr aber nur, wenn ihr uns wählt. Dieses Blenden, dieses unvorstellbare Geldverschleudern, ohne über den Wahltag hinauszudenken, muss endlich ein Ende haben.

In der Klagenfurter Buchhandlung Hacek, spezialisiert auf slowenischsprachige Literatur, präsentiert eine Jazz-Gruppe ihre neue CD. Im Publikum sitzt die slowenische Generalkonsulin Dragica Urtelj. Eine gute Gelegenheit für Landeshauptmann Gerhard Dörfler, Weltläufigkeit zu demonstrieren. Doch plötzlich betritt unangemeldet ÖVP-Kultur-Landesrat Wolfgang Waldner die Szene. Dörfler begrüßt ihn säuerlich, sein Solo ist verpatzt, er muss die politische Bühne teilen.

Faschingssitzung in Dörflers Heimatbezirk Feldkirchen: Freundliches Händeschütteln im Foyer des Stadtsaals. Alles paletti. Doch als Dörfler den Saal betritt, ist schon wieder Konkurrenz da – Peter Kaiser, Spitzenkandidat der SPÖ. Diesmal will sich Dörfler nicht geschlagen geben, schließlich hat er hier so etwas wie ein Hausrecht. Ergo erklimmt er während der laufenden Faschingssitzung die Bühne, nimmt sich ein Mikrofon und erzählt im Narrenstil: „Fährt der Peter Kaiser mit dem Auto. Ganz langsam, mit fünf km/h, weil die Scheibe vereist ist, und er nichts sieht. Da klopft ein Mann aufs Seitenfenster, Kaiser macht es auf. ,Hast Du eine Zigarette für mich?‘ – Kaiser gibt ihm eine und fährt langsam weiter. Da klopft der Mann noch einmal: ,Hast Du Feuer für mich?‘ – Kaiser gibt es ihm und fährt weiter. Da klopft der Mann noch einmal: ,Weilst so nett bist, Kaiser, zeig’ ich Dir, wie Du aus dem Kreisverkehr hinaus kommst.‘ “ Haha. Der Moderator nimmt Dörfler das Mikro aus der Hand und sagt: „Der Kaiser fährt wenigstens selber, während der Dörfler einen Chauffeur hat.“ Riesengelächter im Publikum. Das sitzt. Dörfler verlässt wortlos die Bühne.

Peter Kaiser: "Dörfler ist völlig unfähig"
Kein Zweifel: Vier Jahr nach Haiders Tod wankt die rechtspopulistische Bastion in Kärnten. Zu lang ist die Liste der Verfehlungen: Die Justiz kommt kaum nach mit dem Aufarbeiten von Korruption. Die Kassen sind leer, die Schulden hoch, das Geld oft sinnlos verprasst: Wie ein Mahnmal steht das nutzlose Fußball-Stadion an den Gestaden des Wörthersees. Viele Kärntner haben nun offenbar die Nase voll. Den Wunsch nach politischem Wechsel erheben nicht nur die Meinungsforscher, er ist auch landauf, landab zu hören. „So kann’s nicht weitergehen.“ – „Die FPK wähl’ ich nimmer.“ – „Es muss was and’res her.“ Ob bei Betriebsbesuchen im Gailtal, auf der Häuslbauer-Messe in Klagenfurt, auf dem Bauernmarkt in Ferlach oder im Wirtshaus in Kärntens zweisprachigem Süden – Wechselwünsche hört man oft in diesem Wahlkampf.

Aber was das „andere“ sein soll, wer am 3. März das Kreuzerl bekommt, bleibt ungesagt.

Dieser diffusen Stimmung versucht eine Allianz aus SPÖ, ÖVP und Grünen eine Richtung zu geben. Die drei Parteien haben sich auf einen gründlichen Systemwandel verständigt: Die Proporzregierung, in der alle Parteien ab zehn Prozent vertreten sind, soll abgeschafft werden. Stattdessen soll es eine Regierung nach Bundes-Muster geben, der eine Opposition mit mehr Kontrollrechten im Landtag gegenüber sitzt (siehe Interview). Die Landesräte sollen wie die Minister Budget- und Personalhoheit bekommen. Ziel des Ganzen: Das derzeitige System, das Despotentum und Korruption Vorschub leistet, durch moderne, transparente Standards zu ersetzen.

Vordergründig geht es in Kärnten darum, wer Landeshauptmann wird: Dörfler oder Kaiser? Die tiefer gehende Entscheidung ist, ob sich die Kärntner vom Rechtspopulismus verabschieden und eine Normalisierung der Verhältnisse wollen.

Diese Entscheidung wird an folgenden Wahlergebnissen abzulesen sein: Welches Lager hat im Landtag die Mehrheit? SPÖ, ÖVP und Grüne gemeinsam? Oder der populistische Block aus FPK, Team Stronach und BZÖ?

Welches der beiden Lager bekommt die für Beschlüsse nötigen vier der sieben Regierungssitze? Kann die FPK ein Drittel der Abgeordneten halten und damit weiter Verfassungsänderungen blockieren?

Wenn SPÖ, ÖVP und Grüne ihre Wahlziele erreichen, wird SPÖ-Chef Peter Kaiser Landeshauptmann. Kaiser ist kein Machtmensch. Er will eine faire Ressortverteilung und zivilisierte Zusammenarbeit in der Regierung.

Wolfgang Waldner (ÖVP) möchte ein Kultur-, Wissenschafts- und Technologieressort leiten, um der Abwanderung junger, gut ausgebildeter Kärntner entgegenzuwirken.

Dem Grünen Rolf Holub schwebt ein Energieressort mit umfassenden Kompetenzen vor, um Alternativenergien zu forcieren. „In zehn Jahren kann Kärnten energieautark sein“, sagt Holub.

Das rot-schwarz-grüne Reformprojekt hängt stark an den Spitzenleuten von SPÖ und ÖVP, Peter Kaiser, Wolfgang Waldner und ÖVP-Chef Gabriel Obernosterer. Wenn es den einen oder anderen durch einen Misserfolg bei der Wahl wegschwemmt, fällt das ganze Projekt zusammen. Kaiser und Waldner haben schon angekündigt, dass sie abtreten, wenn sie ihr Wahlziel – Landeshauptmann der eine, Landesregierungssitz der andere – verfehlen.

Diese drei Parteien gehen auch im Wahlkampf mit gutem Beispiel voran, sie verschandeln Kärnten nicht mit Plakaten, sondern ersetzen die Materialschlacht durch Laufarbeit.

ÖVP-Chef Obernosterer, ein Hotelier aus dem Lesachtal, tourt durch alle 132 Kärntner Gemeinden, um seine Partei nach der Birnbacher-Affäre wieder zusammenzuflicken.

Im vergangenen Sommer, nach Birnbachers Geständnis, ein überhöhtes Honorar zum Zwecke der verdeckten Parteienfinanzierung kassiert zu haben, war die ÖVP in Auflösung begriffen. Ihre Leute schmissen reihenweise die Funktionen hin. Mit einem radikalen Personalschnitt hat Obernosterer das Ruder herumgerissen und die Partei von nur mehr sechs auf inzwischen wieder 13 Prozent hinaufgepuscht. Jetzt schwört er seine Leute auf den neuen Kurs ein, den „ Systemwechsel“ und „keine Koalition mit Leuten, die mit dem Staatsanwalt zu tun haben“ (womit das FPK-Spitzenduo Dörfler und Finanzreferent Harald Dobernig gemeint ist).

Die Grünen können dank der akribischen Aufdeckungsarbeit Rolf Holubs auf in Kärnten unüblich starke Zugewinne hoffen und ihre derzeitigen fünf Prozent möglicherweise mehr als verdoppeln. Holub: „Viele Leute sagen mir, sie seien zwar nicht grün, aber diesmal werden sie mich wählen, weil ich es mir verdient hätte.“

Freitag Vormittag im Holzwerk Buchacher in Hermagor. Das Hightech-Unternehmen gehört dem neuen Präsidenten der Kärntner Industriellenvereinigung, Christoph Kulterer. Die Arbeiter in der Halle fertigen gerade imposante Säulen für die Dachkonstruktion der neuen Red Bull-Sporthalle in Salzburg.

Kulterer führt SPÖ-Chef Kaiser durch die Fertigungsanlagen. „Bildung und nochmals Bildung“, sagt Kulterer auf Kaisers Frage, was das wichtigste Anliegen an die Politik sei. „Jeder Kärntner Jugendliche muss mit zwei Fremdsprachen im Gepäck aus der Schule kommen.“ Das Unternehmen hat 800 Mitarbeiter, 250 Millionen Jahresumsatz, 70 Prozent Exportanteil. Hauptmarkt ist Italien, Italienisch braucht, zumindest am Gailtaler Standort, praktisch jeder.

Während der SPÖ-Chef in Oberkärnten Arbeiterhände schüttelt, zieht BZÖ-Chef Josef Bucher auf der Häuslbauer-Messe in Klagenfurt einen Auftritt wie weiland Haider ab: Radeln auf dem Hometrainer, Probeliegen im Bio-Bett, Verkostung von allem, was geboten wird, mit jedem per Du. Zum Stil passt das Ziel: Bucher will jene früheren Haider-Wähler haben, die von der FPK enttäuscht sind. In diesem Teich fischt allerdings auch Frank Stronach. Alle drei Gruppen zusammen könnten stark genug werden, um die Populisten-Bastion zu halten. Bucher jedenfalls schließt nicht aus, dass das BZÖ Dörfler wieder zum Landeshauptmann kürt: „Wenn die Scheuchs nach dem 3. März weg sind, ist eine Wahl Dörflers zum Landeshauptmann denkbar.“

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