Niederschmetternde Kritik an türkis-blauem Standort-Gesetz
Großprojekte, die laut Meinung der Bundesregierung „standortrelevant“ sind, sollen künftig schneller genehmigt werden. Und: Dauert ein Genehmigungsverfahren länger als 18 Monate, soll die Bauerlaubnis gleich automatisch erteilt werden – unabhängig vom Stand des laufenden Prüfverfahrens.
Dieses Vorhaben hat die türkis-blaue Regierung Anfang Juli in ihr seither wild umstrittenes „Standortentwicklungsgesetz“ geschrieben. Das Ziel des Vorhabens: Projekte wie etwa die dritte Piste am Flughafen Wien-Schwechat sollen wider bestehende Umweltbedenken künftig rascher umgesetzt werden – und zwar auch ohne abgeschlossene Umweltverträglichkeitsprüfung.
Am morgigen Freitag endet die parlamentarische Begutachtungszeit des Gesetzes, in der Institutionen ihre Meinung dazu abgegeben können. Und nun, da bereits etliche Stellungnahmen eingetrudelt sind, zeigt sich: Die Kritik am Gesetz der türkisen Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck ist zu weiten Teilen niederschmetternd – und kommt längst nicht mehr nur aus der Ecke der Umwelt-Aktivisten.
So richtet etwa die Stadt Wien der Wirtschaftsministerin aus, dass es sich bei dem Gesetz um eine „wenig durchdachte Konstruktion“ handle. „Es kann nämlich durchaus passieren, dass Vorhaben als genehmigt gelten, ohne dass alle für die Realisierung erforderlichen Genehmigungstatbestände geprüft werden konnten“, heißt es im Text der Stadt. Greenpeace ortet indes einen „noch nie dagewesenen Angriff auf das Umweltrecht“, die Umweltorganisation WWF warnt vor einer „Demontage des Umweltrechts“.
Brisant: Auch ÖVP-regierte Bundesländer lassen der Ministerin der Volkspartei äußerst kritische Worte zukommen. Die Stellungnahme aus Vorarlberg etwa gipfelt in der Aussage, dass man im Gesetz „verfassungs- und unionsrechtliche Unvereinbarkeiten“ sowie „Rechtsunsicherheiten“ sehe. Die Umweltanwaltschaft in Schramböcks ÖVP-regiertem Heimatbundesland Tirol warnt zudem vor „nachteiligen ökologischen Folgen“. Einzig Landeshauptmann Günther Platter rückte am Feiertag aus, um der Ministerin seine Unterstützung bei ihrem Vorhaben zuzusichern.
Heftige Kritik kommt wiederum aus dem ebenfalls ÖVP-regierten Graz: Das Vorhaben sei „inakzeptabel“ und „zur Gänze abzulehnen“, schreibt die zuständige grüne Stadträtin. Die Kärntner Landesregierung hat indes wie mehrere namhafte Juristen und die überwiegende Mehrheit der Stellung nehmenden Institutionen „gravierende verfassungsrechtliche und unionsrechtliche Bedenken“, weil ja gewisse Umweltprüfungen je nach Ansicht der Regierung zu einem bestimmten Projekt einfach abgedreht werden sollen. Die Arbeiterkammer zeigt sich letzthin „überrascht von der Unbekümmertheit, mit der ein Vorhaben präsentiert wird, das in so viele Facetten mit Rechtswidrigkeit belastet ist“.K.Knittelfelder
Kommentare