ORF: Kurz verteidigt „hohes Gut Meinungsfreiheit“
Die Tagespolitik kann grausame Volten schlagen. ORF-Chef Alexander Wrabetz hat am Dienstag vorsichtig einen Entwurf zu seinen geplanten Neuregelungen für den Umgang mit Social Media im Unternehmen lanciert. Und dafür eine volle Breitseite an Kritik von innerhalb und außerhalb des Unternehmens kassiert. Sogar der deutsche Comedian Jan Böhmermann nahm den Entwurf aufs Korn.
Soweit, so viel Gegenwind. Die Blamage folgte allerdings am Mittwoch, als Bundeskanzler Sebastian Kurz (V) auf Journalistenfrage erklärte, er sehe das Regelwerk „sehr skeptisch“. „Ich halte die Meinungsfreiheit für ein hohes Gut“, meinte Kurz knapp und brachte Wrabetz damit endgültig in die Bredouille – denn die strengen Regeln hatte er nicht zuletzt auf Druck von ÖVP und FPÖ im Stiftungsrat angekündigt. Offenbar ist sogar dem Inszenierungs- und Message-Control-Fan Kurz ein so weitreichender Maulkorb für lästige Journalisten zu nahe an den Zuständen in Ungarn.
„Nur Entwurf“
Wrabetz musste schnell nachlegen: Der Entwurf sei vergangenen Freitag an Redakteursrat, Zentralbetriebsrat, Chefredakteure und ORF-Direktoren gegangen, erklärte Wrabetz. Nachdem das Papier publik geworden war, schickte er nun noch eine Information an denselben Adressatenkreis nach: „Der guten Ordnung halber“ hält er darin fest, dass der Text „ein Entwurf ist, der noch mit der Redakteursvertretung und dem Zentralbetriebsrat beraten wird“, heißt es in einem von der APA in Auszügen publizierten Schreiben: „Darüber hinaus bin ich für Anregungen im Hinblick auf Formulierungen dankbar.“
Vor und zurück
Hü-hott laute also die Devise. Noch am Dienstag hatte Wrabetz via Twitter auf das strenge Regelwerk der New York Times verwiesen, das ein Vorbild seines Entwurfs ist. Und ein Mitarbeiter seines Stabes hatte öffentlich einen Rüffel an einen ORF-Redakteur ausgesprochen - „wir telefonieren morgen“, lautete die wenig subtile Drohung via Twitter aus dem Generalsbüro.
Wie weit sich der „Entwurf“ nun also in die Realität übersetzt, bleibt offen. Am heutigen Donnerstag tritt der ORF-Stiftungsrat zusammen, um über das Pflichtenheft des Generaldirektors über den Sommer zu sprechen. Dass die missglückte Aufgabe „Social Media“ nicht zur Sprache kommen wird, ist unwahrscheinlich. Sowohl blaue als auch türkis-schwarze Mitglieder des Stiftungsrates wünschen sich eine Verschärfung der Regeln samt Sanktionsmöglichkeit, allen voran Stiftungsratsvorsitzender Norbert Steger, der die ORF-Journalisten seinerseits ja in einem „linken Endkampf“ wähnt.
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