100 Jahre Republik: Van der Bellen warnt vor "Intoleranz"

Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei seiner Rede zum 100. Geburtstag der Republik Österreich.
Festakt in der Staatsoper zu 100 Jahre Republik. Van der Bellen betonte die Rolle des Konsenses in der Demokratie.

Mit einem Staatsakt in der Wiener Staatsoper feierte das offizielle Österreich am Montag den 100. Jahrestag der Errichtung der Ersten Republik. Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) luden dazu ein. Die Festrede hielt die Kärntner Slowenin und bekannte Schriftstellerin Maja Haderlap.

Staatsakt zu 100 Jahre Republik

In seiner Rede betonte Bundespräsident Alexander Van der Bellen das Gemeinsame in der österreichischen Politik. "Konsenssuche in der Demokratie bedeutet nicht die alleinige Machtausübung der Mehrheit, Andersdenkende sind Partner, nicht Feinde", sagte das Staatsoberhaupt. "Das Gemeinsame herzustellen macht das Wesen Österreichs aus." Er verwies bewusst auf die Bedeutung und Rolle der liberalen Demokratie, die "mehr ist als die Herrschaft der Mehrheit". Van der Bellen warnte vor "Gesprächsverweigerung, Intoleranz und der Aushöhlung von Freiheitsrechten".

100 Jahre Republik: Van der Bellen warnt vor "Intoleranz"

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)

Bundeskanzler Sebastian Kurz ( ÖVP) stellte ins Zentrum seiner Ansprache die Freude über die Anwesenheit von österreichischen Holocaust-Überlebenden, die aus Israel angereist sind. "Ich freue mich, dass wir ihnen einen Herzenswunsch erfüllt haben, nach Wien zu kommen und mit uns zu feiern", betonte Kurz.

Auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache ( FPÖ) hob nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges, nach den Erfahrungen der Nazi-Herrschaft, "die Verantwortung Österreichs für seine Mitbürger und für die Juden" hervor. 

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Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ)

"Nie wieder Krieg" - die EU ist die Antwort darauf

Als einziger Redner unter den Politikern ging Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) ausführlich auf die Bedeutung der Europäischen Union als Antwort auf die beiden Weltkriege ein: "Nie wieder Krieg" - darauf basiert die EU. Die Stärke der EU müsse auch für die Zukunft bewahrt werden, ebenso wie die Fähigkeit zur "Zusammenarbeit, Menschlichkeit und Solidarität".

100 Jahre Republik: Van der Bellen warnt vor "Intoleranz"

Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ)

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) gab einen optimistischen Ausblick: Er mache sich "keine Sorgen um die Demokratie". Aber Parallelgesellschaften im Lande dürften "nicht toleriert" werden. "Null-Toleranz gibt es auch gegenüber Antisemitismus und Antizionismus."

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Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP)

Für die Rede von Maja Haderlap gab es Standing Ovations. Die Kärntner Autorin begrüßte die Festgäste auf deutsch und in ihrer Muttersprache Slowenisch. Sie sprach über den "langen Atem der Geschichte, der dünn ist". Sie bezog diese Formulierung auf die vielen Herausforderungen, die der moderne Staat meistern müsse: Migration, Digitalisierung, Globalisierung, Umwelt und Klima. Die "ethische Würde" des Menschen müsse in den Fokus rücken. Zum 100. Geburtstag der Republik wünschte Maja Haderlap Österreich eine "gefestigte Demokratie", eine, die einfach selbstverständlich ist.

100 Jahre Republik: Van der Bellen warnt vor "Intoleranz"

Kärntner Schriftstellerin Maja Haderlap

Besondere Gäste des Staatsaktes, der der Ausrufung der "Republik Deutsch-Österreich" nach dem Zusammenbruch der Habsburger-Monarchie gedenkt, sind Holocaust-Überlebende und Schüler aus ganz Österreich. Die Wiener Philharmoniker und Sänger der Staatsoper sorgen für das musikalische Programm. Gezeigt werden auch historische Bildaufnahmen von der Gründung der Republik bis in die Gegenwart sowie ein Video, in dem junge Bürger ihre Vorstellungen für die Zukunft Österreichs präsentieren. Der Staatsakt wird live vom ORF übertragen.

"Niemand glaubte, dass dieses winzige Rest-Österreich lebensfähig wäre"

Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist dem Eindruck entgegengetreten, dass bei den Feiern die damals starken Anschlusstendenzen an Deutschland unter den Teppich gekehrt werden. "Nein, das ist kein Tabu für mich", sagte Van der Bellen der APA beim Weltkriegsgedenken in Paris.

"Dass damals die Mehrheit, glaub ich, der Bevölkerung für den Anschluss an Deutschland war, ist schon verständlich, weil niemand daran glaubte, dass dieses winzige Rest-Österreich, und es hieß ja nicht von ungefähr zunächst Deutsch-Österreich, lebensfähig wäre überhaupt, ökonomisch, in jeder Hinsicht", erinnerte Van der Bellen an die "Implosion" des Habsburgerreiches im November 1918. "Das hat dann gedauert bis 1945, bis sich das eindeutig und endgültig geändert hat", sagte er.

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"Jeder weiß, wie die Geschichte der Ersten Republik verlaufen ist, und dass über all die Jahre der Zweifel virulent blieb, ob dieses Ding denn lebensfähig ist", sagte Van der Bellen. "Nicht von ungefähr war Karl Renner, der Ausrufer der Ersten Republik, der Ausrufer der Zweiten Republik - im Jahr 1938 war auch er für den Anschluss. Daran erkennt man schon, wie schwach das Selbstbewusstsein dieser Ersten Republik war."

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