Obsorge, Unterhalt und Doppelresidenz: Vorab-Kritik an geplanter Reform

Wie werden Unterhalt, Wohnsituation und die Betreuung von Kindern im Scheidungsfall der Eltern geregelt? In diesen Fragen sieht das türkis-grüne Regierungsprogramm weitreichende Änderungen vor – das Kindschaftsrecht und auch das Eherecht sollen reformiert werden. Die Erarbeitung eines Gesetzesentwurfs zum Kindschaftsrecht ist laut KURIER-Informationen bereits etwas weiter gediehen als jene zum Ehe- bzw. Scheidungsrecht.
Offiziell heißt es aus dem Justizministerium, der Entwurf werde derzeit erarbeitet, wie bisher werde es dabei auch in Zukunft Gespräche mit Stakeholdern und Frauenorganisationen geben. Es sei wichtig, das Kindschaftsrecht neu zu gestalten und die Gesetze nach dem Kindeswohl auszurichten, dazu zähle auch die Erweiterung des Gewaltbegriffs auf psychische Gewalt. Generell sei ihr Ziel eine „feministische Reform“, hatte Justizministerin Alma Zadić im September im Gespräch mit dem KURIER erklärt. Einige Frauenrechtsorganisationen befürchten allerdings, dass die Reform genau das nicht gewährleisten wird, wie sie bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Donnerstag festhielten.
Sie kritisieren mehrere Punkte – wenngleich sie einräumen, die aktuellen Gesetzesentwürfe nicht zu kennen. In den bisher bekannten Arbeitsentwürfen ist etwa eine rechtliche Grundlage für die sogenannte Doppelresidenz – also zwei gleichrangige Wohnsitze der Kinder im Scheidungsfall – enthalten. Davor warnt Klaudia Frieben, die Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings. Zum einen sei es in der Praxis für Kinder verwirrend, weil sie dann nicht mehr wüssten, wo sie hingehören. Zum anderen würden vor allem die Mütter ökonomisch darunter leiden, weil sich der Unterhalt dadurch massiv verringern würde – was laut Frieben „aufgrund der aktuellen Einkommen von Frauen auch hier den Weg in die Frauen- und Kinderarmut bedeutet“.
Damit die Doppelresidenz wirklich funktionieren könne, brauche es Unterstützung vom Staat, sowohl in finanzieller Hinsicht als auch bei der Betreuung, sagt Diplompsychologin Christine Laimer.
Frage nach der Schuld
Auch eine automatische gemeinsame Obsorge für beide Elternteile ist im Zuge der Reform im Gespräch. Hier betonten die Grünen allerdings stets, dass das Regierungsprogramm eine gemeinsame Obsorge im Fall von innerfamiliärer Gewalt und Verletzung von Obsorgepflichten „selbstverständlich“ ausschließe. Dennoch halten die Vertreterinnen der teilnehmenden Organisationen die Idee für problematisch. Gleichberechtigung von Frauen und Männern könne man nicht über das Kindschaftsrecht herstellen, hier werde das Pferd von hinten aufgezäumt, argumentiert Sybille Mölle, Vorsitzende der deutschen Mütterinitiative für Alleinerziehende. Solch ein Vorgehen verschärft Konflikte, statt Konflikte zu deeskalieren.
Dass in einem zweiten Schritt nach der Kindschaftsrechtsreform bei Scheidungen auch das Verschuldensprinzip fallen könnte, lehnen die Frauenrechtsorganisationen ebenfalls ab. Bisher war das Verschulden ja hauptsächlich entscheidend dafür, welcher Ex-Partner zu zahlen hat. Auch hier fürchtet etwa Andrea Czak, Obfrau des Vereins feministische Alleinerzieherinnen, dass Frauen um ihren Unterhalt umfallen würden.
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