Christian Stocker mit 98,42 Prozent zum ÖVP-Chef gewählt

Christian Stocker mit 98,42 Prozent zum ÖVP-Chef gewählt
Christian Stocker wurde heute offiziell zum Parteichef gekürt. Alle Reden, Hintergründe und Ergebnisse des 41. ordentlichen Bundesparteitages der ÖVP lesen Sie hier.

Mit einem Ergebnis von 98,42 Prozent (435 von 442 Delegiertenstimmen) wurde Christian Stocker heute am Nachmittag in seiner Heimat Wiener Neustadt von den Delegierten zum neuen ÖVP-Bundesparteiobmann gekürt. 

Über das Ergebnis zeigte sich der 65-Jährige zufrieden, auch wenn er nicht das Ergebnis seines Vorgängers Karl Nehammer erreichte. Das war freilich eine hohe Latte, war dieser doch 2022 bei einem außerordentlichen Parteitag mit 100 Prozent der Stimmen zum Parteichef gewählt worden.

"Zusammenhalt"

Stimmung machten Samstagmittag die Mammut Horns, die Lieblingsband Stockers, der selbst Saxophon spielt. Unter Standing Ovations kam der Bundeskanzler mit Nehammer in die Arena Nova in Wiener Neustadt. 

Die Sitzreihen waren dicht besetzt, die ÖVP zu diesem 41. Bundesparteitag zusammengekommen, um ein "Zeichen des Zusammenhalts" zu zeigen, wie Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner als erste Rednerin auf der Bühne sagte. 

Alle Vorgänger der letzten Jahrzehnte mit einer Ausnahme (Reinhold Mitterlehner) sind gekommen - Sebastian Kurz, Michael Spindelegger, Josef Pröll, Wilhelm Molterer,  Wolfgang Schüssel und Josef Riegler - um "Geschlossenheit zu zeigen", wie auch die Moderatorin mehrfach betonte.

So wurden auch taxativ mehrere Minuten lang alle ÖVP-Chefs, -Regierungsmitglieder und Länderchefs unter Dauer-Applaus und lautstarken Rufen willkommen geheißen. 

Christian Stocker mit 98,42 Prozent zum ÖVP-Chef gewählt

Andreas Khol und Karl Nehammer

Nach Mikl-Leitner streute der Wiener Neustädter Bürgermeister Klaus Schneeberger seinem ehemaligen Vizebürgermeister Stocker gleichsam rhetorisch Rosen. "Christian ist Anwalt und er ist cool. Christian hat Politik gelernt." 

Er, Stocker, sei von Tür zu Tür gegangen, sei Oppositionspolitiker gewesen und "dann Gott sei dank Mehrheitsvertreter". Er wisse, was der Minderheit zuzutrauen ist und wo die rote Linie sei. Das sei das Werkzeug der Politik. "Und wenn einer das Werkzeug hat, dann ist es Christian." 

Zudem wisse Schneeberger, dass Stocker über Demut verfüge - und zwar vom gemeinsamen Golf spielen. "Mit dieser Demut und seinen Eigenschaften wird er Österreich gut führen", schließt der Bürgermeister. 

Ehe die Delegierten über Stocker an der Spitze abgestimmt haben, stimmte ein Video auf die Volkspartei selbst ein, die heuer ihr 80-jähriges Bestehen feiert. Von schwarz-weiß Bildern über die erste schwarz-blauen Bundesregierung unter Wolfgang Schüssel, Michael Spindelegger neben Hillary Clinton, Reden von Reinhold Mitterlehner und Sebastian Kurz bis hin zu Karl Nehammer reicht der Bewegtbildbeitrag. Die ÖVP will "neue Wege", wie auf Plakaten zu lesen ist. Und: "Richtige Entscheidungen."

41. ORDENTLICHER ÖVP-BUNDESPARTEITAG: NEHAMMER / STOCKER

Nehammer: "Das Herz ist voll"

Karl Nehammer steht um kurz nach 14 Uhr auf der Bühne und dankt zuerst seinem Nachfolger Stocker für die Möglichkeit, nun "einen Kreis zu schließen". Dann dankt er ehemalige Kanzler und Parteichef all jenen, die die Partei stark gemacht haben und explizit und wiederholt auch seiner Frau und seinen Kindern. 

Plötzlich legt Nehammer seine Uhr ab - "damit ich nicht zu lange werde, was passieren kann, wenn das Herz voll ist". Und es ist voll, wie die kommenden Minuten beweisen werden. Nehammer spricht erst launig, dann laut und immer schneller. 

Es gebe "zwei wichtige Männer in meinem Leben", so Nehammer, der damit für ein Lachen in den Reihen sorgt. Die Reaktion habe er erwartet, so Nehammer. Auch das sei die ÖVP. Die wichtigen Männer in seinem Leben: ÖVP-Klubchef August "Gust" Wöginger, der ihn in der Partei mit groß gemacht habe, und Sebastian Kurz

"Mit Kurz an der Spitze waren Erfolge möglich, die niemand für denkbar gehalten hat." Er habe es geschafft, den "Mindestpensionisten wie den Industriellenvertreter wieder in die Partei zu bringen".

Es sei ein "unglaubliches Privileg gewesen", so Nehammer, "Schild und Schwert gewesen sein zu dürfen als Innenminister".

Die Pandemiezeit komme einem heute "so ewig weit weg vor", führt Nehammer aus und lässt damit seine Kanzlerschaft gleichsam Revue passieren. Nebst Corona, das betont er lautstark "kam das Einsetzen des Korruptions-Untersuchungsausschusses, der nur ein Ziel hatte: die Zerschlagung der ÖVP". 

Umso mehr seine Rede, die mehr einer Geschichte gleicht, fortschreitet, desto schneller spricht Nehammer, desto lauter wird er und betont einzelne Worte. 

Er führt die Corona-Hilfen an und aus, das Wirtschaftswachstum und den Einbruch der Konjunktur "das steile V." Doch, so Nehammer: "Die Geschichte kann man immer nur vom Zeitpunkt des Entschlusses redlich erzählen." Österreich sei gut durch die Energie-Krise gekommen, "weil wir widerstandsfähig sind, nicht aufgegeben haben", ruft Nehammer förmlich. Und er bleibt in der Tonlage und Tonalität, als es wieder um den Korruptionsausschuss geht und darum, dass die politischen Gegner in einem "Zerstörungswahn" gewesen seien.

"Christian, du warst ein großartiger Generalsekretär"

Die ÖVP wurde "beschuldigt, verdächtigt, vorverurteilt", so Nehammer. Mit Christian Stocker als Generalsekretär habe es ab 2022 - Karl Nehammers Kanzler- und Obmannschaft - niemand Besseren an diesem Platz geben können. Auch Stocker sei "Schild und Schwert. Christian, Du bist der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Du wirst Österreich in eine bessere, zuversichtliche Zukunft zu führen", endet Nehammer erneut unter Standing Ovations und brausendem wie lange anhaltendem Applaus. 

"Wir sind dir zu großer Dankbarkeit verpflichtet", sagt Stocker nunmehr auf der Bühne, ehe er seinem Vorgänger ein übergroßes Bild aus seiner Kanzlerschaft mit dem Schriftzug "DANKE" übergibt.

Christian Stocker mit 98,42 Prozent zum ÖVP-Chef gewählt

"Stolze Vergangenheit, große Zukunft"

Nico Marchetti, Nachfolger von Christian Stocker als Generalsekretär, will vom Publikum einen "großen Applaus für die persönliche Größe“ von Sebastian Kurz, Karl Nehammer und Christian Stocker, die in der ersten Reihe sitzen und beweisen würden, dass es um die Volkspartei geht und um Überzeugung.

"Die letzten fünf Monate waren sehr turbulent", spielt Marchetti auf den Obmannwechsel von Nehammer auf Stocker an, die Kanzlerschaft von Alexander Schallenberg bis zur Angelobung von Christian Stocker. "Wir haben eure Geduld strapaziert, umso mehr wissen wir es zu schätzen, dass ihr alle hier seid", spricht Marchetti die 2.000 Menschen im Saal an. 

Die ÖVP habe "eine stolze Vergangenheit und große Zukunft". Der ÖVP-Generalsekretär ist sich dessen auch deshalb sicher, weil man aus den Fehlern der Vergangenheit und den Verhandlungen mit den Freiheitlichen gelernt habe. „FPÖ ist der Aasgeier, der sich von den Fehlern anderer ernährt, so wollen wir nicht werden“. Marchetti will der Methode der FPÖ die Geschäftsgrundlage entziehen und damit aushungern. 

Christian Stocker mit 98,42 Prozent zum ÖVP-Chef gewählt

"Zehn große Packungen Schokobananen"

August Wöginger betont wie Christian Stocker in Karl Nehammer einen "Freund gefunden zu haben". Das Scheitern der ersten Dreierkoalition habe wohl so kommen müssen, so Wöginger, der ein "Bonmot" aus den Verhandlungen erzählen will. Es seien bis zu "zehn große Packungen Schokobananen verzehrt" worden. 

Bei den Verhandlungen mit den Freiheitlichen habe es "Irrsinnigkeiten" gegeben. So wollten die FPÖ beispielsweise keinen englischen Begriff wie "Community Nurse" verwenden, so Wöginger. Zudem habe Herbert Kickl mit nur acht Stunden Verhandlungen Kanzler werden wollen. "Wir haben das Finanzministerium angeboten, man kann nicht alles haben", erklärt Wöginger in nun ebenfalls lautem Tonfall das Verhandlungsaus. "Kickl ist der Will-Nicht-Kanzler".

 Wöginger selbst habe aus den Verhandlungen von Stocker, dem Juristen gelernt. "Die Härte hätte ich nicht", so der Klubobmann, der erzählt, Stocker habe gen Mitternacht die Verhandlungen auch verlassen mit den Worten gen Neos: "Überlegt einmal, was ihr da von uns verlangt. Wir sind die stärkere Partei. Reden wir morgen weiter". Jetzt sagt Wöginger, die Koalition zwischen mit SPÖ und Neos werde fünf Jahre halten. 

"SC Wiener Neustadt in der Champions League"

Für Christian Stocker ist es "etwas ganz Spezielles heute in meiner Heimatstadt zum Parteiobmann gewählt zu werden", wie er bei seiner Rede um kurz vor halb vier Uhr sagt. 

Er selbst habe sich nicht gedacht, dass dies je möglich sei. Noch weniger Stockers Vater, der 92 Jahre alt ist, und ebenfalls in der Arena Nova ist. Stockers Vater habe gemeint, dass sein Sohn Kanzler werde, das sei eher unwahrscheinlich: "Da gewinnt eher der SC Wiener Neustadt die Champions League." 

Doch nun sei "alles anders gekommen". Stocker dankt erneut Karl Nehammer, der "einen hohen Preis bezahlt hat", indem er zurückgetreten ist. Stockers Familie habe aus den Medien erfahren, dass er an Nehammers Stelle treten werde, um Verhandlungen mit der FPÖ zu führen.  Spott und Häme seien die Folge gewesen. 

"Ich habe gewusst, was ich zuvor über Herbert Kickl gesagt habe. Ich habe es auch so gemeint", so Stocker unter Applaus. "Wenn jemand die Chance hat, eine Partei in die Regierung zu führen, kann er breiter werden, sich zum Teil neu erfinden", erklärt Stocker, warum er es doch versucht hat, mit dem FPÖ-Chef eine Regierung zu bilden. "Doch Herbert Kickl hat sich nicht neu erfunden."

"Will nicht, dass Österreich vertrumpt"

Wie Wöginger legt auch Stocker dar, woran die Verhandlungen scheiterten. Das Nein zu englischen Begriffen, das Nicht-Hissen der EU-Fahne, das sei mit der ÖVP nicht möglich gewesen, aber von der FPÖ gefordert worden. Stocker wolle nicht, "dass Österreich vertrumpt". 

"Das Bemühen und der Wille, Trennendes zu überwinden, sich neu zu erfinden", das sei SPÖ, Neos und auch der ÖVP in der zweiten Verhandlungsrunde gelungen. Die Regierung wolle sich "auch wechselseitig Erfolge gönnen". Stocker selbst, der vor wenigen Tagen 65 Jahre alt wurde, "das gesetzliche Pensionsalter erreicht hat", führt aus, wofür die ÖVP in der Regierung einstehen will und führt stichwortartig auf und an, worum es ihm geht: den Leistungsgedanken in der Wirtschaft, den Integrationswillen von Migranten, den Stopp des Familiennachzugs. 

Er will "das Richtige tun für Österreich", sagt Stocker am Ende seiner vor 16 Uhr und seiner Wahl, die mit einem Ergebnis von 98,42 Prozent der Delegiertenstimmen ausging. 

Drei Stellvertreterinnen und ein Stellvertreter werden gewählt

Gewählt wurden heute nebst Stocker dessen drei Stellvertreterinnen und ein Stellvertreter als Bundesparteiobmann. Das sind die künftige Salzburger Landeshauptfrau Karoline Edtstadler, die auf 98,19 Prozent (435 Stimmen) Zustimmung kam. Gewählt wurden auch EU-Parlamentarierin Sophia Kircher, die Vorarlberger Klubobfrau Veronika Marte und Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (97,52 Prozent)

Letztere zwei waren bereits zuvor Obmann-Stellverterin und -Stellvertreter. Nicht mehr aufstellen ließ sich Barbara Eibinger-Miedl, aktuell ebenfalls Stellvertreterin. Sie wolle sich ganz auf ihr Amt als Finanzstaatssekretärin konzentrieren, hieß es von der ÖVP.

Bis auf die Wahlzettel - in geheimer Wahl werden damit der Obmann, seine Stellvertreterinnen und Stellvertreter sowie der Bundesfinanzreferent gewählt - wurde am Parteitag kein Papier ausgeteilt. Der Bundeskontrollausschuss, das Bundesparteigericht, der Bundesfinanzprüfer sowie einige Kommissionen wurden mit Handzeichen gewählt. 

Der Parteitag stand im Zeichen des 80. Jubiläums der im Jahr 1945 gegründeten Volkspartei. Die Politische Akademie der ÖVP (Polak) gestaltete in einer Vorhalle eine Ausstellung dazu, von allen Obmännern soll es lebensgroße Kartonfiguren geben.

Nehammers Wahlergebnis für Stocker nicht zu toppen

Stocker lag mit seinem Ergebnis hinter Nehammer, der nach den gescheiterten ersten Verhandlungen für eine Dreierkoalition zurücktrat, war 2022 bei einem außerordentlichen Parteitag mit 100 Prozent der Stimmen zum Parteichef gewählt worden. 

Überhaupt erhalten die ÖVP-Chefs bei ihren ersten Obmann-Wahlen traditionell eher hohe Ergebnisse. Kurz wurde 2017 mit 98,7 Prozent gewählt, Mitterlehner 2014 mit 99,1 Prozent.

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