Mahrer und Drozda: "Ohne uns wäre Badeschluss gewesen"

Debriefing: Harald Mahrer und Thomas Drozda nach Ministerrat
Thomas Drozda und Harald Mahrer gelten als Kitt der rot-schwarzen Koalition.

Der Mann scheint ein Talent für Selbstironie zu besitzen. Zwei moderne Kunstwerke prangen an seinen Bürowänden, die das facettenreiche Spannungsfeld in der Koalition nicht besser auf den Punkt bringen könnten. Das eine nennt sich "Wilderness" vom finnischen Maler Petri Ala-Maunus, vis-à-vis hängt das Werk von Anselm Glück mit der Botschaft "Gemeinsam in Verbindung treten".

Mittendrin sitzt der 1,94 Meter große Harald Mahrer (43). Nicht nur zwischen der modernen Kunst, sondern auch im hitzigen Koalitionsklima. Der Tangotänzer und ÖVP-Staatssekretär ist mit seinem Konterpart Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) für die Regierungskoordination verantwortlich.

Der Job ist ein Drahtseilakt. Während sich die Regierungsmitglieder darin gefallen, Konflikte mit dem Koalitionspartner anzuzetteln, statt den "New Deal" zu leben, suchen Mahrer und Drozda die Rolle der ruhigen Vermittler. "Wenn ich an die Budgetdebatte denke, wo wir eine Rekordsumme für Investitionen zur Verfügung stellen konnten, dann war die Kommunikation eine lupenreine Selbstbeschädigung", analysiert Drozda selbstkritisch.

Im Sommer übernahmen die Regierungskoordinatoren jeden Dienstag nach dem Ministerrat das Pressefoyer von SPÖ-Kanzler Christian Kern und ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Das neue "Debriefing" verschaffte ihnen einen fixen Platz im Rampenlicht, wirklich glücklich darüber sind sie nicht. Denn: Lust auf das tägliche Hickhack hat das Duo keine. Sie haben mehr Reformen im Visier. Eine Streitkultur kennen sie, aber Fouls sind zwischen Drozda und Mahrer tabu. "Es existiert ein Widerspruch zwischen dem Erscheinungsbild der Koalition und der täglichen Arbeit. Die funktioniert weit besser. Zwischen Mahrer und mir herrscht ein amikales Arbeitsverhältnis, und wir verstehen uns auch privat gut", sagt Drozda.

Ähnlich skizziert Mahrer die Zusammenarbeit: "Thomas Drozda hat ein tiefes Verständnis für Wirtschaft, das unterscheidet ihn von manchen in der SPÖ. Es redet sich auf Augenhöhe mit ihm, und er besitzt Handschlagqualität."

Viele politische Beobachter sehen das Duo als den Kitt der möglicherweise letzten großen Koalition für einen langen Zeitraum. Wäre das Verhältnis zwischen "uns nicht derart konstruktiv, dann hätte es schon ein paar Mal ,Badeschluss’ gegeben", gibt auch Mahrer zu.

Update im Jänner

Als "Koalitionskuschler" will Mahrer trotzdem nicht gesehen werden. "Es ist ein Projektmanagement-Job. Unser großer Plan ist es, dass das Land Innovationsführer wird. Wenn wir das nicht schaffen, können wir uns ein weißes Leintuch umhängen und geordnet zum wirtschaftspolitischen Zentralfriedhof marschieren."

Erfolge können die beiden in den letzten Monaten zwar aufweisen. In der Öffentlichkeit wurden sie aber alles andere als optimal "verkauft": Dazu gehört die Forschungsmilliarde ebenso wie das 750 Millionen-Paket für die Ganztagsschule und die Investitionsförderung für kleinere und mittlere Unternehmen. "Hätte ich vor sieben Monaten darauf wetten müssen, ob wir das schaffen, wäre ich mir nicht sicher gewesen", sagt Drozda.

Doch das ist nicht genug. Nun bedarf es dringend eines Updates des Regierungsprogramms. Das soll im Jänner 2017 passieren. Niemand hat die "Migrationsbewegung" voraussehen können. Die Digitalisierung rollt im High-Speed-Tempo auf Österreich zu. Auch in der Arbeitsmarktpolitik muss dringend aufs Gas gestiegen werden.

"Vieles zu langsam"

"Manche Institutionen und Funktionäre schlafen in der Pendeluhr", klagt Mahrer. Der Reformstau in der Republik lässt Mahrer immer wieder verzweifelt die Hände vor dem Gesicht zusammen schlagen. "Mir geht die Umsetzung bei vielem zu langsam. Das macht mich in der Politik am meisten fertig. Wir führen eine Auseinandersetzung zwischen Zukunft und Mittelalter. Ich stehe auf der Seite der Zukunft", sagt der frühere Unternehmer.

Auch Drozda ist schockiert, wie lange die Prozesse in der Politik brauchen. Der Ex-Kulturmanager hat von 1993 bis 1999 bei den Kanzlern Franz Vranitzky und Viktor Klima als wirtschaftspolitischer Referent gearbeitet. Bei seinem Comeback in der Politik vor sieben Monaten erlebt er ein Déjà-vu. "Mich überraschte, wie groß die Kontinuität bei den nicht gelösten Problemen ist. Ich habe die exakt gleichen Papiere zum Thema Gewerbeordnung und zur Sozialversicherung vorgefunden, die ich selbst vor 20 Jahren verfasste. Die Reformgeschwindigkeit muss erhöht werden, sonst wird es problematisch."

Mahrer und Drozda: "Ohne uns wäre Badeschluss gewesen"
ABD0043_20160906 - WIEN - ÖSTERREICH: Die Regierungskoordinatoren Sts. Harald Mahrer (l./ÖVP) und BM Thomas Drozda (SPÖ) während eines "Debriefing" nach einer Sitzung des Ministerrates am Dienstag, 6. September 2016, in Wien. - FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER

Doch welche Attribute befähigt das Duo, die Mediatoren der streitfreudigen Koalition zu sein? Vor allem der verbindliche Stil von Kanzleramtsminister Drozda wird von den ÖVP-Ministern Schelling und Sobotka häufig gewürdigt. "Ich bin einer, der gerne im Frieden lebt. Und ich gehöre auch nicht zu jenen Verhandlern, deren größter Erfolg es ist, das Gegenüber beim Bauchfleck beobachten zu können", beschreibt sich Drozda selbst. Unter die Kategorie "roter ideologischer Hardliner" fällt der 51-Jährige mit Sicherheit nicht. Die Verhandlungstaktik legt er so an, dass er für sich selbst die große Linie definiert. Im Gegenzug versucht er in den kleinen Details flexibel zu sein. "Ich überlege mir immer, warum schlägt das Gegenüber diese Lösungen vor." Und wann verliert Drozda seine ausgeprägte Contenance? "Wenn man meine Verbindlichkeit für eine Schwäche hält. Da kann ich auch eine andere Gangart einschlagen."

Bei Mahrer schätzen SPÖ- Regierungsmitglieder wie etwa Unterrichtsministerin Sonja Hammerschmid seinen "Mut zur Veränderung".

Harald Mahrer.Das politische Steckenpferd von Harald Mahrer ist die Digitalisierung. „Hier verschlafen wir einiges“, warnt der ÖVP-Staatssekretär. Der ÖVP-Regierungskoordinator studierte Betriebswirtschafts- lehre, in dieser Zeit war er auch bei der VP-nahen AG in der Studentenpolitik aktiv. Anschließend fungierte der 43-Jährige als Geschäftsführer bei mehreren Unternehmen.
Der „Jedi der Volkspartei“ (©„Die Zeit“) will die ÖVP reformieren. Privat ist er mit Sebastian Kurz befreundet. Mahrers Ehefrau lebt in Spittal/Drau. Der gebürtige Wiener sammelt moderne Kunst.

Thomas Drozda. Der 51-Jährige ist ein Wirtschaftskopf. Er hat in Linz Volkswirtschaft studiert und auf Betreiben seiner Mutter ein Betriebswirtschaftsstudium abgeschlossen. Als Student engagierte er sich für die sozialistischen Studenten. SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky wurde auf ihn aufmerksam und warb ihn als Referent ab. Auch im Kabinett Klima war Drozda tätig. Der gebürtige Oberösterreicher war kaufmännischer Direktor des Burgtheaters u. ORF-Stiftungsrat. Als Kanzler Christian Kern ihm den Kanzleramtsministerposten anbot, war er Direktor der Vereinigten Bühnen Wien.

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