Mit der FPÖ wäre es kaum möglich gewesen: Weil man ihr diesen Pragmatismus eben nicht zutrauen kann – aber auch, weil die SPÖ samt all ihren Vorfeldorganisationen mit Riesen-Trara gegen jede blau-schwarze Maßnahme zu Felde gezogen wäre und das Ende der Demokratie, des Sozialstaates, gar der Humanität ausgerufen hätte.
Türkis-Schwarzer Markenkern
Geht es um tiefe Einschnitte, dann sind diese in Wahrheit nur möglich, wenn die Sozialdemokraten (mit-)regieren. Das war in Deutschland übrigens nicht anders: Angela Merkel profitierte jahrelang von der beinharten Hartz-IV-Reform ihres SPD-Vorgängers Gerhard Schröder. Und weil Blau-Rot in Österreich auch keine Alternative war, muss/darf/wird die ÖVP jetzt weiter die Regierungsbank drücken. Wegen des von ihr gemeinsam mit den Grünen angerichteten Budgetschadens (aufbauend auf den Ratschlägen der vereinten Wirtschaftsforscher, die die Kaufkraft erhalten wollten) müsste sie jetzt aber eigentlich eine „Ehrenrunde“ in der Opposition drehen. Dann könnten die Türkis-Schwarzen in Ruhe über den Markenkern ihrer exakt 80 Jahre alten Partei nachdenken.
Der enthielt nämlich einst Werte wie Sparsamkeit, Eigentumsrechte, mündiger Bürger. Es ist keine Entschuldigung, dass sich die CDU in Deutschland ähnlich selbst zerstört und Schulden, pardon „Sondervermögen“ aufnimmt, ohne Sozialreformen zu wagen. Wobei auch die SPÖ unter Bruno Kreisky „Leistung, Aufstieg, Sicherheit“ und nicht leistungsloses Einkommen auf ihre Fahnen geschrieben hatte.
Die Ampelkoalition muss mit Überförderung und weit überzogenen Lohnrunden ihrer Vorgänger Schluss machen, ohne die Konjunktur weiter abzuwürgen. Wie bitter, dass das 6,4-Milliarden-Sparpaket nicht reichen wird, um ein Defizitverfahren zu verhindern! Für glitzernde Ideen bleibt kein Spielraum – bzw. nur, wenn diese möglichst budgetneutral sind und von den jeweils anderen beiden Koalitionsparteien mitgetragen werden.
Daher ist Kanzler Christian Stocker, der dieses Wochenende beim ÖVP-Bundesparteitag zur Wahl steht, wahrscheinlich der richtige Mann zur richtigen Zeit: eine Art „Anwalt der Republik“, unaufgeregt und alt genug, um das Amt mit Gelassenheit anzugehen, weil er nach diesem Knochenjob ohnehin keine weitere Karriere anzustreben braucht.
Die ÖVP wird ihn am Samstag in seiner Heimatgemeinde Wiener Neustadt mit großer Mehrheit wählen – quasi in vorauseilender Dankbarkeit, dass er sich das antut.
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