Österreich ist extrem säumig beim Klimaschutz

Österreich ist extrem säumig beim Klimaschutz
Bis 2050 muss Österreich 95 Prozent seiner CO2 -Emissionen einsparen. Doch Experten sehen das Land bis dato "vollkommen auf dem Holzweg". Was muss sich ändern? Und wie wird sich das Klimaschutzabkommen auf unser Leben auswirken?

Groß war die Empörung, als US-Präsident Donald Trump vor wenigen Wochen den Ausstieg der USA aus dem Klimaschutzabkommen von Paris verkündete. Jahrzehntelang war verhandelt worden, bis im Dezember 2015 eine Einigung von 193 Staaten verkündet werden konnte. Beschlossen wurde, dass sich alle Staaten zu Maßnahmen verpflichten, um die Erderwärmung deutlich unter 2° Celsius (im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten) zu begrenzen.

Konkret heißt das: Spätestens bis Mitte dieses Jahrhunderts – also in den nächsten 32 Jahren – dürfen keine fossilen Brennstoffe mehr verwendet werden. Damit ist das sichere Ende von Öl- und Gasheizungen eingeläutet, das Aus für Benzin- und Dieselmotoren, auch die Stilllegung aller Gas- und Kohlekraftwerke. Natürlich bleibt es den einzelnen Staaten überlassen, wie sie diese Ziele erreicht wollen.

Österreich ist in dieser Hinsicht – leider – aber mehr als säumig.

Was wird passieren?

Was bisher kaum beleuchtet wurde, ist die Frage, wie der Klimavertrag von Paris unser Leben verändern wird. Der KURIER hat bei Experten nachgefragt, worauf sich die Österreicher einstellen müssen. Die Antwort ist unisono klar: Vom Wohnen über die Mobilität bis hin zur Ernährung werden alle Lebensbereiche betroffen sein.

Österreich ist extrem säumig beim Klimaschutz

-Stromsparen Die bisherigen Anstrengungen im Ausbau erneuerbarer Energien alleine werden nicht reichen. Denn: "Wenn wir unsere Energieversorgung auf 100 Prozent Erneuerbare Energie umstellen wollen, wird das nur möglich sein, wenn wir den Energiebedarf um 50 Prozent reduzieren", stellt Adam Pawloff, Umweltsprecher von Greenpeace Österreich, klar. Wir müssen also Energie effizienter einsetzen und gleichzeitig den Energieverbrauch reduzieren. WIFO-Umweltökonom Stefan Schleicher bringt hier neue Technologien ins Spiel, die unseren Alltag künftig begleiten werden. Etwa, dass die Energie aus warmen Abwässern – von der Badewanne, der Waschmaschine oder dem Geschirrspüler – recycelt werden. In der Schweiz gibt es dazu erste vielversprechende Versuche. Klar sei, dass künftig alle Möglichkeiten für Erneuerbare Energien, wie Solarstrom oder Geothermie genutzt werden müssen.

Das müsse aber nicht heißen, auf Annehmlichkeiten zu verzichten, betont Pawloff. Österreichs Klimapolitik mangle es an Anreizen, er sieht diese "vollkommen auf dem Holzweg."

-Thermische Sanierung Wenn bis 2050 alle Gebäude wärmegedämmt werden, sparen wir rund zwei Drittel der Heizenergie. Dafür wäre eine Sanierungsrate von drei Prozent pro Jahr nötig. Bis vor Kurzem lag sie bei nur einem Prozent. Doch die Förderungen wurden inzwischen halbiert. Bis alle Häuser in Österreich saniert sind, dauerte es zweihundert Jahre, kritisiert Johannes Wahlmüller von Global 2000. Er drängt darauf, jetzt Öl- und Gasheizungen im Neubau zu verbieten.

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-Mobilität Auch der Individualverkehr, der in Österreich für rund ein Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich ist, gehört neu gedacht, meint Pawloff. Nur auf das Thema Elektromobilität zu setzen, werde nicht ausreichen. Er plädiert für einen massiven Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, auch auf dem Land. Dazu müssten Carsharing-Modelle verstärkt ausgebaut werden. "In der Stadt stehen Autos 23 Stunden nur still." Ein Auto, das von mehreren Menschen genutzt wird, könnte bis zu acht Autos ersetzen – und damit auch Platz für mehr Radfahrer schaffen.

WIFO-Experte Schleicher schlägt überhaupt ein radikales Umdenken vor. Mobilität sei der "Zugang zu Personen, Gütern und Orten. Dafür muss nicht immer eine Verkehrsbewegung notwendig sein." Alternativen seien etwa Homeoffice oder Videokonferenzen.

-Umdenken Wenn die Politik die Initiative vermissen lässt, sollten "mündige Bürger" Druck erzeugen, findet Pawloff. Der Umstieg auf alternative Ökostromanbieter sei ein effektiver Schritt, der auch zu mehr Investitionen führe. Es sei auch ratsam, sich biologisch, regional und saisonal zu ernähren, um lange Transportwege zu vermeiden. Zu Bedenken sei diesbezüglich, dass die weltweite Fleischproduktion fast zehn Prozent aller Treibhausgase verursacht.

Der Jubel war groß, auch bei Umwelt- und Klima-Minister Andrä Rupprechter (ÖVP), als im Dezember 2015 das Klimaschutzabkommen in Paris geschlossen wurde. 193 Staaten einigten sich darauf, Maßnahmen zu setzen, um die Erderwärmung deutlich unter 2° Celsius zu begrenzen. Konkret dürfen damit spätestens bis 2050 weltweit keine fossilen Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas verwendet werden.

Rupprechter kündigte noch am gleichen Tag an, bis Ende 2016 eine Klima- und Energiestrategie ausarbeiten zu lassen, wie Österreich die Klimaziele umsetzen wird.

Gescheitert

Der Präsentationstermin wurde in der Folge immer wieder verschoben. Mitte Juni 2017, in einer langen Presseaussendung des Parlaments, war dann zu lesen: "Eine Beschlussfassung der Klima- und Energiestrategie noch in dieserLegislaturperiode erachtet Andrä Rupprechter als unwahrscheinlich." Der Satz ging im Trubel der Neuwahl-Ausrufung durch den neuen ÖVP-Chef Sebastian Kurz unter. In Wahrheit war das die vielleicht größte politische Bankrotterklärung dieser Bundesregierung.

Das ist nicht nur für die Bürger bitter, sondern auch für die Wirtschaft. Denn unsere Reduktionsziele sind längst einzementiert: Die EU-Kommission will von uns, dass bis 2030 die Treibhausgase (im Vergleich zu den Emissionen von 2005) um 36 Prozent reduziert werden. Bis 2040 muss das Minus schon bei rund 60 Prozent liegen. Und, wie eingangs erwähnt, bis 2050 muss Österreich, wie jedes andere Industrieland der Welt auch, zu einem Null-Emmissionsland werden, also um 95 bis 100 Prozent weniger Treibhausgase emittieren.

Im Lebensministerium von Rupprechter, das gemeinsam mit dem Wirtschafts- und Energieministerium (damals unter Reinhold Mitterlehner) federführend die Strategie in Auftrag gegeben hatte, wird auf KURIER-Anfrage bestätigt, dass die Strategie nicht fertiggestellt werden konnte. Als Gründe werden Probleme mit der Koordination aller beteiligten Ministerien genannt (beteiligt waren noch das Infrastrukturministerium und das Sozialministerium). Letztlich hätten aber der Bruch der Koalition durch den neuen ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und die vorgezogenen Neuwahlen eine Finalisierung des Projekts verhindert.

Schlusslicht

Österreich wird zum Klimaschutz-Schlusslicht. Und hat immer weniger Zeit: Um das EU-Ziel zu erfüllen, braucht die nächste Regierung rasch einen Plan, um bis 2030 mehr als 26 Prozent (!) der CO2-Emissionen zu reduzieren. Die EU-Staaten haben bereits jetzt ihre Emissionen um 23 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 gesenkt, Österreich nur um 3,2 %.

Die Strategien anderer Staaten sind durchaus ambitioniert: Dänemark war das erste Land, das im Neubau Ölheizungen verbietet. Norwegen will schon ab 2025 keine neuen Diesel- oder Benzin-Kfz zulassen. Schweden hat einen Fahrplan, der ein Ende aller fossilen Brennstoffe für 2045, fünf Jahre vor dem UNO-Ziel, vorsieht. Frankreich will ab 2040 Dieselfahrzeuge verbieten.

Österreich ist extrem säumig beim Klimaschutz
Für Österreich unterzeichnet wurde der Vertrag von Umweltminister Andrä Rupprechter
Klimakonferenzen

1990 nach der ersten Klimakonferenz in Rio de Janeiro trat die Klimarahmenkonvention in Kraft, der erste internationale Vertrag, der den Klimawandel als ernstes Problem bezeichnet und die Staatengemeinschaft zum Handeln verpflichtet hat.

Kioto-Konferenz 1997

Erstmals verpflichteten sich Industrieländer, Treibhausgase von 2008 bis 2012 tatsächlich zu senken.

Kopenhagen-Konferenz 2009

Ziel war ein Abkommen, das ab 2013 gelten sollte; Konferenz endete ohne Einigung.

Paris-Konferenz 2015

Endlich der Durchbruch: Abkommen verpflichtet alle Staaten zu Maßnahmen, um die Klimaerwärmung deutlich unter 2° Celsius zu begrenzen, also de facto Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bis 2050.

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