ÖVP geißelt Klugs Expertenangebot an USA
Der Syrien-Krieg ist im Nationalratswahlkampf angekommen: Das Angebot von SPÖ-Verteidigungsminister Gerald Klug an die USA, unter bestimmten Voraussetzungen österreichische ABC-Experten und Jagdkommando-Soldaten nach Syrien zu entsenden, wurde bereits scharf kritisiert. Nun legte ÖVP-Staatssekretär Reinhold Lopatka am Donnerstag nach - mit Unterstützung von Parteikollegin Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. "Inakzeptabel" sei Klugs "Anbiederung an die USA", wetterte Lopatka auf einer Pressekonferenz, Mikl-Leitner ergänzte, die heimische Neutralität werde von der SPÖ "wieder einmal zum Wahlkampfgag" degradiert.
Klug überrascht
"Einigermaßen überrascht" gibt sich Verteidigungsminister Gerald Klug. Überrascht deswegen, "weil der Einsatz für eine friedlichere Welt immer Kernsatz der österreichischen Außenpolitik gewesen ist und daher auch bestens mit unserer Neutralität vereinbar", sagte Klug am Donnerstag im Gespräch mit der APA.
"Gerade unser aktives Engagement gegen Massenvernichtungswaffen ist dabei ein wichtiger Eckpfeiler und genau in diese Richtung ist auch meine Initiative gedacht", meinte Klug.
Klug hatte seinem US-Amtskollegen Chuck Hagel schriftlich angeboten, österreichische Chemiewaffenexperten nach Syrien zu entsenden - unter der Voraussetzung eines UNO-Mandats und eines "sicheren Umfeldes", was der Minister später als "nach einer politischen Lösung des Konfliktes" interpretierte.
Neutralität Jux?
Die Innenministerin ortete darin eine weitere Manifestation des "sicherheitspolitischen Offenbarungseids der SPÖ in den letzten Jahren". Sie forderte Bundeskanzler Werner Faymann auf, den "Fehler" Klugs einzugestehen und zu erklären, "ob die Neutralität für ihn ein Jux ist oder ernst genommen wird".
Lopatka erzürnt, dass der Verteidigungsminister seinem US-Amtskollegen schreibe, "Ihre persönliche Meinung und die offizielle Ansicht der USA hinsichtlich eines österreichischen Beitrages zur internationalen Entschärfung von Massenvernichtungswaffen in Syrien sind von essenzieller Bedeutung für uns." Für Lopatka "von vorne bis hinten eine Anbiederung an die USA". Dieses "verantwortungslose Vorgehen" würden Verteidigungsminister und Kanzler vor dem nationalen Sicherheitsrat am 23. September zu erklären haben.
Syrien werde den Vereinten Nationen Dokumente zur Vorbereitung eines Chemiewaffenabkommens vorlegen, kündigte Präsident Bashar al-Assad in einem Interview mit dem staatlichen russischen TV-Sender Rossija-24 an, aus dem die Agentur Interfax am Donnerstag zitierte. Syrien stelle seine Chemiewaffen wegen der russischen Initiative und nicht auf Druck der USA unter internationale Kontrolle. "Die Drohungen der USA haben unsere Entscheidung nicht beeinflusst", sagte Assad. Entscheidend sei das Projekt des engen Verbündeten Russland gewesen.
Opposition warnt
Die Nationale Syrische Allianz warnte in der Nacht auf Donnerstag: Sollte die internationale Gemeinschaft Assad für den Einsatz von Giftgas gegen sein eigenes Volk nicht bestrafen, würde dies von Staaten wie dem Iran und Nordkorea als Grünes Licht für die Herstellung und Verbreitung von Massenvernichtungswaffen interpretiert. Falls die einzige Konsequenz aus diesem Verbrechen sein sollte, dass Assad seine Chemiewaffen unter internationale Kontrolle stellen muss, wäre dies aus Sicht des Bündnisses ein großer Verlust an Glaubwürdigkeit.
Die syrische Opposition hat sich außerdem ablehnend zu der russischen Initiative, das Chemiewaffenarsenal des syrischen Regimes unter Kontrolle zu stellen, geäußert. Der vom Westen unterstützte Oberste Militärrat teilte am späten Mittwochabend in einem Video mit, man sei gegen die Initiative. "Wir teilen unsere definitive Ablehnung der russischen Initiative, die Chemiewaffen unter internationale Aufsicht zu stellen, mit", erklärte der Chef des Rates, Salim Idriss.
Putin spricht in New York Times
Indes hat sich der russische Präsident Wladimir Putin direkt an die US-Bevölkerung gewandt. In einem am Mittwochabend (Ortszeit) online veröffentlichten Meinungsartikel der New York Times warb Putin für seinen Vorschlag, das Giftgas-Arsenal des Regimes von Bashar al-Assad unter internationaler Kontrolle zu vernichten und warnte vor den Folgen eines US-Militärschlages.
Ein Angriff gegen Syrien würde zu mehr unschuldigen Opfern und zur Eskalation führen, schrieb Putin. Er betonte, dass es keinen Zweifel am Einsatz von Giftgas in Syrien gebe. "Aber es gibt jeden Grund zu glauben, dass es nicht von den syrischen Streitkräften, sondern von den Oppositionskräften benutzt wurde, um eine Intervention...zu provozieren." Deren nächster Schlag könne sich auch gegen Israel richten.
Putin nannte es weiter "alarmierend", dass ein militärisches Eingreifen in interne Konflikte ausländischer Staaten für die USA zur Gewohnheit geworden sei. Millionen Menschen rund um die Welt sähen Amerika zunehmend "als einen Staat, der sich allein auf brutale Gewalt verlässt".
Kerry trifft Lawrow
US-Außenminister John Kerry ist am Donnerstag zu Verhandlungen mit Russland über die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen in Genf eingetroffen. Die Gespräche mit Kerrys russischem Amtskollegen Sergej Lawrow im Hotel Intercontinental sollten zunächst bis Freitag dauern, hieß es in Delegationskreisen. Die Ankunft Lawrows in Genf wurde für den späten Donnerstagnachmittag erwartet. Beide Minister werden von Abrüstungsexperten unterstützt.
Moskau hatte der US-Regierung bereits am Mittwoch Vorschläge für die Chemiewaffen-Abrüstung Syriens übermittelt. Demnach soll die Regierung von Präsident Bashar al-Assad zunächst der internationalen Chemiewaffenkonvention beitreten, wie die Moskauer Zeitung "Kommersant" unter Berufung auf diplomatische Kreise in Russland berichtete. Danach erst solle die Offenlegung der Lager- und Produktionsstätten erfolgen, die schließlich von Inspekteuren begutachtet werden sollen. Erst in der vierten Etappe soll demnach mit der Vernichtung der Waffen begonnen werden.
US-Präsident Barack Obama hatte zuvor erklärt, die amerikanische Drohung mit einem Militärschlag gegen das syrische Regime gelte weiterhin für den Fall, dass Syrien nicht ernsthaft an der Vernichtung seiner Chemiewaffen mitwirke.
Österreich hat angeboten, Chemiewaffenexperten nach Syrien zu entsenden. Einer der erfahrensten ist Major Dieter Rothbacher. Er ist seit mehr als 20 Jahren in dem Bereich tätig. Er war unter anderem im Irak für die C-Waffen-Zerstörung unter UN-Mandat zuständig und mehrere Jahre bei der OPCW (Organisation für das Verbot chemischer Waffen) verantwortlich für die Ausbildung von Waffeninspekteuren. Darunter auch einige aus jenem UN-Team, das gerade aus Syrien zurückgekommen ist und voraussichtlich am Montag seinen Bericht veröffentlichen wird. Dem KURIER erklärte Rothbacher, wie eine Zerstörungsmission in Syrien aussehen könnte.
KURIER: Wie sieht so ein Einsatz aus? Wann kann damit begonnen werden?
Dieter Rothbacher: Zunächst hängt es davon ab, ob es zu einem UN-Sicherheitsratsbeschluss kommt. Das wird von etlichen Staaten propagiert. Die zweite Möglichkeit ist, dass Syrien die Chemiewaffenkonvention ratifiziert und sich damit deren Auflagen unterwirft – darunter fallen auch die Inspektionen. Letzteres würde viel länger dauern. Schneller würde es mit einem Sicherheitsratsbeschluss gehen. Die Inspektoren würden sich im UN-Rahmen bewegen und daher freier sein.
Was ist der nächste Schritt?
Der Sicherheitsratsbeschluss. Dann stellt man ein UN-Team zusammen, mit dem Rückgrat der OPCW, so wie es bei der gerade beendeten Syrien-Mission war. Dieses Team soll die Erstinspektionen von Lagerstätten, Produktionsanlagen und Forschungsstätten durchführen, basierend auf den Angaben des syrischen Regimes.
Kann man sich denn auf die Angaben des Regimes verlassen?
Man muss. Die Angaben, die man jetzt hat, sind sicher nicht ausreichend. Lager könnten zum Beispiel verlegt worden sein. Man braucht sicher Angaben der Syrer, wo was genau gelagert ist. Welche Munitionsart? Welche Kampfstoffart? Welche Behältnisse? Ohne logistische und sicherheitstechnische Unterstützung vor Ort wird es nicht gehen. Aber muss man überprüfen, ob die Angaben übereinstimmen mit dem, was man schon weiß und mit Daten und Fakten, die man vor Ort findet. Ich würde das nicht als „Vertrauen“ aufs Regime bezeichnen, aber irgendwo muss man ja anfangen. Das war im Irak nicht anders.
Wie sieht so ein Team aus?
Es besteht aus Leuten mit militärischem Hintergrund, ABC-Abwehr und Munitionstechnik. Aber auch aus Chemikern, Sanitätern und Ärzten – also vielen Zivilisten. Das Training dauert acht bis 20 Wochen. Dabei wird Praktisches, wie Schutzausrüstung, Entgiftungsmaßnahmen gelernt, aber auch die C-Waffenkonvention. Also die „Spielregeln“: Was gehört zerstört und warum? Selbstverteidigung wird nicht unterrichtet. Es gibt aber von der UN Ausbildungen, in denen das Verhalten in feindlichem Umfeld gelernt wird. Aber eine Zerstörungsmission mitten im Bürgerkrieg ist ohnehin kaum möglich. Inventur und Kontrolle schon, Zerstörung nicht. Laut US-Berechnungen müsste man dafür angeblich bis zu 75.000 Soldaten mitschicken.
Kommentare