ÖBB-Boss Matthä: „Der Verkehr ist aus meiner Sicht zu günstig“

Matthä betont umfangreicheres Angebot
Zum Tag der Umwelt: Warum die Bahn nicht immer konkurrenzfähig ist – und was dringend geändert werden muss.

Grundsätzlich sind sich Experten, Wissenschaft und Politik einig: Der Weg zu einem klimaneutralen Österreich kann nur durch die Verlagerung von Flug-, Auto und Lkw-Verkehr auf die Schiene gelingen. Im KURIER-Gespräch zeigt ÖBB-CEO Andreas Matthä gemeinsam mit der Geschäftsführerin des Umweltbundesamtes, Monika Mörth, was geplant ist und alles möglich wäre.

Verankert ist bisher die Strategie der Bahn: „Klimaschutz ist in unserer DNA, wir fahren ja seit hundert Jahren mit Strom“, erklärt Matthä. Bis 2030 sei das Ziel, dass alle Züge CO2-neutral fahren. Bis 2050 soll die ÖBB vollständig klimaneutral sein – und auch alle Gebäude.

Steuergerechtigkeit

Als sehr problematisch sieht Matthä aber die fehlende „Wettbewerbsgerechtigkeit“, sprich: Die ÖBB sei einerseits die „pünktlichste Bahn in der EU“, aber auch jene, mit den höchsten Energieabgaben in der EU (siehe Grafik). Gleichzeitig gebe es das „Dieselprivileg“ für Pkw, oder eine Steuer von null Prozent auf Kerosin für Flugzeuge. „Natürlich hätten wir auch gerne null Steuern auf unsere Energie, die wir zu einem Drittel in eigenen Wasserkraftwerken herstellen. Aber ich wäre schon mit einer Besteuerung im EU-Schnitt zufrieden.“

Kosten Pkw - Bahn

Dass eine Fahrt von Wien nach Tirol im Pkw billiger sei, lässt Mörth nicht gelten: „Da wird gerne auf die hohen Anschaffungskosten des Pkw vergessen, und auf die Maut-, Betriebs- und Treibstoffkosten, und inzwischen auch auf die Kosten fürs Parken. Im Schnitt stehen ja Autos 23 Stunden am Tag.“ Andererseits, sagt Matthä, sei das Bahnfahren mit dem Vorteilsticket und den Familienrabatten längst konkurrenzfähig. „Aus meiner Sicht kommt dazu, dass der Pkw-Verkehr jedenfalls zu günstig ist.“ Er sei der Ansicht, dass CO2-Steuern auch für Pkw kommen werden, und die Bahn damit attraktiver werden wird.

Ultrakurzflüge

Matthä bringt ein weiteres Beispiel: Derzeit gebe es täglich acht Flüge zwischen Wien und München. „ Nur diese Strecke erzeugt pro Jahr rund 100.000 Tonnen . Der gesamte Schienenverkehr der ÖBB mit 6000 Zügen täglich würde vergleichsweise nur 200.000 Tonnen pro Jahr verursachen. „Und wenn man die Fahrt zum und vom Flughafen addiert, ist man schon jetzt mit dem Zug schneller, der braucht nur mehr gut vier Stunden“, sagt Mörth.

Mehr Bahn, weniger Auto

Aber wie will die Bahn zum Umsteigen bewegen? Matthä verweist darauf, dass seit 2009 um rund 25 Prozent mehr Fahrgäste mit der Bahn unterwegs seien. „Und wir rechnen mit der gleichen Steigerung bis 2030.“ Das gehe durch ein attraktiveres Angebot, einen Streckenausbau, höhere Taktung der Züge und flexiblere Fahrzeiten, auch morgens und abends. „Wir müssen dabei aber wirtschaftlich bleiben.“

Und zuletzt werde auch der Ticketverkauf mit ÖBB-eigenen Smartphone-Apps einfacher werden, verspricht Matthä. Tests laufen bereits, bis 2022 sollen erste innovative Ticketing-Lösungen („Austriapass“) – in Absprache mit allen acht Verkehrsverbünden in Österreich – möglich sein.

2050 im Blick

Welche große Vision hat der Bahn-Chef für das Jahr 2050? Wie wird sich unsere Mobilität in den kommenden 30 Jahren ändern? „Da erzähle ich gerne eine Geschichte“, sagt Matthä. „Ich wohne im Norden Wiens und will mit meinen Kinder am Wörthersee Urlaub machen. Zuerst bestelle ich mir mit der Bahn-App eine kleines, autonom fahrendes E-Auto, das mich von daheim abholt und zum Bahnhof bringt. Im Zug unterhalte ich mich mit einer Studentin, die es gar nicht glauben kann, was 2020 alles möglich war: Dass man früher mehrere Tickets für diese Reise brauchte. Dass Internet und Telefonie nicht problemlos möglich waren. Dass damals lange Lkw-Kolonnen auf den Autobahnen üblich waren, ja dass es überhaupt erlaubt war, mit dem Lkw lange Strecken von Wien bis Klagenfurt zu fahren.“ Und nach nur 2:40 Stunden ist man in Klagenfurt, wenn alle Bahn-Tunnels fertig sind.

Und für wie realistisch hält er das? „Wir arbeiten dran.“

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