Wenn also an diesem Samstagvormittag niemand überzeugt werden musste, geht es eigentlich nur darum, die Funktionäre auf die letzten drei Wochen Intensivwahlkampf bis unter die Zehenspitzen zu motivieren. Und nachdem die ÖVP mehr oder minder ununterbrochen seit 1987 das Land regiert, weiß die Parteiführung genau, wie das geht. Ein Hauch der US-amerikanischen Wahlkampfmaschinerie war in der Wiener Steffl-Eishockeyhalle unschwer zu bemerken.
Nehammer in der Mitte
Wie das geht? Das dürfte der Parteispitze gar nicht so schwer fallen, angesichts der anderen beiden Großparteien, die seit Monaten entweder scharf nach links beziehungsweise scharf nach rechts abgebogen sind. So lässt sich die „stabile Mitte“, für die die ÖVP heute stehen will, doch gut verkaufen. „Stabilität für Österreich“, „Die Mitte stärken“ und „Es geht um alles“, steht entsprechend auf kleinen bis riesigen Plakaten.
Während sich der Saal der Eishockey-Halle langsam mit Funktionären, Fans und deren Familien füllt, sorgt der ehemalige ORF-Volksmusik-Star Harry Prünster für die gute Stimmung. Mit donnernden Bässen tanzt Verteidigungsminnisterin Klaudia Tanner und Niederösterreichs ÖVP- und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner zu DJ Ötzis „Sweet Carolina“. Prünster lässt es sich danach nicht nehmen, Rainhard Fendrichs „I am from Austria“ zu singen.
Eye of the Tiger
Plötzlich donnert der Bass noch stärker. „Einer fehlt noch“, sagt die Moderatorin. Passend zum Hobby-Boxer Karl Nehammer ertönt „Eye of the Tiger“, der Song wurde durch die Rocky-Filme richtig berühmt. Das Publikum erhebt sich und klatscht wieder im Takt. Nehammer, wie immer im dunkelblauen Anzug und weißem Hemd, betritt unter viel Applaus den Saal, geht zu den Kandidaten, Küsschen rechts, Küsschen links für seine Ministerinnen, und der Nehammer-eigene feste Handschlag für die Männer.
August „Gust“ Wöginger ist dann der erste echte Einpeitscher, der ordentlich nach links und rechts austeilt. SPÖ-Chef Babler könne man nicht wählen, der solle besser seine „kommunistische Mottenkiste“ wieder eingraben. Und FPÖ-Chef Kickl gehe schon überhaupt nicht, weil er die Salzburger Festspiele als „Inzucht-Partie“ bezeichne, weil er sich von den Identitären nicht distanziere, und er „Euer Wille geschehe“ plakatiere. „Na, was soll dann auf dem nächsten Plakat daraufstehen?“, fragt Wöginger. „Dem dürfen wir unser Land nicht anvertrauen.“
ÖVP-General Christian Stocker, der letztlich für den reibungslosen Ablauf dieses Wahlkampfauftakt verantwortlich ist, ist dann der letzte Sprecher vor Nehammer. Auch er teilt nach links und rechst aus, bei der FPÖ stellt er die Frage: „Ist das noch eine Partei, oder schon eine Sekte?“
Sebastian Kurz nur mit einer Video-Grußbotschaft
Dazwischen werden immer wieder Testimonials eingespielt, also aktive oder ehemalige Polit-Promis, mit ihrem Wahlaufruf für Nehammer. Darunter auch Gernot Blümel, ehemals Finanzminister, und eben auch Sebastian Kurz, der nicht vor Ort ist. Ein kleiner Zwischenapplaus ist zu hören für den gefallenen ÖVP-Star.
Kurz nach 12 Uhr beginnt dann, natürlich mit standing ovations, der Gang Nehammers zum Rednerpult: Der ÖVP-Bundesparteiobmann weiß, dass die Rückendeckung in der ÖVP echt ist, und das stärkt ihn sichtlich. Selbst bei Kickl weiß man, dass nicht alle Bundesländer für ihn brennen und kämpfen, bei Babler kommen im Wochentakt kleinere oder größere Sabotageakte an die Öffentlichkeit.
Der Höhepunkt dieser perfekt durchgetakteten Veranstaltung war dann Nehammers Rede. Er ist ein guter Redner, bekanntlich NLP-geschult, dennoch redet er leidenschaftlich und unfallfrei, ein Best-of des Wahlprogramms. „Was uns unterscheidet: Wir leben nicht von Problemen, wir lösen sie“, sagt Nehammer, „Mit uns wird es fix keine Vermögens- und Erbschaftssteuer geben“, ruft er den Delegierten zu, „Die Familie ist die DNA der Volkspartei“, „Wir wollen die Eigentumsquote erhöhen, indem wir für junge Familien günstige Kredite möglich machen.“
Beim Thema Sicherheit wird Nehammer sehr ernst. Er erzählt von einem Messerangriff in Deutschland, bei dem ein Polizist getötet wurde. In Österreich habe es einen ähnlichen Vorfall gegeben, sagt er. Doch hier habe der Polizist überlebt, weil einst der ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka „ballistisches Stichschutzwesten“ für alle im Außendienst beschafft hat. Und was habe Sobotkas Nachfolger im Innenministerium, nämlich Herbert Kickl, gemacht? „Der hat nur in Pferde und ins Tafel-Abschrauben investiert!“
Und Nehammer spricht sich am Ende, etwas überraschend, für ein „Nationalstadion mit Multifunktionsarena“ aus. Denn das Happel-Stadion ist etwas in die Jahre gekommen.
Und so endet der aus schwarzer als auch türkiser Sicht äußert gelungene Wahlkampfauftakt. Ob es Nehammer und seinem Führungszirkel gelungen ist, alle ausreichend zu motivieren, wird man in drei Wochen sehen. Dass es eine nächste Regierung ohne ÖVP-Beteiligung erstmals seit 1987 geben wird, ist ohnehin auszuschließen.
Vor der Halle dann erzählt dann der ehemalige Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich, er kandidiert im Burgenland für die ÖVP, von der Plakatflut der Freiheitlichen auch bei ihm am Land. "Sowas habe ich noch nie gesehen. Die setzen alles auf den Machtwechsel."
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