Peter Hanke im Porträt: Ein roter Satellit sucht seinen Kurs

MEDIENTERMIN BRENNER BASISTUNNEL BBT SE: HANKE
Der Verkehrsminister fremdelt nach sechs Monaten noch mit seinem Amt: In der SPÖ gilt er als Einzelgänger. Für so manches Thema fehle ihm die Liebe zum Detail, sagen Kritiker. Mit der Entscheidung zum Lobautunnel könnte er nun sein Profil schärfen.

Das waren noch Zeiten: „Danke, Hanke!“ titelte die Kronenzeitung im Oktober 2019 auf Seite 1, als der damalige Wiener Stadtrat Peter Hanke erklärte, dass „Schluss mit den Schulden“ sei in der Stadt.

Heute, fast sechs Jahre später, sind die Schulden der Stadt über den Kopf gewachsen. Und Hanke, mittlerweile für die SPÖ als Verkehrs- und Infrastrukturminister im Bund tätig, ist längst nicht mehr Liebling des Boulevards.

Seit Mittwoch ist ihm zumindest mediale Aufmerksamkeit sicher: Da lud Hanke zur Pressekonferenz und verkündete, wie es mit dem umstrittenen Lobautunnel weitergehen solle. Hanke gab grünes Licht für den Weiterbau der Schnellstraße S1.

Befreiungsschlag 

Er konterkarierte so zum zweiten Mal die Linie seiner grünen Amtsvorgängerin Leonore Gewessler; das erste Mal leistete er „seiner“ Wiener SPÖ im Wahlkampf Schützenhilfe, als er einer StVO-Novelle zustimmte, die die verkehrsberuhigte Innenstadt ermöglicht.

Dass er bei der Lobau Stärke demonstriert, werten Polit-Beobachter als versuchten Befreiungsschlag eines Ministers, der mit seinem Amt noch gehörig fremdelt: Ob der langjährige, erfolgreiche Manager des Mega-Konzerns Wien Holding das Rüstzeug für die Infrastrukturagenden mitbringt, darüber lässt sich streiten.

Vranitzky, Grant, Brunner

Als Finanz- und Wirtschaftsstadtrat war Hanke in seinem Element. Er repräsentierte, referierte und konferierte mit Wirtschaftsvertretern – gerne aus dem konservativen Lager, zu dem er gute Beziehungen pflegt. Generell ist Hanke ein Mann des Konsenses. Nicht umsonst gilt er als Verbindungsmann zur ÖVP und wurde schon zu Zeiten Pamela Rendi-Wagners als Vizekanzler einer möglichen türkis-roten Koalition genannt.

Auch im Auftritt ist Hanke, der aus dem roten Wiener Parteiadel stammt, alles andere als der klassische Sozialdemokrat. Die Anzüge sitzen, der Siegelring auch. Als „Cary Grant aus Favoriten“ bezeichnete ihn das Profil; weniger Wohlwollende betiteln ihn als „Nadelstreif-Sozialisten“. Das erinnert nicht nur zufällig an Franz Vranitzky. Als Hanke einst für höhere Weihen infrage kam, soll sein Team in den Archiven nach alten Plakatkampagnen des einstigen roten Kanzlers gesucht haben, um sich Inspiration zu holen.

46-218947324

Am Tag nach Peter Hankes Go für den Bau des Lobautunnels formierte sich vor seinem Infrastrukturministerium Widerstand. 

„Magnus Brunner der SPÖ“

Andere nennen Hanke den „Magnus Brunner der SPÖ“: „Umgänglich, charmant, redegewandt – aber wenn es ans inhaltlich Eingemachte und Handfeste geht, ist er ausweichend.“ Das passt zum holprigen Start im Ministerium: Er ist kein Mann für Details und für das „Micromanagement“, sagen Wegbegleiter. Und manches Thema nimmt man ihm schlicht nicht ab: Hanke, der über Fahrradhelme räsoniert? Fraglich, wann er zuletzt auf einem Rad gesessen ist.

Auch dass er in seinem Ressort in den nächsten Jahren wenig handfeste Erfolge feiern wird, dürfte Hanke grämen. Die Budgets sind knapp. Und gerade Infrastrukturprojekte halten sich nicht an Legislaturperioden – vieles von dem, mit dem sich Hanke beschäftigt, wird erst unter Nachfolgern Früchte tragen.

Innerhalb der SPÖ-Mannschaft gilt Hanke als „Satellit“, der kaum die Nähe zu roten Ministerkollegen suche. Teile seines Teams hat er aus seinem Stadtratsbüro mitgebracht. In seinem Kabinett, so hört man, fehle es noch an „Machern“ mit Führungsqualitäten, die ihm den Rücken freihalten.

Zumindest der Ruf des Einzelgängers ist für Hanke nicht neu. Schon in Wien fiel er in der Koalition – etwa neben dem rüpeligen Gesundheitsstadtrat Peter Hacker – aus der Reihe. Zunehmend kam es zum Bruch mit seinem politischen Erfinder: Bürgermeister Michael Ludwig. Offensichtlich wurde das im Wien-Energie-Skandal, in dem Ludwig abtauchte, Hanke aus dem Urlaub zurückbeorderte und ins Feuer schickte. Die Bilder in der „Zeit im Bild“, in der er im Finsteren vor der bewachten Tür des Kanzleramtes stehen musste – so, als habe man ihn nicht eingelassen –, bleiben in Erinnerung. Auch als Ludwig die umstrittene „Notkompetenz“ nutzte, um die Wien Energie heimlich mit Geld zu versorgen, ließ er den Stadtrat außen vor.

Ausritte gegen AUA und ÖBB

Dass Ludwig wenig Freude mit dem – für seinen Geschmack – etwas zu beliebten und vernetzten Stadtrat hatte, gipfelte in jenem Durcheinander, das Hanke ins Ministerium brachte. Intern wurde so lange taktiert, bis am Ende keiner mehr wusste, ob Hanke Interesse an einem Job im Bund habe, tatsächlich gar kein Interesse habe – oder doch bloß damit kokettiere, kein Interesse zu haben, um ein wenig freundlicher gebeten zu werden.

Ludwig schlug ihn – um Fakten zu schaffen – zur Unfreude von Parteichef Andreas Babler als Finanzminister vor, Hankes Umfeld dementierte via KURIER. Letztendlich bekam er die Infrastrukturagenden – und setzte sich gegen Niederösterreichs Sven Hergovich (der gerne Minister geworden wäre) und Wiens Verkehrsstadträtin Ulli Sima (die dem Vernehmen nach abgelehnt haben soll) durch.

Während die Parteifreunde im Rathaus sich seit Hankes Abgang gut darauf verstehen, so manchen Missstand in Wien kurzerhand dem Ex-Kollegen in die Schuhe zu schieben, dürfte dieser in nächster Zeit verstärkt die bundesweite Öffentlichkeit suchen, um sein Profil zu schärfen.

Zuletzt sorgte er für Aufsehen, als er der AUA ausrichtete, dass er das Aus für die Flugverbindung Linz–Frankfurt nicht akzeptiere und den Lufthansa-Chef persönlich sprechen wolle. Den ÖBB teilte er mit, dass es sich beim Anstieg der Ticketpreise über der Inflation nur um ein „Missverständnis“ handeln könne; tatsächlich ruderte ÖBB-Chef Andreas Matthä kurz darauf zurück.

Ein „Danke, Hanke“ lässt bisher noch auf sich warten.

Kommentare