ORF-Talk über Identitäre: "Lasse mir nicht das Wort verbieten!"

ORF-Talk über Identitäre: "Lasse mir nicht das Wort verbieten!"
Bei "Im Zentrum" wurde erörtert, ob der Koalitionsfrieden ernsthaft in Gefahr sei. Für ÖVP und FPÖ sprachen Außenstehende wie Khol und Mölzer.

*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*

Der Privatsender ServusTV hatte am Donnerstag die Diskurslatte wieder einmal mehr nach rechts unten verlegt. Der Vordenker der Neuen Rechten in Deutschland, Götz Kubitschek, saß mit jenen Experten und Expertinnen zusammen, die ihr Kommen nicht abgesagt hatten. Und der bekannte Polemiker Henryik M. Broder nannte den Jugendforscher Bernard Heinzlmaier, nach ein bisschen Gegenwind, einen "Gartenzwerg". Dieser sagte: "Selber Gartenzwerg."

Während es im "Hangar 7" um die Gefahr ging, die vonseiten der Identitären und der Neuen Rechten ausgeht, blieb der öffentlich-rechtliche ORF thematisch bei der Innenpolitik und fragte die Gäste von "Im Zentrum", ob denn nun der Koalitionsfrieden in Gefahr sei.

Die Koalition wurde dabei zunächst von Andreas Khol vertreten, der Ex-ÖVP-Spitzenpolitiker ist derzeit Ehrenpräsident des Seniorenbundes. Noch etwas näher an aktuellen Regierungsagenden ist wenigstens FPÖ-Ideologe Andreas Mölzer, der immerhin jene Historikerkommission über den blauen Umgang mit ganz Rechts leitet, deren Ergebnisse noch immer sehnlichst erwartet werden.

Zarte Kritik an FPÖ

Khol bemühte sich zunächst, die Abgrenzung der ÖVP von rechten Umtrieben deutlich zu machen. "Jemand, der nach außen Sympathie für die Verschwörungstheorie der ‚Umvolkung‘ und islamrassistische Theoreme hat, kann nicht Ministermitarbeiter sein“, sagte er. Wobei auffiel, dass er über konkrete Beispiele in FPÖ-geführten Ministerien immer nur in der Vergangenheitsform sprach.

Jener Mann, der den Begriff "Umvolkung" in Österreich in den breiten, öffentlichen Diskurs gebracht hat, ist Andreas Mölzer. Dieser hatte auf Nachfrage von Moderatorin Claudia Reiterer nur einen Punkt an seiner Umvolkungsthese zu korrigieren: Sie sei bereits 1990 gefallen und nicht 1991, wie Reiterer gesagt hatte. Aber wenn man sich die Bevölkerungsentwicklung ansehe, könne man feststellen, dass es immerhin "in diese Richtung" gehe, meinte Mölzer.

Deutlich schärfer handelte er die angesprochenen Identitären ab, die er wie viele andere in der FPÖ zunächst als erfrischende Aktivistengruppe wahrgenommen habe. Aber jetzt scheint Schluss mit lustig, zumindest in Worten. Mölzer: "Wir lassen uns von einer politischen Sekte nicht den Begriff des Patriotismus und der kulturellen Identität wegnehmen."

Man könnte es auch anders sagen: Was rechts ist, definieren wir selber. Oder in Anlehnung an Franz-Josef Strauss: Rechts von der FPÖ darf (in der Öffentlichkeit) kein Platz mehr sein.

Mernyi: "Brandstifter" in der Regierung

Naturgemäß kritisch sah das alles SPÖ-Gewerkschafter und Vorsitzender des Mauthausen Komitees, Willi Mernyi: "Wer mit Anlauf in die Jauchengrube springt, darf sich nachher nicht wundern, wenn er stinkt", sagte er über die ÖVP. Und bemühte auch das vielzitierte Dürrenmatt-Stück "Biedermann und die Brandstifter": "Leider hat die ÖVP die FPÖ ins Haus geholt, ihnen das Feuerzeug in die Hand gegeben und jetzt brennt das Dach."

So ging es ein paar Mal zwischen Rechts und Links hin und her. Mölzer tat die Vorwürfe stets mit dem Hinweis ab, dass die FPÖ es den Linken ja nie recht machen könnte. Auch nicht mit dem Bericht seiner Historikerkommission, der im Grunde fertig sei, „bis auf ein paar Kleinigkeiten“, aber noch vom Auftraggeber, der FPÖ freigegeben werden müsse.

Khol: Der "Balken" im linken Auge

Khol verwendete aber auffallend viel Kraft darauf, auf Brandstifter im linken Bereich hinzuweisen. Jean Ziegler etwa, der vor Kurzem in Wien zu Gast war. Der Globalisierungskritiker werde von den Linken hofiert, ihm würden Otto-Bauer-Gedenkmedaillen um den Hals gehängt, obwohl dieser die These vertrete, dass ein wirklicher gesellschaftlicher Wandel nicht ohne Gewalt vonstatten gehen könne. Man sehe immer nur den Splitter im anderen Auge, während man den Balken im eigenen Auge übersehe.

Als Khol seinen Vorwurf dann zum dritten Mal formulieren wollte, wollte Reiterer dem nicht mehr folgen und jemand anderem das Wort geben. Khol reagierte auffallend unwirsch: "Ich lasse mir von Ihnen nicht das Wort verbieten!"

Reiterer sagte, dass sie ihm niemals das Wort verbieten würde, und wies darauf hin, dass Khol sein Argument bereits ausreichend formulieren habe können.

Mölzer: "Falter" als "linksextremes Blatt"

Einen weitere kurze Nachfrage gab es von Reiterer an Mölzer, ob er wirklich meine, der Falter sei "ein linksextremes Blatt".

Mölzer hatte so die Beschwerde des FPÖ-Abgeordneten Gerhard Deimek darüber argumentiert, dass in Zügen der ÖBB zwar der Falter erhältlich sei, nicht aber das rechte Magazin Wochenblick.

Mölzer adaptierte seine Aussage, wenngleich das kaum zu hören war: "Ist er natürlich nicht, aber für uns halt."

Kommunismus-Vorwürfe 

Apropos linksextrem. Entsprechende Vorwürfe musste sich die als Rechtsextremismus-Expertin geladene Judith Goetz anhören, weil sie 2004 als Spitzenkandidatin der KPÖ bei den Kärntner Landtagswahlen angetreten war.

Goetz' Engagement ist ein bisschen lange her, um dem ORF den Vorwurf machen zu können, das nicht entsprechend ausgeschildert zu haben. In den einschlägigen sozialen Empörungsmedien wie Twitter und Facebook wurde es aber ausgiebig getan.

Goetz selbst sagte, warum sollte sie ihre politische Vergangenheit daran hindern, ihre Einschätzung über die Identitären und andere rechte Bewegungen öffentlich kundzutun. Diese ist zum Beispiel: "Zwischen der FPÖ und den Identitären gibt es Überschneidungen in den zentralen Narrativen. Hinter den Begrifflichkeiten steckt die gleiche rassistische Erzählung."

Khol: "Ich hasse Gewaltbereitschaft!"

Andreas Khol traf eine nicht sehr scharfe und scharfsinnige Unterscheidung zwischen rechtsextrem und nicht rechtsextrem: Khol meinte, eine Gruppe sei nur dann als „rechtsextrem" einzustufen, wenn sie "gewaltbereit" ist. Mit dieser Einstellung könnte man jede antijüdische Agitation oder das Schaffen von Feindbildern generell als nicht rechtsextrem feisprechen, nur weil man selbst keine Gewalt auf die Straße trägt.

Aber für Khol war es das entscheidende Merkmal. "Ich hasse Gewaltbereitschaft!" sagte er einmal ziemlich laut. Eine klare Abgrenzung von Rechts sieht jedenfalls anders aus.

Der Bundeskanzler hat sich da zuletzt schon etwas mehr bemüht. Für Politikwissenschaftlerin Kathrin Steiner-Hämmerle hat das aktuelle Handeln von Sebastian Kurz einen klaren Grund: "Was ihn zum Handeln gedrängt hat, ist, dass die ganze Welt im Moment auf Österreich und auf die Verbindungen seines Regierungspartners mit den Identitären schaut."

IM ZENTRUM: Der rechte Rand und die Politik – Ist der Koalitionsfrieden in Gefahr?

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