Volksgesetzgebung: Beschluss vor Wahl fraglich

APA10714708 - 19122012 - WIEN - ÖSTERREICH: vlnr.: ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf und SPÖ-Klubobmann Josef Cap am Mittwoch, 19. Dezember 2012, während einer PK zum Thema "Direkte Demokratie" in Wien. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH
Tauziehen um Reform geht weiter: VP-Justizsprecher gegen Plebiszite über Steuern und Budget.

Die Bürger bekommen mehr Mitspracherechte. Wie viele und wann, das bleibt noch offen. Denn SPÖ, ÖVP und Grüne haben auf Kritik von Heinz Fischer abwärts reagiert. Für den sensiblen Gesetzesentwurf (siehe unten) gibt es nun doch eine sechswöchige Nachdenkpause – Experten überprüfen ihn. Sie endet lange nach Parlamentssommer-Schluss, Anfang August.

Wird diese große Reform also noch vor der Wahl am 29. September in einer Sondersitzung beschlossen? „Man kann nicht verbindlich sagen, wann das beschlossen wird. Das hängt vom Umfang und den Hinweisen in der Begutachtung ab. Das muss alles bewertet werden“, sagt Josef Cap zum KURIER. So argumentiert auch sein ÖVP-Gegenüber Karlheinz Kopf. Ob es vor der Wahl etwas wird, hängt für ihn „auch von der innenpolitischen Stimmung ab. Nach der Begutachtung sind wir schon voll im Wahlkampf. Es ist die Frage, ob man da noch sachlich und seriös diskutieren kann – oder ob wir in einer Phase der fokussierten Unvernunft sind.“

ÖVP-Staatssekretär Sebastian Kurz, Initiator der Demokratiereform, mahnt via KURIER Tempo ein: „Es ist wichtig, dass das Paket bald beschlossen wird. Zeitlich geht sich das problemlos aus. Ich hoffe, dass die Begutachtung nicht gewollt wird, um das Gesetz hinauszuzögern.“

Nach dem jetzigen Entwurf dürfen die Bürger fortan bei vielen Themen mitreden. Ausgenommen sollen nur das EU-Recht, Völkerrecht sowie Grund- und Freiheitsrechte sein. Damit könnte etwa die SPÖ ein Plebiszit über Vermögenssteuern unterstützen. Was die ÖVP nicht wollte. Warum lässt sie Steuerfragen nun zu? „Das auszuklammern war nicht konsensfähig mit SPÖ und Grünen“, sagt Kopf. Cap liebäugelt bereits mit einem solchen Volksbegehren: „Ich hoffe, dass aus der Bevölkerung eine Initiative kommt, wenn die ÖVP weiter gegen Millionärssteuern ist.“Kopf warnt Cap: „Erstens wäre das ein Missbrauch, weil das ja kein Instrument für Parteien, sondern für die Bürger sein soll. Zweitens wäre es nicht ratsam, wenn man sich auf eine neuerliche Koalition verständigt. Man sollte einen Regierungspakt nicht auf diese Art unterlaufen. Da würde die Koalition keine fünf Jahre überleben.“

Vorerst muss Kopf eigene Leute auf Linie bringen. Mandatar Michael Ikrath würde dem Gesetz „aus jetziger Sicht nicht zustimmen – weil Budget- und Steuerfragen nicht ausgenommen sind. Das sind besonders populismusanfällige Themen. Es besteht die Gefahr, dass wir von einer repräsentativen zu einer Kampagnen-Demokratie kommen“, sagt Ikrath zum KURIER. „Ich möchte nicht, dass der Boulevard zu einem Pseudo-Gesetzgeber wird.“ Auch „Parlamentarismus-Fragen“ seien auszuklammern, etwa jene, „die Zahl der Abgeordneten zu verringern oder den Bundesrat abzuschaffen“. Ikrath hofft, „in der Begutachtung genügend Unterstützung zu bekommen“, um das zu Fall zu bringen, was für ihn inakzeptabel ist.

Bürgermitsprache-Plan

Volksbefragung Soll es geben, wenn 10 Prozent der Wahlberechtigten (rund 600.000) ein Volksbegehren unterstützen, das ein einfaches Gesetz berührt – und das Parlament die Initiative nicht von sich aus umsetzt. Geht es um ein Verfassungsgesetz, müssen 15 Prozent das Volksbegehren unterschreiben, damit es hernach eine Volksbefragung gibt – sofern das Parlament die Initiative nicht von sich aus umsetzt.

Ausnahmen Verstöße gegen das EU-Recht, gegen das Völkerrecht, gegen Grund- und Freiheitsrechte.

Kommentare