ÖVP: Das Programm der Entfessler

APA14070256-2 - 09082013 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA 180 II - (v.l.) Vizekanzler Michael Spindelegger und ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch am Freitag, 9. August 2013, während der Präsentation des ÖVP-Wahlprogramms in Wien. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
Parteichef Spindelegger präsentierte die Wahl-Schwerpunkte

Entfesselung“: Michael Spindelegger mag dieses Wort. Seit Wochen spricht er davon, wie er die Wirtschaft von garstigen Hemmnissen befreit – entfesselt eben. Und so war es nur konsequent, dass der Vizekanzler und ÖVP-Chef am Freitag drei „E“ in den Fokus rückte: „Die Entfesselung, die Entlastung, und den Export.“ Auf der Terrasse des idyllischen Springer Schlössls, dem Sitz der Partei-Akademie in Wien-Meidling, präsentierten Spindelegger und sein Wahlkampfleiter Hannes Rauch das Wahlprogramm der Volkspartei.

Auf 85 Seiten beschreibt der Junior-Partner in der Regierung, warum er am 29. September Nummer 1 werden will und soll.

„Die nächste Bundesregierung muss eine Reformregierung sein“, sagte Spindelegger. Den Einwand, dass er als Regierungspartner in den vergangenen fünf Jahren doch ausreichend Zeit dafür gehabt hätte, überging Spindelegger tunlichst: „Entscheidend für die Zukunft ist, dass wir das tun.“

Womit wir bei den Themen wären: „Sichere Jobs sind den Österreichern am wichtigsten“, sagte Spindelegger. Und eben deshalb will er die Wirtschaft ankurbeln und 420.000 neue Jobs kreieren. Im Wahlprogramm gibt sich die ÖVP diesbezüglich ambitioniert: Hatte man zuletzt noch ventiliert, bis 2025 rund 420.000 neue Jobs zu schaffen, wollen Spindelegger und sein Team dies nun bereits im Jahre 2018 geschafft haben.

Aufstehen

Mehr Jobs heißt für die ÖVP auch weniger Steuern. „Wir sind die Partei derer, die zeitig aufstehen, hart arbeiten, und die am Monatsende mehr auf dem Lohnzettel erwarten.“ Bis 2020 soll die Steuerquote auf unter 40 Prozent sinken; als zusätzlichen Anreiz will die ÖVP die Mitarbeiterbeteiligung in Unternehmen „flächendeckend“ einführen.

Familien lockt sie mit dem Versprechen eines steuerlichen Absetzbetrags von 7000 Euro pro Kind und Jahr; der Wirtschaft verspricht sie eine „Entbürokratisierungsinitiative“. Zugegeben, das passt auf kein Plakat, es macht sich nicht gut in Inseraten.

Aber im Grunde will Spindelegger den heimischen Unternehmern nur helfen, sie bei Exporten unterstützten von lästigen Vorschriften befreien – entfesseln eben.

BUDGET/STEUERN

  • Fortsetzung des Konsolidierungspfades, Nulldefizit 2016 und danach Schuldenabbau
  • Schuldenbremse in der Verfassung
  • Keine Steuer auf Eigentum, keine Erbschafts- und Schenkungssteuer
  • Steuerreform: "weniger, einfacher, leistungsgerechter und familienfreundlicher"
  • Senkung der Lohnnebenkosten auf 45 Prozent bis 2018, Senkung der Abgabenquote auf unter 40 Prozent bis 2020
  • Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene vorantreiben

WIRTSCHAFT

  • Unternehmen: Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft; Eigenkapitalfinanzierung erleichtern, Beteiligungsfinanzierung stärken; rechtlicher Rahmens für ergänzende Finanzierungsinstrumente wie "Crowdfunding"; Programm zur "Entfesselung der Wirtschaft" umsetzen
  • Standortpolitik: Österreich als Headquarter-Standort ausbauen; Entlastung des Faktors Arbeit; Mehr Arbeitsmarktflexibilität und Arbeitszeitflexibilisierung
  • Internationalisierung: Zentraleuropa-Strategie; Konzentration auf Wachstumsmärkte wie die BRICS-Staaten, Asien und die USA
  • Fachkräfte: Weiterentwicklung des Konzepts "Lehre mit Matura"
  • Wettbewerbspolitik: Vereinfachung der Gewerbeordnung; Öffentliche Beschaffung KMU-freundlicher gestalten

KAPITALMARKT

  • Reform der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge
  • Attraktivierung der privaten Pensionsvorsorge für Familien mit Kindern (Prämie pro Kind, wie in Deutschland)
  • ÖIAG Neu für abgestimmte Strategie und strategische Ausrichtung der Beteiligungen

ARBEIT

  • Vollbeschäftigung als "realistisches Ziel": 420.000 neue Arbeitsplätze bis 2018
  • Mitarbeitererfolgsbeteiligung über steuerliche Anreizmodelle
  • Modelle für Bildungssparen analog zum Bausparen
  • Arbeitszeitflexibilisierung (Zeitwertkonten)
  • Höhere Einstiegsgehälter für Junge bei einer flacheren Gehaltskurve in Tarifautonomie der Sozialpartner
  • Weiterentwicklung des AMS; mehr Effizienz in der Arbeitsmarktpolitik

LANDWIRTSCHAFT

  • Anhebung der Buchführungsgrenze auf 700.000 Euro Umsatz wie für Gewerbetreibende
  • Beibehaltung der modernisierten Einheitswerte in der Land- und Forstwirtschaft als Steuerbemessungsgrundlage
  • Stärkung der inländischen Eiweißproduktion

MOBILITÄT

  • Wirtschaftlichkeit bei den ÖBB erhöhen; Mehr Qualität, Service und günstige Tarife im Bahnverkehr durch mehr Anbieter
  • Schienen- und Straßeninfrastruktur in öffentlicher Hand, private Partner für Verkehrsbetreiber (ÖBB-Personen- und Güterverkehr)
  • Regionalbahnen als lokalen Lebensfaktor erhalten
  • Einführung eines Österreichtickets

ENERGIE und UMWELT

  • Unabhängigkeit von Atomstromimporten bis 2015
  • Regulierungsbedingte Energiekosten senken
  • Sicherung der Wasserreserven Österreichs

WOHNEN

  • Gerechtigkeit im Gemeindebau durch u.a. öffentlich einsehbare Reihungslisten, Stopp der Gemeindebau-Zweitwohnung, regelmäßige Überprüfung der Vergabekriterien
  • Entfall der Mietvertragsgebühr für unter 35-Jährige
  • Absicherung der Wohnbauförderung über den Finanzausgleich
  • Raumplanung: Schaffung der Widmungskategorie "geförderter Wohnbau"

INNERE SICHERHEIT

  • Konsequentes Vorgehen gegen Drogenmissbrauch durch Haaranalysen
  • Klare Regeln und konsequenter Vollzug des Asyl- und Fremdenrechts

LANDESVERTEIDIGUNG

  • Kernaufgaben des Bundesheeres: Landesverteidigung, Schutz verfassungsmäßiger Einrichtungen und kritischer Infrastruktur, Schutz der Bevölkerung bei Katastrophen, Auslandseinsätze

VERWALTUNG und ÖFFENTLICHER DIENST

  • Umsetzung der Transparenzdatenbank für staatliche Förderungen
  • Abschaffung der Pflichtveröffentlichung für Unternehmen im Amtsblatt der "Wiener Zeitung"
  • Modernes Dienstrecht für den Öffentlichen Dienst, Besoldungsrecht neu
  • Stärkung der Sozialpartnerschaft im Öffentlichen Dienst

JUSTIZ

  • Reform des Mietrechts, des Erbrechts; Strafgesetzbuch 2015

FAMILIE/JUGEND

  • Steuerfreies Grundeinkommen für Familien: Einführung eines Kinderfreibetrags von 7.000 Euro je Kind
  • Familienförderung Neu
  • Anrechnung von Kindererziehungszeiten für die Pension (vier Jahre für jedes Kind, auch rückwirkend für Geburtenjahrgänge vor 1955)
  • Anhebung der Altersgrenze und des Betrags für die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten bis zum Ende der Schulpflicht und Ausweitung auf Haushaltshilfen
  • Bundesweites Jugend- und Studierendenticket

SENIOREN

  • Konsequentes Schließen aller Schlupflöcher in die Frühpension
  • Streichung der steuerlichen Begünstigung von "Golden Handshakes"
  • Höherer Bonus für längeres Arbeiten nach 60/65 Jahren

FRAUEN

  • Weiterbildungsmöglichkeiten in der Karenz verbessern
  • HPV-Impfung auf Krankenschein

GESUNDHEIT

  • Entlastung der Spitäler durch Aufwertung des niedergelassenen Bereichs
  • Erhalt der ärztlichen Hausapotheken im ländlichen Raum
  • Ausbau der Leistungen des Mutter-Kind-Passes

PFLEGE/BEHINDERUNG

  • Dauerhafte Sicherung der Pflege: bis 2016 mit zusätzlichen 650 Mio. Euro gesichert, danach Weiterführung der Leistungen
  • Stärkung der familiären Pflege: Ausweitung der Förderung von 24-Stunden-Betreuung auf bis zu drei Personen, wobei auch die Pflege mehrerer, nicht verwandter Personen förderbar werden soll

SOZIALES

  • Reform der Mindestsicherung: Arbeitsmarktintegration verbessern, systematische Kontrolle alle drei Monate, einheitliche Überprüfung der Einkommens- und Vermögenssituation der Mindestsicherungsbezieher. Sofortige Sanktionen, Rückforderung
  • Freiwilliges Soziales Jahr, Umweltjahr und Auslandsdienst weiterentwickeln
  • Versicherungsschutz für gefährliche ehrenamtliche Tätigkeit

BILDUNG

  • Zweites Kindergartenjahr gratis für alle; verpflichtend für jene, die es brauchen
  • Gymnasium und Mittelschule - "Zwei Wege zum Ziel"
  • Mittlere Reife am Ende der 9. Schulstufe als Kompetenznachweis
  • Neues Lehrerdienstrecht für neueintretende Lehrer

WISSENSCHAFT, FORSCHUNG und INNOVATION

  • Studienplatzfinanzierung und fairer Unizugang, der sich an vorhandenen Lehrkapazitäten orientiert (transparente Zugangsregeln, Sicherung entsprechender Ressourcen)
  • Generelle universitätsautonome Studienbeiträge
  • Private Finanzmittel im Hochschulbereich steigern
  • Langfristiges Ziel einer Forschungsquote von sechs Prozent des BIP

KUNST/KULTUR

  • Film: gesetzliche Verankerung des Film-/Fernseh-Abkommens sowie des Fördermodells "Filmstandort Austria", Forcierung der Verwertungsförderung im Online-Filmbereich
  • Novellierung und Modernisierung des Urheberrechts
  • Steuerlichen Absetzbarkeit von Kunstsponsoring ermöglichen

DEMOKRATIEREFORM

  • Verpflichtendes Regierungshearing im Parlament vor der Angelobung
  • Informations- und Transparenzgesetz

MEDIEN

  • Presseförderung neu: Qualitätskriterien forcieren, Förderung von Online-Qualitätscontent, Stärkung der Journalistenausbildung
  • Vorbereitung des ORF für das trimediale Zeitalter mit einer verstärkten öffentlich-rechtlichen Programmkomponente
  • Unterstützung der privaten Rundfunkunternehmen durch weitere Liberalisierungs- und Entbürokratisierungsschritte

KONSUMENTENSCHUTZ

  • Stärkung der Fahrgastrechte in öffentlichen Verkehrsmitteln
  • Transparenz bei Kontoführungsgebühren
  • Bekämpfung des illegalen Glücksspiels

SPORT

  • Neuer Sportstättenplan für Österreich
  • Sicherstellung einer täglichen Bewegungseinheit in der Schule

INTEGRATION

  • Leichterer Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Card, "Willkommenskultur"

EU-Beitritt aller Westbalkanländer bis 2025

  • "Maßgeschneiderte Partnerschaft" für die Türkei
  • Prüfung eines direkten Mitspracherechts bei der Besetzung bestimmter europäischer Spitzenfunktionen

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