Neos empört: Lässt die Regierung EU-Millionen liegen?

Er soll die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abfedern und vor allem nachhaltige Investitionen fördern: Der EU-Wiederaufbauplan ARF (Aufbau- und Resilienzfazilität, Anm.). Die EU stellt den Mitgliedsstaaten insgesamt 648 Milliarden Euro zur Verfügung. Alleine Österreich wurden von 2020 bis 2026 Förderungen in Höhe von vier Milliarden Euro genehmigt. Das Geld wird in sechs Tranchen ausbezahlt. Die zweite und dritte Auszahlungstranche sind im Budget 2024 mit 1,62 Milliarden Euro veranschlagt.
Die Neos befürchten nun, dass die türkis-grüne Bundesregierung Millionen an Fördergeldern „einfach liegen“ lässt. Budgetsprecherin Karin Doppelbauer bezieht sich in ihrer Kritik auf eine parlamentarische Anfrage an Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP).
ÖVP und Grüne blockieren einander bei Reformen
Worum es geht: Im Gegenzug für die Förderungen müssen sich die EU-Staaten gegenüber der EU dazu verpflichten, diverse „Meilensteine“, also Reformen, zeitgerecht zu erfüllen. Wird ein Meilenstein nicht umgesetzt, droht Österreich ein Verlust von Fördergeldern. Brunners Anfragebeantwortung zeige, dass Türkis-Grün untätig sei, meint Doppelbauer.
Bis zum 14. April 2024 wurden zwar 35 Meilensteine von den zuständigen Ministerien erfüllt, vier allerdings noch nicht. „Jene Maßnahmen, die noch nicht erfüllt sind, sollen noch bis zum Ende der Legislaturperiode abgeschlossen werden“, so Brunner in der Anfragebeantwortung. Davon sei derzeit auch auszugehen.
Zwei Meilensteine betreffen den aktuellen Zahlungsantrag, für den in Summe 922,7 Millionen Euro vorgesehen sind: das „automatische Pensionssplitting“ und der „verpflichtende Klimacheck für neue Gesetzesvorschläge“. Können sich ÖVP und Grüne auf diese Punkte nicht mehr einigen, obliegt es dem Ermessen der EU-Kommission, wie viel Geld sie abzieht. Maximal könnten pro Meilenstein rund 110, in Summe also 220 Millionen Euro von der EU abgezogen werden. „Wie kommen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler dazu, für die Untätigkeit der Regierung zahlen zu müssen?“, kritisiert Doppelbauer.
EU-interne Kritik
Im EU-Durchschnitt wurden bisher übrigens rund 80 Prozent der Meilensteine nicht erfüllt. Österreich hat 25 Prozent seiner Meilensteine erreicht – und liegt damit über dem EU-Durchschnitt. Fünf EU-Staaten haben laut EU-Kommission bisher keinen einzigen Meilenstein erreicht. Heißt: Es droht, dass sich viele Staaten nicht an die Vorgaben halten. Nicht nur deshalb steht der Wiederaufbaufonds, für den die EU rund 730 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufgenommen hat, unter Kritik.
Der EU-Rechnungshof und das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung orteten bereits das Risiko von Unregelmäßigkeiten oder Korruption. Kern der Kritik: Beim Wiederaufbaufonds gebe es zu wenig Kontrolle durch die EU-Kommission und Selbstkontrolle durch die EU-Staaten. „Unsere Berichte zeigen, dass wir uns noch nicht vollständig auf die Arbeit der nationalen Stellen verlassen können, wenn es um die Kontrolle der EU-Mittel geht. Wir haben daher ernsthafte Vorbehalte“, sagte Tony Murphy, Präsident des EU-Rechnungshofes.
2023 leitete die Europäische Staatsanwaltschaft zum Beispiel über 230 Ermittlungen im Zusammenhang mit dem ARF ein. So sollen beispielsweise 20 Verdächtige über Scheinfirmen mehr als 600 Millionen Euro erschlichen haben.
Um die Folgen der Pandemie zu dämpfen, hat die EU viel Geld am Kapitalmarkt aufgenommen. Die Mittel werden größtenteils in Form von nicht rückzahlbaren Beihilfen und Krediten an die EU-Staaten vergeben – die im Gegenzug etwa Klimaschutzziele umsetzen müssen. Insgesamt stehen 648 Milliarden Euro zur Verfügung, bisher wurde rund ein Drittel ausbezahlt. Bis 2058 muss die EU das aufgenommene Kapital zurückzahlen. Geht sich das aus? Die EU setzt vor allem auf neue Einnahmen, zum Beispiel aus dem Handel mit CO2-Emissionen
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