Nikolaus Scherak saß für die Neos in sehr vielen Verhandlungsgruppen, ehe seine Partei die Gespräche mit ÖVP und SPÖ verlassen hat. Falls nun Blau-Türkis scheitert, ist für ihn wieder Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Zug. Er muss entscheiden, ob in anderer Konstellation weiter verhandelt wird.
KURIER: Herr Scherak, wie sehr schmerzt es Sie, dass Sie nicht mehr am Verhandlungstisch für eine Koalition sitzen können?
Nikolaus Scherak: Ich habe diesbezüglich überhaupt keine Schmerzen.
Gibt es in der Politik keine Schmerzen?
Es kann sein, dass es die bei anderen gibt, aber ich bin ein sehr positiv denkender Mensch und versuche, mich nicht auf Schmerzen, sondern auf schöne Dinge im Leben zu konzentrieren. Wir haben sehr intensiv verhandelt und über Wochen hinweg versucht, einen positiven Beitrag für Österreich zu leisten. Wir haben als Neos immer eingefordert, dass man jetzt dringend notwendige Reformen wirklich angehen muss. Das war leider mit SPÖ und ÖVP nicht möglich. Insbesondere mit der SPÖ, wenn es um die Budgetkonsolidierung ging. Da wollte die SPÖ, vor allem Andreas Babler, die notwendigen Reformen nicht angehen.
Aber die Neos müssen jetzt mit dem Vorwurf leben, dass ihr Aufstehen vom Verhandlungstisch einen Kanzler Herbert Kickl ermöglicht.
Den Vorwurf hört man gelegentlich, aber ich bin überzeugt, dass er falsch ist. Was einen Kanzler Herbert Kickl ermöglicht, ist die mangelnde Reformbereitschaft. Wir haben gesagt, was staatspolitische Verantwortung bedeutet. Dass man dringend notwendige Reformen angeht, sei es im Föderalismus, sei es im Gesundheitssystem, sei es bei den Pensionen. Wenn man staatspolitische Verantwortung wahrnimmt, kann man Herbert Kickl als Bundeskanzler verhindern. Aber es kann nicht sein, dass das einzige Motiv ist, gegen jemanden zu sein, gegen die FPÖ zu sein, sondern man muss für etwas sein.
Kurz noch zu dem Tag nach dem Jahreswechsel, als die Neos plötzlich erklärt haben, dass sie sich zurückziehen. Wäre es nicht fairer gewesen, ein Ultimatum zu stellen als sofort auszusteigen?
Man war an dem Punkt, wo man sagt, dass es nicht mehr geht. Deswegen haben wir auch die Verhandlungen abgebrochen. Wir haben diese Ultimaten immer wieder gestellt und gesagt, dass das so nicht funktionieren kann. Wir haben von Anfang an gesagt, dass es eine gemeinsame Erzählung braucht, dass wir zuerst die großen Brocken aus dem Weg räumen müssen. Das wollten SPÖ und ÖVP schlichtweg nicht haben.
Ist es vielleicht auch daran gescheitert, dass die Neos zu ambitioniert waren, dass man zu viel wollte? Vielleicht hätte man als der kleinste Partner kompromissbereiter sein müssen.
Wir waren kompromissbereit. Ich habe in der Gruppe, in der es um das Budget gegangen ist, gemeinsam mit ÖVP-Klubobmann August Wöginger viele Kompromissvorschläge vorgebracht, um die SPÖ ein wenig ins Boot zu holen. Ich glaube auch nicht, dass wir zu ambitioniert in die Verhandlungen gegangen sind. Aber es war richtig, dass wir gesagt haben, dass es die notwendigen Reformen braucht, dass es vor allem eine Budgetkonsolidierung braucht, woran es schließlich gescheitert ist. Wir haben diese 18 Milliarden Euro, die uns die EU-Kommission vorgegeben hat, einsparen müssen. Mit der SPÖ war das schlichtweg nicht zu machen, weil sie sich auf dem Weg zu einem Kompromiss schließlich nach hinten bewegt hat.
Wie sehen Sie die Diskussion rund um eine Bankenabgabe, die jetzt bei den blau-türkisen Verhandlungen wieder auf dem Tisch sein soll?
Zu der Bankenabgabe gibt es viele unterschiedliche Fragen. Die SPÖ hat immer wieder von einer sogenannten Übergewinnsteuer gesprochen. Diese Diskussion kann ich schon einmal prinzipiell nicht nachvollziehen, weil ich als unternehmerisch denkender Mensch nicht verstehe, was Übergewinn bedeuten soll. Das habe ich mehrfach versucht zu hinterfragen, das konnte uns noch nicht entsprechend beantwortet werden. Darüber hinaus sehe ich auch aus meiner verfassungsrechtlichen Expertise Probleme. Die Bankenabgabe ist nach der Finanzkrise eingeführt worden, weil der Staat eingesprungen ist und die Banken aufgefangen hat. Jetzt ist der Staat nicht eingesprungen.
Bereits eine Woche nach dem Platzen der Verhandlungen ist der Finanzminister mit einem Vorschlag von Blau-Türkis nach Brüssel geflogen und hat ein Defizitverfahren abgewendet. Das ging rasch im Vergleich zu den langen Verhandlungen davor.
Grundsätzlich haben natürlich FPÖ und ÖVP den Vorteil gehabt, dass bereits über viele Wochen verhandelt und das Thema aufbereitet worden war. Natürlich ist der Finanzminister mit vielen Vorschlägen für das Jahr 2025 nach Brüssel geflogen, die leider wegen der SPÖ davor nicht möglich waren. Was der Finanzminister nicht dabei gehabt hat und wo eine zukünftige Koalition gefordert ist, sind die strukturellen Reformen. Davon lesen wir nichts.
Es waren die ersten Koalitionsverhandlungen der Neos auf Bundesebene gewesen. Was haben Sie daraus gelernt?
Ich war bei sehr, sehr vielen Verhandlungsrunden dabei. Ich habe sehr viele Untergruppen mitverhandelt und war insbesondere bei der berühmten Budgetgruppe dabei. Da lernt man, sich auch mit Themen auseinanderzusetzen, mit denen man sich davor nicht so intensiv beschäftigt hat. Da lernt man vor allem, was notwendig ist, um auf den anderen zuzugehen, weil so eine Dreierverhandlung das Ziel haben muss, für alle tragbare Kompromisse zu finden. Ich habe dort erlebt, dass sowohl die ÖVP als auch wir bereit waren, Kompromisse im Sinne der SPÖ einzugehen. Nur die SPÖ, vor allem die SPÖ rund um Andreas Babler, hatte schlichtweg kein Interesse daran, solche Kompromisse abzuschließen. Und wenn man sich anschaut, wie Andreas Babler jetzt noch im Parlament auftritt, dann habe ich irgendwie das Gefühl, dass die SPÖ rund um Babler eigentlich an einer Regierungszusammenarbeit kein Interesse hatte.
Sie beobachten jetzt die Verhandlungen von FPÖ und ÖVP von außen. Wird das etwas werden?
Das kann man nur sagen, wenn man mitten drinnen dabei ist.
Grünen-Chef Werner Kogler hat gegenüber dem KURIER gesagt, dass sich ÖVP, SPÖ und Neos noch einmal zusammensetzen sollten, um einen FPÖ-Kanzler zu verhindern. Das ist doch unrealistisch …
Mich dürfen Sie das nicht fragen. Ich glaube, dass die Verhandlungen an den handelnden Personen gescheitert sind. Es ist nicht die ganze SPÖ, die hier nicht bereit war, staatspolitische Verantwortung zu übernehmen, sondern es waren einzelne Personen. Aber zu hinterfragen, wie sich die SPÖ intern aufstellt, obliegt nicht mir. Und die Frage, wer einen Regierungsauftrag bekommt, ist die Aufgabe des Bundespräsidenten. Er hat klar gesagt, dass Herbert Kickl den Auftrag hat, eine Regierung zu bilden. Wenn er scheitert, ist die Frage, was der Herr Bundespräsident als Nächstes macht, ob er die Meinung hat, dass es sinnvoll ist, noch einmal eine Dreierkoalition zu verhandeln.
Die Neos wären grundsätzlich dazu bereit?
Wir sind immer bereit, Verantwortung zu übernehmen.
Zur ausführlichen KURIER TV-Sendung "bei Gebhart"
Nikolaus Scherak
Der Jurist und Unternehmer Nikolaus Scherak (38) war über die Junos (Junge Liberale) zu den Neos gestoßen.
2013 wurde unter seiner Führung die Landesgruppe Niederösterreich der Neos aufgebaut. Nikolaus Scherak selbst fand politisch als Mandatar im Nationalrat seinen Platz. Seit dem Jahr 2014 ist er Klubobfrau-Stellvertreter im Parlament. Bei den Verhandlungen über eine Dreier-Koalition (ÖVP, SPÖ, Neos) nach der Nationalratswahl kam ihm eine entscheidende Rolle zu. Er vertrat die Neos in der Budgetgruppe
Wenn Blau-Türkis zustande kommt und im Parlament weitere Parteien für eine Verfassungsmehrheit benötigt, sind die Neos da gesprächsbereit, oder verweigert man sich so einer Konstellation?
Wir verweigern uns auf keinen Fall. Wir haben schon bei der türkis-blauen Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz bei Themen, die uns wichtig waren, mitgestimmt. Etwa bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit. Wir werden natürlich immer konstruktiv mitarbeiten und für den Fall, dass es ein sinnvoller Gesetzesvorschlag ist, dort auch mitstimmen.
Mit Walter Rosenkranz gibt es erstmals einen FPÖ-Nationalratspräsidenten. Rund um seine Person hat es schon viele Debatten gegeben. Wie stehen Sie zu ihm?
Walter Rosenkranz hat manche Versprechen, die er gemacht hat, leider schon sehr früh gebrochen. Zum Beispiel die Ankündigung, dass er als überparteilicher Präsident auftreten will. Stattdessen hat er dann Ungarns Premier Viktor Orbán ins Parlament eingeladen, der dort nur auf Vertreter der FPÖ getroffen ist. Ansonsten habe ich an und für sich ein sehr gutes Verhältnis zum Präsidenten und kann gut mit ihm zusammenarbeiten. Die Zukunft wird weisen, ob es sich bei ihm nun verfestigt hat, dass er eine überparteiliche Rolle zu erfüllen hat.
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