ÖVP und FPÖ wollen zurück zu alten Noten
Wenn sich heute, Dienstag, die Koalitionsverhandler von ÖVP und FPÖ in der viel zitierten "Steuerungsgruppe", also dem wichtigsten Gremium der Koalitionsverhandlungen, treffen, dann wird ein Thema jedenfalls auf ihrer Tagesordnung stehen, nämlich: die Bildung.
Kindergärten aufwerten
So soll etwa das Kindergartensystem verbessert werden. "Die Ziele in den Regierungsverhandlungen zur massiven Aufwertung der Kindergärten sind völlig richtig", twitterte etwa ÖVP-Verhandler Andreas Salcher. Ausgebaut werden soll auch die Kinderbetreuung am Nachmittag. Bis auf Wien gibt es bundesweit viel zu wenig Plätze. Bundeskanzler Christian Kern hatte vor einem Jahr rund 750 Millionen Euro ausverhandelt - für den Ausbau der Kinderbetreuung. Damit soll die Betreuungsquote von 20 auf 40 Prozent verdoppelt werden.
Politische Kontroversen verspricht die ventilierte Ankündigung, die Schulnoten in der Volksschule wieder einzuführen. "Wiederherstellung der Notenwahrheit", nennen das die Verhandler von Türkis und Blau. Aber worum geht es da wirklich? In Österreich fällt nach der Volksschule eine wesentliche Bildungsentscheidung: Kommt das Kind in eine allgemein bildende höhere Schule (AHS) oder in eine Neue Mittelschule (NMS)? Um in eine AHS zu kommen, die die Kinder zur Matura und zum Studium führt, brauchen die Neun- bis Zehnjährigen gute Noten. Das Problem dabei: Was ist ein exzellentes Zeugnis der 4. Klasse Volksschule wert? War es eine "strenge" Schule, oder wurden die Noten "geschenkt"?
Jetzt schon gibt es mitunter einen massiven Druck der Eltern auf die Volksschullehrer, dem Kind nur ja keine schlechten Noten zu geben, die erwünschte Bildungskarriere könnte in Gefahr sein.
Das hat zur Folge, dass in Ballungszentren wie in Wien 53,5 Prozent der Kinder nach der Volksschule in eine AHS gehen. Bundesweit gehen aber nur 35,8 Prozent der Kinder in eine AHS (siehe Grafik).
Kein Wunder, dass der Druck auf Lehrer und Kinder vor allem in den Wiener Volksschulen groß ist – und noch größer werden könnte. Konkret heißt es nämlich aus Verhandlerkreisen, dass die "Benotungssystematik für alle Schultypen und Schulstufen überarbeitet und präzisiert werden soll, einschließlich verbaler Benotung". Denkbar wäre, dass zentral beurteilte Tests – wie bei der Zentralmatura – kommen. Wie derzeit die Noten schriftlich vergeben werden, lesen Sie weiter unten im Text.
Schlechte Reform
Weiters heißt es: "Aufbauend auf der fünfteiligen Notenskala soll genau definiert werden, welche Noten vergeben werden." Damit ist eine weitere Baustelle der NMS gemeint – dort gibt es derzeit eine Art siebenteiliges Notensystem. Die Schüler werden nach ihrer Leistung "grundlegend" oder "vertiefend" beurteilt. Grundlegend kann man bestenfalls mit einem "Befriedigend" beurteilt werden, "vertiefend" kann man kein "Nicht genügend" im Zeugnis haben – weil man damit in das leichtere "grundlegende" Benotungssystem rutscht.
Da dieses Benotungssystem kaum jemand versteht, will die neue Regierung das offenbar ändern. Selbst im Bildungsministerium räumt man ein, dass dieses Benotungssystem nicht funktioniert, eine Arbeitsgruppe arbeite längst an einer Reform – eben weil es die Eltern und die Schüler nicht verstehen.
(Christian Böhmer, Bernhard Gaul)
Im in mehreren Medien zitierten Verhandlungspapier der Parteien findet sich der Passus „Überarbeitung und Präzisierung der Benotungssystematik für alle Schultypen und Schulstufen. Aufbauend auf einer klaren 5-teiligen Notenskala (von “Sehr gut„ bis “Nicht genügend„) für alle Schultypen erfolgt eine genaue Definition, welche Note vergeben werden kann bzw. vergeben werden muss.“
Änderungen könnte es dadurch in der Volksschule geben: Seit dem Schuljahr 2016/17 kann in den ersten drei Volksschulklassen anstelle von Ziffernnoten eine schriftliche „Leistungsinformation“ eingesetzt werden. Die Entscheidung darüber wird von Lehrern und Eltern am Schulstandort gefällt, die Regelung kann auch je nach Klasse unterschiedlich sein (z.B. Ziffernnoten in der A-Klasse, Leistungsinformation in der B-Klasse).
Entscheiden sich die Eltern gegen Ziffernnoten, erhalten sie stattdessen jeweils am Ende des Semesters eine detaillierte „schriftliche Information über die Lern- und Entwicklungssituation“ ihres Kindes samt vorhergehendem Bewertungsgespräch. Diese Regelung löste rund 2.000 Schulversuche zur alternativen Leistungsbeurteilung ab.
An den NMS wiederum gibt es in den dritten und vierten Klassen eine quasi siebenstufige Notenskala in den Hauptfächern Deutsch, Mathematik und Englisch. Wer in diesen Fächern die Basisbildung erreicht, wird nach der Notenskala für „grundlegende Allgemeinbildung“ beurteilt - wer komplexere Sachverhalte beherrscht, nach der Skala für „vertiefte Allgemeinbildung“. Bei der vertieften Bildung reicht die Notenskala de facto nur von „Sehr Gut“ bis „Genügend“, denn ein „Nicht Genügend“ in diesem Beurteilungsschema entspricht einem „Befriedigend“ nach „grundlegender Allgemeinbildung“. Die Skala bei der „grundlegenden Allgemeinbildung“ reicht indes nur von „Befriedigend“ bis „Nicht Genügend“.
Sinn der Regelung ist es, einerseits zu viele „Nicht Genügend“ zu verhindern - stattdessen kann auch auf einen Dreier oder Vierer bei eben „nur“ grundlegender Allgemeinbildung zurückgegriffen werden. Gleichzeitig dürfen diese Schüler aber keine AHS-Oberstufe oder BHS besuchen. Andererseits sollte mit den vier Noten bei der vertieften Allgemeinbildung klargestellt werden, dass diese Schüler tatsächlich zum Aufstieg in eine höhere Schule berechtigt sind. Nachteil des Ganzen: Das System wurde oft nicht verstanden.
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