Tags darauf reiste Österreichs Integrationsministerin Susanne Raab nach Paris. Ihr Auftrag: Erforschen, wie die Franzosen mit ihren „Banlieues“, den von extremen sozialen Spannungen gekennzeichneten Vororten, umgehen. Aus Sicht der Franzosen kommt der Arbeitsbesuch zur Unzeit: Sonia Backès, die für Integration zuständige Staatssekretärin in Frankreich, weicht dem Thema vor den ausländischen Journalisten aus. Die Krawallnacht sei auch beim Termin mit Amtskollegin Raab nicht groß thematisiert worden, sagt sie, und verweist auf die Zuständigkeit des Innenministeriums.
Lieber spricht sie über gemeinsame Präventionsmaßnahmen gegen Radikalisierung. Der Austausch soll nun vertieft werden, eine Gelegenheit bietet sich im Herbst beim Vienna Forum, einer Expertenkonferenz zum Thema Extremismus.
➤ Als der 17-Jährige unvermittelt wieder losfuhr, fiel der tödliche Schuss
Die beiden – Backès und Raab – eint „trotz regionaler Unterschiede“, wie sie sagen, eine Strategie: Parallelgesellschaften aufbrechen und Integration ermöglichen, damit soziale Brennpunkte und Spannungen gar nicht erst entstehen. Diese seien der Nährboden für Gewalt. Raab sagt später zu den Geschehnissen der Nacht: „Die Situation ist erschütternd. Polizeigewalt ist zu verurteilen. Genauso ist es zu verurteilen, wenn Einsatzkräfte attackiert und Autos angezündet werden.“ Wenn so etwas passiert, sei das das Gegenteil von Integration. Wobei die Hintergründe des Vorfalls – und der späteren Proteste – noch unklar sind, wie auch von offizieller Seite betont wird.
Am späteren Nachmittag meldet sich dann der französische Präsident Emmanuel Macron zu Wort. Den tödlichen Schuss verurteilt er als „unverzeihlich“. Die Wahrheit müsse nun rasch herausgefunden werden, sagt er – ruft aber auch eindringlich zu „Ruhe im Land“ auf. Die Sorge, dass sich die Proteste weiter ausbreiten, ist groß. Für heute, Donnerstag, wurde ein „Weißer Marsch“ mit mehreren Tausend Menschen angekündigt.
Totschlagverdacht
Der Todesschütze ist unterdessen in Polizeigewahrsam. Gegen den 38-Jährigen wird wegen Totschlagverdachts ermittelt. Zum Vorfall gibt es ein Video, das zeigt, wie der Beamte seine Waffe auf das stehende Auto richtet. Als der 17-Jährige am Steuer plötzlich losfährt, schießt der Polizist auf ihn.
Der Arbeitsbesuch von Ministerin Raab musste übrigens umgeplant werden: Für heute wäre ein Besuch in Mantes-la-Ville geplant gewesen – dies ist aber ausgerechnet die Vorstadt, in der in der Nacht das Rathaus gebrannt hatte. Das französische Innenministerium hat den Besuch deshalb abgesagt – die Sicherheit der Delegation könne nicht garantiert werden, hieß es.
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