ÖVP: Die Wahl der türkisen Rekorde
Sie trotzten dem Regen, feierten ohne Schirme eine Outdoor-Party vor der ÖVP-Zentrale. Die „Kanzler Kurz“-Chöre waren überall in der Wiener Lichtenfelsgasse zu hören – sicherlich auch im benachbarten roten Wiener Rathaus. Es war ein Erdrutschsieg.
Die Türkisen jubelten gleich über mehrere Rekorde. Das bisher beste EU-Wahl-Ergebnis der ÖVP. Aber damit nicht genug: Die ÖVP hat den EU-Wahlergebnisrekord der SPÖ von 33,2 Prozent aus dem Jahr 2004 gebrochen. Am Ende lag die ÖVP mit 34,9 Prozent der Stimmen klar voran. Ein Plus von 7,9 Prozentpunkten – und das acht Tage nach dem Bruch der Koalition. Mit diesem Ergebnis hängten die Türkisen die Konkurrenz (11,5 Prozent vor der SPÖ und 17,7 vor der FPÖ) meilenweit ab.
Er sei zwar selten „sprachlos, aber das Ergebnis verschlage auch ihm die Sprache“, jubelte Sebastian Kurz. „So ein Tag, so wunderschön wie heute“, freute sich ÖVP-EU-Spitzenkandidat Othmar Karas, der überzeugt war, zum dritten Mal en suite den Vorzugsstimmenwahlkampf zu gewinnen.
„Nur kleine Hoffnung“
Karas ließ auch keinen Zweifel daran, wem der Sieg auch gehöre: „Es ist ein Sieg des Kanzlers“. So wie Karas sehen das auch die Wahlmotivforscher.
Besser geht es eigentlich nicht – aber trotzdem spürte man das Damoklesschwert, das über Sebastian Kurz schwebt. Denn nur 24 Stunden später könnte Kurz nach nur 17 Monaten sein Kanzleramt verlieren, wenn der Misstrauensantrag heute im Parlament mit Hilfe von SPÖ und FPÖ durch geht. Die ÖVP-Granden und die türkisen Abgeordneten hofften, dass dieses Wahlergebnis SPÖ und FPÖ zum Umdenken animiert und sie vom Plan des Kanzler-Sturzes abbringt. „Beide Parteien werden heute noch lange Sitzungen haben. Aber die Hoffnung ist sehr klein“, so ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer. Selbst Klubchef August Wöginger geht von einer Abwahl aus. „Zwar gibt es bei der FPÖ erste Stimmen, die die Abstimmung für die Abgeordneten frei geben wollen. Aber ich denke nicht, dass das passieren wird“.
SPÖ in der Zwickmühle
Ex-ÖVP-Vizekanzler Josef Pröll sieht die SPÖ jetzt in einer „Lose-Lose“-Situation. „Das Wahlergebnis zeigt, dass die Österreicher den Kurz-Weg wollen. Wenn die SPÖ den Kanzler absetzt, verlieren sie.“
Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer appellierte an die blauen und roten Abgeordneten in ihr „politisches Gewissen hineinzuhören.“ Mit Spannung gehen nun auch die beiden ÖVP-Abgeordneten Martin Engelberg und Karl Mahrer in die heutige Misstrauensabstimmung.
„Wir verstehen die Opposition nicht. Denn monatelang hatten sie die Ablöse von Kickl gefordert. Dann setzt es Kurz um und es gibt einen Misstrauensantrag.“
Sebastian Kurz nimmt es zumindest vor seinen Fans gelassen: „Egal was kommt, wir trotzen jeder Situation“. Mit diesem Rückenwind kann er das wohl auch. Polit-Beraterin und Ex-Sprecherin von Wolfgang Schüssel, Heidi Glück, meint, ein Sturz würde sogar eine stärkere Mobilisierung erzeugen. Denn „Kurz muss wieder Kanzler werden“ zieht emotional besser, als „Kurz muss Kanzler bleiben.“IDa Metzger
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