ÖGB will 37,5-Stunden- Woche für alle
"Die Arbeitszeitverkürzung wird auf die Agenda kommen." So sprach SPÖ-Chef Christian Kern vergangenen Samstag beim Landesparteitag in Klagenfurt. Und weiter?
Der Vorschlag hat nicht nur beim Koalitionspartner für Unruhe gesorgt, sondern auch für mediale Fragezeichen: Kommt jetzt eine SPÖ-interne Arbeitsgruppe dazu? Ein koalitionärer Arbeitskreis? Oder wollte Kern damit den Genossen vor seiner Wahl beim Parteitag am 25. Juni nur schmeicheln?
Im roten Sozialministerium wird verneint, dass dazu eine Arbeitsgruppe geplant ist. Karl Blecha, SPÖ-Pensionistenchef und Autor des neuen SPÖ-Parteiprogramms, lässt den KURIER-Lesern ausrichten, er sei jedenfalls dafür, dass das Thema Arbeitszeitverkürzung im Programm vorkommen wird. Das sei aber noch nicht fertig.
Deutlich konkreter ist die Auskunft aus der Gewerkschaft. Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB, verweist darauf, dass beim vergangenen ÖGB-Bundeskongress erneut eine Arbeitszeitverkürzung gefordert wurde, "aber ohne, dass sich dadurch der Lebensstandard verschlechtert. Das ist aus beschäftigungs-, gesundheits- und sozialpolitischen Gründen erforderlich", hieß es im Abschlussdokument.
Aber was heißt das konkret? "Viele Möglichkeiten der Arbeitszeitverkürzung sind möglich", erklärt Achitz. Derzeit werde fast nur die unproduktivste Form am Arbeitsmarkt angeboten – die Teilzeitarbeit, mit vielen negativen Folgen wie Altersarmut.
Überstunden verteuern
Was wären konkrete politische Maßnahmen? "Überstunden verteuern, um sie zu reduzieren. Verkürzung der Normarbeitszeit von 40 auf zum Beispiel 37,5 Stunden, 38,5 Stunden gibt es schon in vielen Kollektivverträgen, aber alles unter 40 Stunden wäre ein Fortschritt", erklärt Achitz. Vorstellbar seinen weiters Begleitmaßnahmen wie der Ausbau freier Tage, ein besserer Zugang zur sechsten Urlaubswoche, wie im Koalitionsabkommen vorgesehen. Aber auch Sabbaticals, Bildungsfreistellungen und ähnliches.
Arbeitszeitverkürzungen sei auch in anderen EU-Staaten Thema. Skandinavische Länder testen derzeit etwa die 30-Stunden-Woche im öffentlichen Dienst. Und in Frankreich gilt seit 2000 die 35-Stunden-Woche, eine Maßnahme, die laut Jörg Flecker, Soziologe der Uni Wien, bis zu 350.000 Jobs geschaffen hat. Achitz spricht von einem Plus am Arbeitsmarkt von drei bis sieben Prozent, gibt aber zu: "Der Effekt ist umstritten, andere Experten beziffern die Auswirkung am Arbeitsmarkt aus ideologischen Gründen mit null."
Seit den Tagen des 1989 verunglückten Sozialministers Alfred Dallinger kämpft die SPÖ für eine "Wertschöpfungsabgabe".
Die Forderung von SPÖ-Kanzler Christian Kern steht in bester sozialdemokratischer Tradition – auch am reflexartigen Nein der ÖVP hat sich in bald drei Jahrzehnten wenig geändert. In Österreich und Deutschland wird die Wertschöpfungsabgabe als Ersatz für Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung debattiert. So müssten auch Firmen Beiträge für Kranken- oder Pensionsversicherung leisten, die immer weniger Mitarbeiter beschäftigen.
Vorbilder sind rar: In der EU gibt es nur in Italien, Frankreich und Ungarn wertschöpfungsbasierte Abgaben. Diese sind jedoch nur als lokale Unternehmenssteuern einzustufen, deren Bedeutung noch dazu stetig abnimmt.
(Michael Bachner)
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