Flüchtlinge: Notverordnung kommt, Not bleibt aus
Monatelang drängten die ÖVP und ihre Innenminister Johanna Mikl-Leitner sowie Wolfgang Sobotka auf die Notverordnung, nun geht die Begutachtungsphase des geplanten Entwurfs zu Ende.
30. März 2016: Die Regierung kündigt eine Verschärfung des Asylrechts an. Zentraler Punkt ist die Obergrenze: Die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ( ÖVP) und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil ( SPÖ) sowie die Regierungsspitze – damals noch Kanzler Faymann - gehen davon aus, dass durch die seit dem Vorjahr anhaltende Flüchtlingsbewegung die "öffentliche Ordnung und innere Sicherheit" gefährdet sind. Daher könne Österreich die Zulassung zum Asylverfahren deutlich einschränken und nur noch solche Fälle bearbeiten, bei denen es aus Gründen der Menschenrechtskonvention unbedingt nötig sei. Dieser Notfallmechanismus soll nun im Asylgesetz verankert und nach dem geplanten Inkrafttreten Mitte Mai ausgelöst werden.
1. April 2016: Aus der aktuellen Lage „einen Notstand zu konstruieren, halte ich für verwegen“, sagt Wiens Bürgermeister Michael Häupl zu den Plänen der Regierung, die Asylgesetze zu verschärfen – weil ein Drittel der Gemeinden noch keinen einzigen Asylwerber beherbergt.
3. April 2016: Die NEOS wollen von der Regierung wissen, wie sie den behaupteten Notstand in der Flüchtlingspolitik genau begründet. "Mit dem Begriff 'Notstand' darf eine Regierung nicht willkürlich spielen", sagt Scherak.
12. April 2016: Aus dem Notstand wird die Notverordnung: Der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak erklärt, eine "Notverordnung" wäre erlaubt, "wenn es einen wirklichen Notstand gäbe". Auch wenn im Vorjahr "viele viele" Flüchtlinge durch Österreich gezogen und 90.000 Asylanträge gestellt hätten, sei bisher kein Notstand und keine Notsituation eingetreten - und auch die öffentliche Sicherheit sei nicht gefährdet, meint Nowak.
16. April 2016: Vor dem Wiener SPÖ-Parteitag protestiert mit Taferln gegen die Notverordnung: "Werner du Orban" oder "Notverordnungen waren 1933 schon out" war auf den Taferln zu lesen.
21. April 2016: Auch die Diakonie kritisiert die Notverordnung, sie wüsste gerne, was denn die Kriterien für eine Notverordnung sind bzw. wie ein Notstand genau zu definieren wäre. "Es werden keine Kriterien genannt, die die im Gesetz genannte Gefährdung der öffentlichen Ordnung und der Schutz der inneren Sicherheit in irgendeiner Form festlegen oder eingrenzen", sagt Direktor Michael Chalupka.
25. April 2016: SPÖ und ÖVP einigen sich auf ein Asylgesetz, inklusive der Möglichkeit einer Notverordnung. Diese kann die Regierung im Zusammenspiel mit dem Hauptausschuss zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit erlassen. Damit könnten dann an der Grenze keine Asyl-Anträge mehr gestellt werden und die Flüchtlinge in die Nachbarstaaten zurückgeschoben werden.
11. Mai 2016: Österreich überstellt derzeit zwar keine Asylwerber nach Ungarn, Zurückweisungen an der Grenze sollen im Fall der "Notverordnung" aber möglich sein, sagt Wolfgang Sobotka, mittlerweile Innenminister. Der Verwaltungsgerichtshof widerspricht ihm noch am selben Tag.
31. Mai 2016: Viel ist passiert in Österreich: Alexander Van der Bellen hat die Stichwahl zur Bundespräsidentenwahl gewonnen und der Kanzler heißt mittlerweile Christian Kern. Im Pressefoyer nach dem Ministerrat, das er damals noch nicht abgeschafft hatte, kündigt er an, dass nun die Vorbereitungen für eine Notverordnung starten. Wann sie startet, hänge von der Situation ab.
2. Juni 2016: Die Regierung streitet darum, wie viele Asylanträge es heuer in Österreich gab, und einigt sich letzten Endes auf die Zahl 18.950. Klingt seltsam, ist aber so.
10. Juni 2016: Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) verschärft in der Debatte um die Asyl-Notverordnung den Ton. "Wir brauchen sofort jene Verordnung, die es uns ermöglicht, Asylwerber direkt an der Grenze zurückzuweisen", sagt er.
26. Juni 2016: Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) drängt weiter auf die Asyl-Notverordnung, auch wenn die vereinbarte Obergrenze von 37.500 Anträgen noch nicht erreicht ist. "Wir müssen jetzt agieren."
11. August 2016: Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) macht erneut Druck beim Beschluss der Notverordnung.
13. August 2016: Auch Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner drängt darauf, die Asyl-Notverordnung bereit zu machen. "Wie der Innenminister halte ich eine vorbereitende Vorgangsweise für sinnvoll, also dass man schon jetzt in Begutachtung geht."
30. August 2016: Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) möchte den Entwurf für die Asyl-Notverordnung "in den nächsten Tagen" in Begutachtung schicken.
6. September 2016: Der Begutachtungsentwurf für die Asyl-Notverordnung ist fertig. Das Papier listet auf neun eng bedruckten Seiten auf, wieso Österreich es für rechtens hält, Flüchtlingen künftig ab Erreichen eines bestimmten Höchstwerts das Stellen von Asylanträgen zu erschweren. Befristet wäre diese Notverordnung zunächst auf sechs Monate, kann aber drei Mal jeweils um ein halbes Jahr verlängert werden.
6. September 2016: In der Regierung herrscht offenbar Uneinigkeit, ab wann die sogenannte Asyl-Notverordnung in Kraft treten soll. Während Kanzler Christian Kern (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) am Dienstag gemeint hatten, dies geschehe nicht vor Erreichen von 37.500 Asylverfahren, will Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) einen früheren Start.
8. September 2016: Das Innenministerium drängt weiter auf ein "rechtzeitiges" In-Kraft-Treten der Asyl-Sonderverordnung, mittels derer Asylsuchenden die Einreise erschwert werden soll. Es müsse schon vor Erreichen der politisch vereinbarten 37.500 Asylverfahren möglich sein, Asylwerber an der Grenze zurückzuweisen, damit die Zahl erst gar nicht erreicht wird, sagte eine Innenressort-Sprecherin am Donnerstag zur APA.
14. September 2016: "37.500 sind eine Zahl, mit der wir umgehen können", sagt Vizekanzler Mitterlehner und mit der Notverordnung sei man gut unterwegs.
23. September 2016: Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff lehnt die von der Regierung geplante Asyl-Notverordnung ab. Die vorgesehene Obergrenze sei "eine willkürlich festgesetzte Zahl". Die Verordnung werde den Staat nicht vor illegaler Einwanderung schützen, aber Schutzsuchende gefährden. Die Einwanderung werde "noch ungeordneter als bisher von Statten gehen", sagte er.
4. Oktober 2016: Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Montag kritisiert der Österreichischer Frauenring, die Initiative #aufstehn und die Österreichische Hochschüler_innenschaft die Maßnahme als menschenrechts-, völkerrechts- und verfassungswidrig.
6. Oktober 2016: Setzen sich die bisherigen Flüchtlingszahlen fort, wird die Sonderverordnung im Asylwesen heuer höchstens ein paar Tage in Kraft sein, wenn überhaupt. Davon ging Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) in Interviews mit Tiroler Tageszeitung und Ö1-Morgenjournal aus.
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