Nehammer in Berlin: Angst vor einem Kontrollverlust

GERMANY-EU-POLITICS-DIPLOMACY
In kleinen Gruppen beraten Regierungschefs die strategische Zukunft der EU. Karl Nehammer war in Berlin dabei.

Die Idee war beim EU-Gipfeltreffen in Granada geboren worden. In kleineren Gruppen treffen sich Staats- und Regierungschefs, um über längerfristige Ziele für die EU zu diskutieren. Initiiert wurde dieser Austausch über eine Zukunftsstrategie vom Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel. Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist bei der Berliner Runde dabei, die am Montagabend tagte.

Gastgeber war der deutsche SPD-Kanzler Olaf Scholz, mit am Tisch Staaten wie Belgien, Griechenland, Litauen, Ungarn oder Zypern. Nehammer pochte bei dem Gespräch vor allem die Themen Migration, die Stärkung der EU-Wettbewerbsfähigkeit in der Welt und einen ehrlichen Ansatz in Bezug auf die Erweiterung der EU.

Asylsystem ist kaputt

Bei der Migration forderte Nehammer einen Paradigmenwechsel. Mittlerweile würden auch immer mehr Regierungschefs auf eine striktere Linie umschwenken. Nehammer: „Es gibt eine immer stärker werdende Allianz, die den Ernst der Lage auch in aller Deutlichkeit anspricht. Denn das Asylsystem ist kaputt. Wir brauchen die gesicherte Kontrolle darüber, wer die EU-Außengrenzen überquert und eine verstärkte Zusammenarbeit mit sicheren Drittstaaten. Wir können uns diesen Kontrollverlust nicht leisten, denn der Außengrenzschutz ist eine Frage der Sicherheit der gesamten EU.“ Entscheidend sei die Zusammenarbeit mit Drittstaaten, damit sich Flüchtlinge gar nicht auf den gefährlichen Weg nach Europa aufmachen würden.

Wenn es um den Beitritt zur EU geht, dann will Karl Nehammer einen ehrlichen und fairen Prozess. Das deponierte er in Berlin wenige Tage nach der Ankündigung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass es eine Beitrittsperspektive für die Ukraine gibt. Nehammer: „Der EU-Erweiterungsprozess schafft großen Ansporn für Reformen und exportiert Stabilität in unsere Nachbarschaft. Daher sind wir stets ein Unterstützer der EU-Beitrittsperspektive des Westbalkans gewesen und werden dies weiterhin sein.“

Ein Hinweis, dass bei allen Debatten um die Ukraine der Westbalkan nicht vergessen werden dürfte. Oder wie es der Kanzler formulierte: Die Kriterien und Bedingungen müssten von allen Kandidaten zur Gänze eingehalten werden. Es könne kein „Fast-Track-Verfahren“ für manche Kandidaten geben.

Bei der Frage der Wettbewerbsfähigkeit kam aus Österreich ein Seitenhieb in Richtung der derzeitigen Politik der EU-Kommission. Nehammer: „Es ist Zeit, wieder die richtigen Prioritäten zu setzen. Fortschritt und Innovation statt Verbote.“

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