Gerhard Karner über den Stopp des Familiennachzugs, die Handschrift von EU-Kommissar Magnus Brunner und den Konflikt mit der FPÖ wegen des Innenressorts.
Mit dem Klima in der Dreierkoalition ist Innenminister Gerhard Karner zufrieden. Mit seinem Staatssekretär Jörg Leichtfried (SPÖ) arbeite er „Schulter an Schulter“.
KURIER: Herr Minister, diese Woche wurde im Ministerrat beschlossen, dass der Familiennachzug bei Flüchtlingen gestoppt wird. Wie wird das jetzt umgesetzt?
Gerhard Karner: Wir haben in den vergangenen zwei, drei Jahren wegen des Familiennachzugs eine massive Belastung in unterschiedlichen Bereichen wie Schulen, Wohnen oder der Jugendkriminalität. Es sind über den Familiennachzug zu viele Menschen nach Österreich gekommen. Das hat vor allem die Bundeshauptstadt Wien betroffen. Deswegen haben wir bereits im Vorjahr Maßnahmen zur Reduktion gesetzt. Anträge, die im Ausland gestellt werden, werden noch genauer auf möglichen Missbrauch überprüft. Dadurch wurde Zuzug praktisch gestoppt. Im Vorjahr waren es im Februar rund 1.000 Personen, die gekommen sind, heuer 60.
Warum muss da jetzt nochmals verschärft werden?
Wir wollen und müssen diesen Stopp nachhaltig absichern. Das wurde im Regierungsprogramm festgelegt und wird jetzt gemeinsam mit SPÖ und Neos konsequent umgesetzt.
Was wird da gesetzlich geändert?
Mit den gesetzlichen Änderungen wird es zu einem Stopp kommen. Dazu wird ein Integrationsbarometer eingeführt, das anzeigen soll, ob ein Familiennachzug in bestimmten Bereichen möglich ist. Es geht um ausreichende Kapazitäten in Schulen, für die Integration, für Deutschkurse etc. Erst dann kommt es zu einer Kontingentierung, die mit einem Gesetz und danach mit einer Verordnung vorbereitet wird.
Es gibt Verfassungsexperten, die sagen, dass das europarechtlich auf schwachen Beinen steht. Welches Feedback haben Sie aus Brüssel erhalten?
Ich habe großes Vertrauen in unsere Legisten, die die Gesetze schreiben. Wir haben den politischen Willen, das zu tun, und ich bin überzeugt, dass es den Juristen gelingen wird, hier entsprechende rechtliche Anpassungen vorzunehmen, die halten.
Die Reaktion Ihres ehemaligen Koalitionspartners, der Grünen, war, dass das reine Showpolitik ist.
Man soll nicht jedes Wort für bare Münze nehmen, das da gesagt wird. Wir hätten die gesetzlichen Regelungen ja gerne schon früher gemacht. Aber mit den Grünen war nur möglich, mit DNA-Tests oder Dokumentenprüfern in den Herkunftsländern den Familiennachzug zu reduzieren. Nachhaltige gesetzliche Veränderungen und damit eine nachhaltige Absicherung waren mit ihnen nicht möglich.
Es hat überrascht, dass SPÖ-Vizekanzler Andreas Babler und sein engeres Umfeld da mitgezogen sind. Hat es von der SPÖ keinen Widerstand gegen dieses Asylpaket gegeben?
Wir haben ein gemeinsames Regierungsprogramm, das es abzuarbeiten gilt. Als Innenminister bin ich sehr froh, dass es einer der ersten wesentlichen Punkte ist, den Familiennachzug zu stoppen. Ich habe das diese Woche gemeinsam mit SPÖ-Staatssekretär Jörg Leichtfried präsentiert. Schulter an Schulter.
Diese Woche hat auch der österreichische EU-Kommissar Magnus Brunner seine Vorstellungen bezüglich Migration präsentiert. Darunter auch Rückkehrzentren für abgelehnte Asylwerber außerhalb der EU. Wie zufrieden sind Sie mit seinen Aussagen?
Man sieht hier die österreichische Handschrift. Ich bin dem Kommissar dankbar, hier einen Vorschlag präsentiert zu haben, der nicht nur robust, sondern auch notwendig ist. Die Rückkehrzentren oder Return Hubs, wie sie im Brüsseler Englisch genannt werden, bedeuten, dass man Menschen in Rückkehrzentren außerhalb der EU bringen kann. Der Vorschlag, der dazu am Tisch liegt, ist gut und wichtig.
Zum ausführlichen KURIER-Interview mit Gerhard Karner
Sind Sie zuversichtlich, dass man überhaupt Staaten außerhalb der EU findet, wo solche Rückkehrzentren entstehen können?
Es ist immer gut, Schritt für Schritt zu tun. Jetzt geht es einmal darum, dass überhaupt die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden.
Erst vor wenigen Wochen hat es ein tödliches Attentat eines Syrers in Villach gegeben. Sie haben damals angekündigt, dass es jetzt ohne Anlass polizeiliche Überprüfungen von Flüchtlingsunterkünften geben wird. Wie sieht es damit aus?
Bei organisierten Asylunterkünften wie etwa Bundes- oder Landesbetreuungsstellen hat die Polizei die Möglichkeit, Nachschau zu halten. Wenn Asylwerber oder auch Asylberechtigte in Privatunterkünften leben, gibt es diese Möglichkeit nicht. Da müssen wir jetzt die rechtlichen Möglichkeiten schaffen, dass das in Zukunft möglich ist.
Im Zusammenhang mit dem Anschlag ist wieder aufgetaucht, dass Polizei und Verfassungsschutz endlich die Möglichkeit haben müssen, sogenannte Messengerdienste überwachen zu können. Bis jetzt ist dieser Wunsch des Innenministers immer an der fehlenden Mehrheit im Parlament gescheitert.
Da bin ich als Innenminister sehr froh, dass im Regierungsprogramm klar verankert ist, diese Überwachung von Gefährdern umzusetzen. Es gibt ja schon entsprechende Vorschläge, sodass wir jetzt rasch einen Gesetzesentwurf ins Parlament bringen können. Es dient dem Schutz der Bevölkerung, dass wir auf Augenhöhe gegen Terroristen, gegen Schwerkriminelle vorgehen können.
Der 57-jährige Niederösterreicher Gerhard Karner (ÖVP) aus Texingtal (Bezirk Melk) ist neben Klaudia Tanner und Norbert Totschnig jener Minister, der nach der türkis-grünen Regierung nun auch in der Dreierkoalition sein Ministeramt weiter bekleiden darf. Karner war ÖVP-Landesgeschäftsführer, 2. Landtagspräsident und Bürgermeister von Texingtal gewesen, ehe ihn 2021 der damalige Kanzler Karl Nehammer als Innenminister in die Bundesregierung holte. Gerhard Karner ist verheiratet und Vater von drei Kindern.
Zu den Regierungsverhandlungen: Nach der Wahl war nicht klar, ob Sie Innenminister bleiben oder nicht. Wie sind Sie mit dieser Situation umgegangen? Hatten Sie einen Plan B, falls es doch nicht mit einem Regierungsamt klappt?
Ich war in dieser Zeit betrauter Innenminister. Das heißt, man kriegt gutes Geld dafür, dass man seiner Arbeit nachkommt. Das habe ich getan, und ich habe auch meinen Beitrag dazu geleistet, dass das Thema Sicherheit in die Verhandlungen entsprechend eingebracht worden ist. Das war mein Job, das habe ich auch getan.
Bei den Gesprächen zwischen FPÖ und ÖVP war das Innenministerium das umkämpfteste Ressort. Warum ist das der ÖVP so wichtig?
Kanzler Christian Stocker ist das Thema Sicherheit ein Herzensanliegen. Gemeinsam mit der Wirtschaft und den Familien sind das Themen, die für die ÖVP sehr wichtig und zentral sind.
Die FPÖ hat eine andere Erklärung. Sie sagt, dass die ÖVP im Innenministerium etwas zu verbergen habe und deswegen darauf beharrt.
Ich kommentiere gerne vieles und jedes. Aber was die FPÖ in den vergangenen Tagen von sich gegeben hat, dazu erspare ich mir einen Kommentar. Was ich furchtbar finde, ist die Sprache, die die FPÖ verwendet. Sie spricht von Leichen im Keller. Gerade im Zusammenhang mit der Polizei und der Kriminalität halte ich das für geschmacklos. Deswegen ist es auch gut so, dass diese Partei und Herr Kickl in dem Bereich nichts zu sagen haben. Aber wenn man wirklich im übertragenen Sinn von Leichen im Keller sprechen will, dann wurde aufgeräumt. Wir haben den Staats- und Verfassungsschutz neu aufgestellt, der von Herrn Kickl ruiniert wurde. Das war der wichtigste Punkt, damit das Haus in seiner Gesamtheit wieder funktionieren kann.
Wie beschreiben Sie eigentlich die Stimmung in der Dreierkoalition?
Nach zwei Wochen ist es wohl noch etwas früh, danach zu fragen. Aber ich merke, dass ich mit dem SPÖ-Staatssekretär im Innenressort, Jörg Leichtfried, eine sehr vertrauensvolle und gute Basis gefunden habe. Genauso etwa mit Außenministerin Beate Meinl-Reisinger, mit der ich in vielen Dingen sehr eng abgestimmt sein muss. Es gab hier von Anfang an eigentlich ein sehr vertrauensvolles, vernünftiges, ordentliches Miteinander. Mit dem klaren Ziel, das Regierungsprogramm konsequent abzuarbeiten.
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