Neos nominieren jüngste Spitzenkandidatin für EU-Parlamentswahl
Erst Ende Dezember feierte sie ihren 30. Geburtstag. Ein Monat später gibt es mit ziemlicher Sicherheit die nächste Zeitenwende im Leben der Claudia Gamon.
Am 26. Jänner wählen die Neos ihre EU-Spitzenkandidatin. Zwar hat sich ein Gegenkandidat für den ersten Listenplatz beworben, aber das wenig bekannte Neos-Mitglied Claus Dieter Volko hat mit hoher Wahrscheinlichkeit nur sehr geringe Chancen, das parteiinterne Prozedere zu gewinnen.
Gamon, ihren Nachnamen spricht man Betonung auf der zweiten Silbe aus, wird als jüngste aller sechs Spitzenkandidatin ins Rennen gehen. Diesen Status ist die gebürtige Vorarlbergerin schon gewohnt. Als sie 2015 als Abgeordnete angelobt wurde, war sie mit 26 Jahren nicht nur die einzige Frau, sondern auch das Küken im pinken Parlamentsklub.
Trotzdem gehörte die ehemalige Studentin für Internationale Betriebswirtschaft schon damals zu den politisch erfahreneren Köpfen im pinken Team: Beinahe von Beginn an arbeitete sie an dem politischen Aufbau der Neos mit. Zuvor, 2011, trat sie für die Jungen Liberalen (JuLis) als Spitzenkandidatin bei der Österreichischen Hochschülerschaft an – und schaffte trotz der Forderung nach den unbeliebten Studiengebühren („Es braucht ein faires Zugangsmanagement beim Studium“) den Einzug ins Studentenparlament. „Wir hatten keine Mutterpartei, kein Geld und mussten alles selber organisieren. Ich war eine Überzeugungstäterin und hatte das Glück auf Matthias Strolz zu treffen“, erzählt Gamon über ihr Anfänge.
Nun zieht es die zierliche Vorarlbergerin ins EU-Parlament. Warum? „Weil sich die junge Generation nicht mehr länger von den älteren Herren erklären lassen will, was geht und was nicht geht.“ Klientelpolitik und alte Machtregeln machen Gamon, die in Nenzing in der Nähe von Bludenz aufwuchs und deren Eltern Unternehmensberater sind, „rasend“. Auch in ihrem Vorarlberger Elternhaus wurde mit so machen traditionellen Regeln gebrochen: Die Mutter ging arbeiten, der Vater machte Kinderdienst. Auch Flüchtlinge aus Ghana und Sierra Leone fanden im Haus Gamon vorübergehend ein Zuhause. Auch das war in Vorarlberg fast revolutionär. In ihrem politischen Agieren folgt sie einem Credo: „Politik funktioniert danach, was funktioniert, damit alle ein besseres Leben haben. Mir ist evidenzbasierte Politik wichtig.“
Häufig wird von Gamon behauptet, dass sie dem umstrittenen Neoliberalismus ein Gesicht geben will. „Ich möchte wissen, wann ich das gesagt habe“, stellt sie die Gegenfrage. Doch wo würde sie sich ideologisch positionieren? „Ich sehe mich als sogenannte Ordoliberale, es braucht klare Regeln damit die Freiheit der Bürger und die des Wettbewerbs zusammen funktionieren. Mir geht es immer darum, dass man definiert, was brauchen wir in einer Gesellschaft und wofür brauchen wir einen Markt. Ein Markt ist unser gemeinsames Zusammenarbeiten, dass jeder in mehr Wohlstand leben kann“. Nein, dafür würde sie aber niemals der Privatisierung der Wasserversorgung oder anderen kommunalen Juwelen zustimmen.
Mehr als ein Mandat werden die Pinken im EU-Wahlkampf wohl nur schwer erreichen. Was kann man als Einzelkämpferin in Brüssel eigentlich ausrichten? Viel ist Gamon überzeigt. „Das Einwegplastikverbot wurde von einer Abgeordneten der ALDE (Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa) vorangetrieben und sie hat sich durchgesetzt“.
Generell fällt auf, dass Gamon sehr häufig über Klimaschutz und Umweltpolitik spricht. Eine Taktik, um Grüne Wähler anzusprechen? Für die Neos-Abgeordnete ist das keine Wahlkampf-Strategie, sondern Klimaschutz sei ein „typisches liberales Thema, denn es geht um Generationengerechtigkeit und wie man nachhaltig mit Ressourcen umgeht“.
Ihr Traum für die EU sind die Vereinigten Staaten von Europa. „Ich habe kein Verständnis dafür, dass die gewohnten europäischen Machtstrukturen, diesen Schritt nicht zulassen“. So wie Europa aber derzeit tickt, ist das aber eher ein Stoff für einen Comicroman von Neil Gaiman, die Gamon mit großer Leidenschaft liest und sammelt. „Das ist große Literatur.“
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