ÖVP-Vorzugsstimmen: Landesparteien gehen eigene Wege

ÖVP-Vorzugsstimmen: Landesparteien gehen eigene Wege
VP in Niederösterreich, Burgenland und Steiermark mit eigenen Regelung. Neo-ÖVP-Chef Kurz hätte neue Vorzugsstimmenhürde 2013 verfehlt.

Die ÖVP-Bundespartei hat sich selbst eine Halbierung der gesetzlichen Vorzugsstimmenhürden verordnet. Schwer zu erreichen bleibt sie trotzdem. Das zeigt der Vergleich mit 2013: Selbst der schwarze Jungstar Sebastian Kurz hätte auf der Bundesliste damals kein Vorzugsstimmenmandat geschafft. Zwei ÖVP-Frauen wären mit den neuen Regeln aber um ihr Direktmandat umgefallen. Ex-Klubdirektor Werner Zögernitz erwartet durch das neue System jedenfalls mehr Dynamik.

Mit "Vorzugsstimmen" können die Wähler neben der Partei auch ihren Wunschkandidaten wählen und - entsprechend viele Stimmen vorausgesetzt - direkt ins Parlament schicken. Zumindest theoretisch. Denn bei der Nationalratswahl 2013 schafften zwar 22 ÖVP-Kandidaten den Sprung über die Vorzugsstimmenhürde. Fast alle hätten ihr Mandat aber auch ohne Persönlichkeitswahlkampf erhalten, weil sie von vornherein an wählbarer Stelle standen (in der Regel als Listenerste in einem Regionalwahlkreis).

Abweichende Regelungen

Im Bundesparteivorstand vergangenen Sonntag wurde die statutarische Vorbereitung für die Neuregelung getroffen, beschlossen wird sie am Bundesparteitag am 1. Juli. Demnach werden die gesetzlichen Hürden für eine Vorreihung durch Vorzugsstimmen intern halbiert.

Den schwarzen Landesorganisationen wird dabei zugestanden, dass sie eigene schärfere Hürden einziehen können. In der Steiermark wird somit in den Regionalwahlkreisen vorgereiht, wer sechs (und nicht sieben) Prozent der auf die ÖVP entfallenen Stimmen als Vorzugsstimme erhält. Auf der Landesliste erfolgt die Vorreihung für jene, die vier (und nicht fünf) Prozent der auf die ÖVP entfallenen Stimmen als Vorzugsstimme erhalten.

Noch weiter wollen Niederösterreich und das Burgenland gehen und auf eine konkrete Vorzugsstimmenhürde gänzlich verzichten: Die Mandate sollen automatisch an die Kandidaten mit den meisten Vorzugsstimmen gehen.

Auf Bundes-Kurs

Die Regelung der Bundespartei übernehmen werden dagegen die Landesorganisationen in Wien, Salzburg, Oberösterreich, Kärnten und Vorarlberg. "Wir gehen davon aus, dass damit mehrere Kandidaten diese Grundhürde überspringen werden", sagte der Vorarlberger ÖVP-Geschäftsführer Dietmar Wetz auf APA-Anfrage. In Vorarlberg brauche man dazu derzeit etwa 1.800 bis 2.000 Stimmen. Man sehe deshalb keine Veranlassung, die Vorgaben noch weiter zu senken: "Es ist bereits ein Riesenschritt, dass die Hürden halbiert wurden."

In Tirol werde der Landesparteivorstand bei einer Sitzung am 3. Juli über die neue Vorzugsstimmenregelung beraten, teilte eine Sprecherin der Landesorganisation auf APA-Anfrage mit. Dann soll entschieden werden, ob die Bundesregelung übernommen wird.

Egal welches Vorzugsstimmenmodell die ÖVP-Landesparteien verwenden, eines haben alle gemeinsam: Rechtlich verbindlich ist nur das in der Nationalrats-Wahlordnung festgelegte System, nicht aber die parteiintern vereinbarte niedrigere Hürde. Rein rechtlich könnten Kandidaten, die ihr Mandat nur aufgrund der internen Regeln verlieren würden, also trotzdem ins Parlament einziehen.

Zwar will die ÖVP alle Kandidaten eine Erklärung unterschreiben lassen, wonach sie die internen Spielregeln akzeptieren und im Fall des Falles auf ihr Mandat verzichten, aber auch diese Erklärung ist nicht verbindlich. "Das ist rechtlich nicht durchsetzbar", bestätigt auch der frühere ÖVP-Klubdirektor und Geschäftsordnungsexperte Werner Zögernitz. Er geht dennoch davon aus, dass sich die Abgeordneten in der Praxis daran halten werden. Andernfalls würden sie den Ausschluss aus dem Parlamentsklub riskieren.

Nur eine Abgeordnete erfolgreich

Im aktuellen Nationalrat verdankt nur eine einzige Abgeordnete ihr Mandat einem erfolgreichen Persönlichkeitswahlkampf: die niederösterreichischen Landwirtin Martina Diesner-Wais. Mit 8.902 Vorzugsstimmen schaffte sie im Wahlkreis 3B (Waldviertel) vom dritten Listenplatz aus ein Direktmandat und stach damit den zweitgereihten Steuerberater Werner Groiss aus, der es über die ÖVP-Landesliste aber trotzdem ins Parlament schaffte.

Der frühere ÖVP-Klubdirektor Werner Zögernitz warnt freilich vor allzu direkten Vergleichen zwischen 2013 und heuer. Er geht nämlich davon aus, dass die niedrigeren Hürden den internen Konkurrenzkampf der Kandidaten beflügeln werden - und zwar gerade in Regionalwahlkreisen. "Wenn jetzt eine Halbierung eintritt, kommt es zu einer ganz anderen Polarisierung. Es entsteht eine neue Dynamik", so Zögernitz gegenüber der APA.

Dass alteingesessene (männliche) Kandidaten gut organisierter Bünde junge (weibliche) Kandidatinnen ausstechen könnten, befürchtet er nicht. Wenn die Zahl der Vorzugsstimmen steige, dann würden die Bünde keine so große Rolle mehr spielen, glaubt Zögernitz: "Wenn wenige hingehen, sind die Bünde wichtig. Wenn viele hingehen und stark motivieren, dann hat ein Bund keine Chance." Und außerdem sei ja auch nicht gesagt, dass Bauern zwangsläufig männlich sein müssten, so Zögernitz mit Verweis auf das Beispiel der Kärntnerin Elisabeth Köstinger bei der EU-Wahl.

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