Das Rennen um Vorzugsstimmen

Amtlicher Stimmzettel für die Nationalratswahl
Erstmals können Kandidaten auf Bundes, Landes-, und Regionalebene gewählt werden.

Der Grüne Peter Pilz spulte in diesen Wochen zig Kilometer mit seiner „Geld-zurück-Tour“ quer durch Österreich hinunter. Der Salzburger SPÖ-Mann Johann Maier verteilte seit 20. Juni in seinem Bundesland Flyer und wirbt für sich um Stimmen. Die Grüne Aygül Berivan Aslan mühte sich als Kurdin in Tirol für ihr persönliches Ergebnis auf der Landesliste ab. Noch schwerer war der Wahlkampf für Franz-Josef Huainigg, den ÖVP-Behindertensprecher: Sie alle haben eines gemeinsam. Sie werben um Vorzugsstimmen.

Premiere

Erstmals können die Wähler bei dieser Nationalratswahl drei Vorzugsstimmen vergeben – nämlich auf Bundes-, Landes- und Regionalebene. Das eröffnet Kandidaten die Möglichkeit, sich auf der Liste ganz nach oben zu katapultieren; auch, wenn sie von der Parteispitze auf den letzten Listenplatz gesetzt wurden.

Allein, die Hürde, um Platz eins zu erreichen, ist hoch (siehe unten). Der Salzburger Maier etwa braucht am Sonntag im Landeswahlkreis 7200 Vorzugsstimmen, um den Listenersten zu verdrängen. Huainigg müsste auf Bundesebene mehr als 100.000 Wähler haben, die seinen Namen auf den Wahlzettel schreiben.

Doch, dass die Gesetzesänderung, die zu einer stärkeren Bindung zwischen Wähler und Kandidaten führen soll, zu mehr direkter Demokratie führt, bezweifeln Experten wie der Politologe Fritz Plasser. „In Österreich ist das System der Vorzugsstimmen nur wenig entwickelt. Ich fürchte, das wird sich auch an diesem Wahlsonntag nicht ändern. Die Hürden für die Kandidaten, dass sich ihr persönlicher Einsatz lohnt, sind noch immer sehr hoch.“ SPÖ-Kandidat Maier sieht noch ein Problem: „Wir haben noch keine richtige Kultur für die Vergabe von Vorzugsstimmen.“

Bindung zum Wähler

Doch die Hürden schrecken die Politiker nicht. Huainigg, der ein Kampfmandat auf der VP-Bundesliste hat, ist bewusst, dass er die 100.000er Marke nur schwer schafft. Aber: „Jede einzelne Vorzugsstimme stärkt mich innerhalb der Partei.“ Auch ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger haut sich seit Wochen ins Zeug. Er fürchtet, dass die ÖVP in seinem Regional-Wahlkreis Stimmen an Neos und Grüne verlieren könnte. „Wenn wir hier mehr als drei Prozent verlieren, bin ich Geschichte.“ Und SPÖ-Abgeordnete Lisa Hakel wirbt trotz sicherem Listenplatz um Vorzugsstimmen. „Es stärkt die persönliche Ebene mit den Bürgern.“

In Tirol steht die Grüne Aslan nur auf Platz zwei der Landesliste, ein Kampfmandat: „Als Kurdin bin ich eine Minderheit einer Minderheit. Als Frau und Migrantin musste ich mich bisher im Leben auch immer durchkämpfen.“

Das Rennen um Vorzugsstimmen
APA9749758-2 - 09102012 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA 301 II - Grünen-Fraktionschef Peter Pilz am Dienstag, 9. Oktober 2012, anl. einer Sitzung des Korruptions-U-Ausschusses im Parlament in Wien. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
In manchen Parteien werben auch „Stars“ um Vorzugsstimmen, auch wenn sie einen sicheren Listenplatz haben wie der Grüne Peter Pilz oder ÖVP-Staatssekretär Sebastian Kurz: „Ich bin ein Fan des Vorzugsstimmensystems, das stärkt die Bindung zwischen Wähler und Politiker. Ich finde, die Kandidaten sollten immer nach der Anzahl der Vorzugsstimmen gereiht werden.“

Bei der FPÖ warb nur Spitzenkandidat HC Strache um Vorzugsstimmen.

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Auf Bundesebene muss der Kandidat von mindestens sieben Prozent der Wähler seiner Partei eine Vorzugsstimme erhalten, um auf der Bundeswahlliste auf Platz eins vorzurücken. Bei einer Million Stimmen wären das 70.000 Vorzugsstimmen.

Auf Landesebene müssen zehn Prozent der Wähler dem Kandidaten die Vorzugsstimme geben, damit er auf der Landesliste nach vorne rückt. Bei 100.000 Stimmen für seine Partei, benötigt der Kandidat somit mindestens 10.000 Vorzugsstimmen.

Auf Regionalebene erfolgt eine Vorreihung auf der Regionalliste, wenn der Kandidat von mindestens 14 Prozent der Wähler seiner Partei eine Vorzugsstimme erhält. Bei 10.000 Stimmen für seine Partei, benötigt der Kandidat also 1400 Vorzugsstimmen.

Wer steht am kommenden Sonntag zur Wahl?

SPÖ, ÖVP, FPÖ, BZÖ, die Grünen, das Team Stronach, die KPÖ, Neos und Piraten treten am 29. September österreichweit an. Gruppierungen wie der linksorientierte Wandel stehen nur in einzelnen Bundesländern zur Wahl.

Wer darf wählen?Jeder österreichische Staatsbürger, der am Wahltag 16 Jahre alt ist, darf wählen. Ausnahme: Rechtskräftig Verurteilten (Haftstrafe mehr als fünf Jahre wegen Delikt gegen den Staat) kann vom Richter das Wahlrecht entzogen werden. Das passive Wahlrecht, also gewählt werden zu dürfen, gilt ab Vollendung des 18. Lebensjahres am Wahltag. Eine Wahlpflicht gibt es nicht.

Wo kann ich wählen?

Überall, auch via Briefwahl, vorausgesetzt, Sie haben eine Wahlkarte. Ohne Wahlkarte muss die Stimme im Wahllokal am Wohnort abgegeben werden. „Fliegende Wahlkommissionen“ kommen, soferne sie beantragt wurden, auch zu Personen, die gehunfähig sind, nach Hause. Beim Wählen besteht Ausweispflicht. Die Wahlkommission im Wahllokal kontrolliert die persönlichen Daten.

Wie wählt man richtig?

Der Wählerwille muss klar ersichtlich sein. Im Prinzip ist nicht nur das Kreuzerl erlaubt, sondern auch andere Markierungen des Kreises am Stimmzettel. Ob ein Stimmzettel gültig oder ungültig ist, entscheiden im Zweifel die Wahlbehörden.

Wie kommt man zu einer Wahlkarte?

Diese müssen Sie in der Gemeinde, in deren Wählerevidenz Sie stehen, beantragen. Das ist schriftlich (auch per eMail) oder persönlich (in Wien beim Magistrat) möglich. Zeit dafür haben Sie bis 25. September (schriftlich) oder bis 27. September (persönlich) – wobei: Achtung auf die Zustellfristen! In der EU bzw. der Schweiz können Sie Ihre Wahlkarte auch noch am heutigen Montag bei einer österreichischen Vertretungsbehörde (Botschaft) abgeben; im Nicht-EU-Ausland war dies bis zum 20. September möglich.

Wann erfährt man die ersten Ergebnisse?

Wahlschluss ist meist 17 Uhr, am Land schließen viele Wahllokale schon früher. In Vorarlberg ist überhaupt um 13.00 Uhr Schluss. Ergebnisse dürfen erst nach Wahlschluss bekannt gegeben werden. Die Innenministerin verkündet im Laufe des Wahlabends ein vorläufiges Endergebnis (ohne Briefwahl- und sonstige Wahlkartenstimmen). Davor gibt es die TV-Hochrechnungen.

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