Nach Straches Ibiza-Affäre: Rücktritt und Neuwahlen gefordert
Wie zu erwarten, dauerte es nach Bekanntwerden der Ibiza-Affäre um mögliche verdeckte Parteispenden Vizekanzler Heinz-Christian Strache nicht lange, bis die Opposition den FPÖ-Chef zum Rücktritt aufforderte und nach Neuwahlen rief.
„FPÖ-Vizekanzler Strache ist nicht mehr tragbar. Sein Rücktritt ist nach dieser Videosequenz zwingend. Das Gleiche gilt für Klubobmann Gudenus“, sagte SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner in Reaktion auf die heute, Freitag, im „Spiegel“ und anderen Medien bekannt gewordenen Videos von Strache und Gudenus aus dem Jahr 2017.
„Das Video zeigt alles, sagt alles und lässt tief blicken. Der Weg in die illiberale Demokratie - für manche offenbar ein Synonym für Kleptokratie - war lange geplant. Es ist Zeit, diesem Spuk ein Ende zu machen. Strache und Gudenus müssen heute noch zurücktreten. Für Bundeskanzler Kurz gibt es nur einen Weg: Der Gang zum Bundespräsidenten. Er hat sich für diese Koalition entschieden. Er muss die Verantwortung dafür übernehmen“, fordert Rendi-Wagner weiter.
Auch der rote EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder verlangt sofortige Konsequenzen. „ÖVP-Kanzler Kurz kann hier nicht länger wegschauen. Kurz darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Er trägt genauso Verantwortung, denn er hat sehenden Auges die FPÖ und ihre Praktiken in die Regierung geholt. Strache muss angesichts dieses wohl größten politischen Skandals der Zweiten Republik sofort zurücktreten und ÖVP-Kanzler Kurz muss unverzüglich beim Bundespräsidenten vorstellig werden“, betonte Schieder.
"Bereit, Demokratie zu verkaufen"
„Die heutigen Enthüllungen deutscher Medien bestätigen unsere schlimmsten Befürchtungen. Strache ist offenbar gegen Geld bereit, die europäische Demokratie an Russland zu verkaufen und nach dem Muster illiberaler Demokratien umzubauen. Zu befürchten ist, dass auch die rechten Freunde Straches wie Le Pen, Salvini & Co., deren Russland-Connections notorisch sind, genau dieselben antidemokratischen Praktiken verfolgen und damit Europa und der Demokratie schweren Schaden zufügen“, so Schieder wieder.
„Wiederholt sich der ewige blaue Kreislauf, Oppositionsbank - Regierungsbank - Anklagebank?“, fragt sich unterdessen Werner Kogler, Bundessprecher und EU-Spitzenkandidat der Grünen. Eine Frage, die er gleich an Bundeskanzler Kurz weitergibt: „Was soll noch alles passieren, bis die 'neue ÖVP' wieder zur Besinnung kommt und ethische Grundsätze vor Machtgeilheit stellt? Kanzler Kurz bleibt eigentlich nur eine Möglichkeit: Die Regierung mit dieser blauen Bande aufkündigen. Oder er wird selbst untragbar."
"Verdacht genereller Käuflichkeit"
Kogler geht davon aus, dass die Staatsanwaltschaft rasch die notwendigen Überprüfungen und Bewertungen des möglichen Korruptionsfalls in Angriff nimmt. Für den Grünen-Chef ist auch völlig klar, dass die FPÖ umgehend alle Einnahmen offenlegen muss, um ihre Wahlkampffinanzen endlich transparent zu machen: “Wer sich derart andient, zieht unweigerlich den Verdacht der generellen Käuflichkeit auf sich."
Für Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sind sowohl Strache als auch FPÖ-Klubchef Johann Gudenus rücktrittsreif. „Diese Regierung ist am Ende, das muss auch Sebastian Kurz einsehen. An Neuwahlen führt kein Weg mehr vorbei.“ Meinl-Reisinger verweist darauf, dass man erst gestern im Parlament von der FPÖ verlacht worden sei, weil man ihre Russland-Verbindungen thematisiert habe: „Von Verschwörungstheorien kann wohl keine Rede mehr sein.“
"Völlig verluderte Gesellschaft"
„Vizekanzler Strache ist für Österreich nicht mehr tragbar. Bundeskanzler Kurz muss ihn augenblicklich entlassen“, fordern die Klubobleute von Jetzt, Wolfgang Zinggl und Bruno Rossmann. Das Video zeige Strache und Gudenus nicht als Repräsentanten der Republik, „sondern einer völlig verluderten Gesellschaft“. Und: „Ganz Österreich ist unendlich blamiert - die Welt lacht über ein Österreich mit einem Vizekanzler, der die Zuneigung einer russischen Oligarchin sucht.“
ÖVP-EU-Spitzenkandidat Othmar Karas wollte das Video vorerst nicht kommentieren. Er habe bisher nur davon gehört und es noch nicht sehen können, sagte Karas der APA am Rande einer Medienveranstaltung im Ausseerland.
Der frühere ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner sagte am Rande einer Veranstaltung in Eichgraben, er gehe davon aus, dass Infrastrukturminister Norbert Hofer Strache ablösen, es aber keine Neuwahlen geben werde.
FPÖ-General: Anwälte prüfen
FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker schrieb in einer Aussendung, „derzeit prüfen unsere Rechtsanwälte das uns zugängliche Material. Da das Video ganz offensichtlich illegal aufgenommen wurde, bereiten wir auch entsprechende Rechtsschritte vor.“
Wenn ein derartiges Video, das zwei Jahre alt ist, eine Woche vor der EU-Wahl an die Öffentlichkeit gebracht werde, stelle sich natürlich auch die Frage, wer daraus Nutzen ziehe. Das erinnere verdächtig an die sattsam bekannten schmutzigen Silberstein-Methoden aus dem Nationalratswahlkampf 2017 mit dem Versuch eines politischen Auftrags-Attentats, so Silberstein.
Wie Hafenecker betonte, hätten sowohl Strache als auch die FPÖ niemals irgendwelche Vorteile von diesen Personen erhalten oder selbigen gewährt. Auch seien von den genannten Personen und Unternehmen keine Spenden an die FPÖ eingegangen.
Hafenecker wies weiters darauf hin, dass von Strache in diesem Gespräch bei allen Themen die relevanten gesetzlichen Bestimmungen und die Notwendigkeit der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung mehrmals betont worden sind. Das gelte auch für allenfalls in Aussicht gestellte Parteispenden bzw. Spenden an gemeinnützige Vereine im Sinne der jeweiligen Vereinsstatuten.
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