Um das zu verstehen, braucht es einen Blick in die lebhafte Geschichte des Forums: Ins Leben gerufen wurde es im Jahr 1945 vom Widerstandskämpfer Otto Molden und dem Philosophen Simon Moser.
Ihr Bestreben war es, nach den Wirren des Weltkriegs einen „Ort der freien Denker, Dichter, Politiker und Wirtschaftsführer“ zu etablieren. Einen Ort der Diskussion und des Austauschs – über nationale und über ideologische Grenzen hinweg. Oder, wie es Molden in Anlehnung an den Roman von Thomas Mann (und mit etwas viel Pathos) nannte: einen „anderen Zauberberg“.
Von Popper bis Gandhi
Die Liste derer, die einer Einladung in das 2500-Seelen-Dorf folgten, ist lang. Theodor Adorno, Hans Kelsen und Karl Popper kamen ebenso wie Indira Gandhi und Friedrich von Hayek. Physiker Erwin Schrödinger ist hier sogar begraben, so war es sein Wunsch.
Die heimische Politik ließ nicht lange auf sich warten. Bald galt es als chic, sich im intellektuellen Alpbach zu zeigen.
Es folgten Wirtschaftsbosse, PR-Berater und Adabeis, die – verkleidet in Tracht – in Scharen das Dorf stürmen und Party machen. Den Unmut der Bewohner, die freilich zugleich fleißig an der Veranstaltung verdienen, haben sie sich damit zugezogen.
Während sich die ernsthaft Interessierten (darunter viele Studierende) bei wechselnden Veranstaltungen – von Gesundheit bis Wirtschaft – austauschen, kämpfen andere vor allem um die besten Plätze in den Gastgärten.
Von den Arbeitsgruppen, Panels und Experten bekommen sie wenig mit. Ihnen geht es um das Sehen – und vor allem das Gesehenwerden.
Verärgerte Partner
Den Veranstaltern ist das ein Dorn im Auge. Zuletzt konkurrenzierten immer mehr private Events, Empfänge und Pressekonferenzen das eigentliche Programm. Mit dem harschen Ton, in dem die Veranstalter mit Partnern und Kunden kommunizieren, haben sie zuletzt manchen verärgert. Mit strengen Regeln und hohen Preisen sowieso.
Im Vorjahr hat die Wirtschaftskammer, zuvor einer der wichtigsten Partner, dem Forum den Rücken gekehrt. „In dieser Form sehen wir keinen Mehrwert für uns“, richtete Kammer-Chef Harald Mahrer aus.
Der Präsident des Forums Alpbach, Ex-EU-Kommissar Franz Fischler (ÖVP), soll daraufhin auch die Arbeiterkammer ausgeladen haben. Auch mit der Industriellenvereinigung gab es Ärger.
Nicht nur diese Erzählung zeigt: Das Forum ist fest in parteipolitischen Händen. Vor allem die ÖVP sieht das Forum als ihr Terrain. Offiziell ist „für Innenpolitik kein Platz“ in Alpbach, wie Fischler immer wieder erklärt. Inoffiziell jedoch umso mehr.
Intrigenreich
Im Jahr 2012 etwa eskalierte in Alpbach der Streit zwischen Michael Spindelegger, damals ÖVP-Chef, und Finanzministerin Maria Fekter. Er hätte selbst gerne ihr Ressort gehabt.
Im Jahr 2013 hatte Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl seine große Stunde: Er erklärte in Alpbach den Wirtschaftsstandort Österreich für „abgesandelt“. Sein Sager ist ins innenpolitische Grundvokabular eingegangen. (Exakt zehn Jahre zuvor gelang ÖVP-Bildungsministerin Elisabeth Gehrer mit ihrem „Kinder statt Partys“-Zitat dasselbe.)
Ein Jahr später, 2014, wieder Spindelegger: Er erklärte zwar nicht in, aber während Alpbach seinen Rücktritt.
Kurz und Kickl kommen nicht
Mit Türkis-Blau war das vorbei. Alpbach verschwand, von Höflichkeitsbesuchen abgesehen, von der Agenda der Regierung. Die FPÖ war in Alpbach ohnedies nie gern gesehen.
Und Sebastian Kurz, der gerade alles auf Türkis umgestellt hatte, hatte mit den schwarzen, großkoalitionären Alt-ÖVPlern in Alpbach wenig Freude. Elitentreffen? Das passte nicht ins Bild der neuen ÖVP.
Zumindest die Regierung ist 2019 wieder gut vertreten: Die Kanzlerin und sechs Minister haben sich angesagt, hieß es beim Forum Alpbach auf KURIER-Anfrage.
Auch FPÖ-Klubchef Herbert Kickl habe man eingeladen. Er hat abgelehnt. Und Kurz? Ebenfalls Fehlanzeige. Er konzentriere sich auf die Wahl und „habe keine Zeit“, heißt es aus der ÖVP.
Ob SPÖ und Neos, die in Alpbach gerne vorbeischauen, aber sich immer benachteiligt fühlen, dieses Vakuum nützen können, das zeigt sich in den kommenden Wochen.
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