Ministerin Oberhauser legt Plan für Primärversorgung vor

Ministerin Oberhauser legt Plan für Primärversorgung vor
Spitäler und Ambulanzen sollen so entlastet werde. Ärztekammer ist gegen den Vorschlag Oberhausers.

Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) hat am Donnerstag eine erste Punktation für ihren Gesetzesentwurf zur Einrichtung von Primärversorgungszentren vorgelegt. Die Verhandlungen darüber will sie im September beginnen. Für Zündstoff könnte der Plan sorgen, neben einem bundesweit einheitlichen Gesamtvertrag auch Einzelverträge mit jeder einzelnen Primärversorgungs-Einheit zu schließen.

Im Gespräch mit der APA kündigte Oberhauser an, dass im September die Verhandlungen mit dem Koalitionspartner, mit den Ländern und der Sozialversicherung starten werden. Auch die Ärztekammer wird eingebunden, deren Spitze habe die Punktation auch bereits erhalten. Die Gesundheitsministerin erwartet "schwierige Verhandlungen", weil man "Neuland" betrete und auch neue Verträge schaffen werde. Oberhauser will das Gesetz trotzdem "so schnell wie möglich" fertig haben. Ziel sei es, noch heuer mit dem parlamentarischen Prozess zu beginnen.

Mit der neuen Primärversorgung sollen im Zuge der bereits beschlossenen Gesundheitsreform Ärzte, verschiedene Therapeuten und Pflegefachkräfte ganztätig für die Patienten zur Verfügung stehen und damit die Spitäler und Ambulanzen entlasten. Dafür können entweder neue Zentren errichtet oder bestehende Einrichtung vernetzt werden. Die neue Primärversorgungs-Einheiten sollen zusätzlich zu den bestehenden Hausärzten kommen, es soll keinen Eingriff in bestehende Vertragsverhältnisse und keinen Zwang zum Umstieg geben, sondern Anreize. Bereits bestehenden Arztpraxen mit Kassenvertrag ist der Vorzug zu geben.

Einzelverträge mit Primärversorgungs-Einheiten

Heikelster Punkt dürfte sein, dass zwar ein neuer bundesweit einheitlicher Gesamtvertrag vorgesehen ist, der die Grundzüge regeln soll. Dazu soll aber die Sozialversicherung Einzelverträge mit jeder Primärversorgungs-Einheit abschließen. Diese müssen ein Konzept vorlegen, dann wird ein Einzelvertrag mit detaillierten Regelungen über die zu erbringenden Leistungen abgeschlossen - nicht nur über ärztliche Leistungen und deren Honorierung, sondern über alle Leistungen der Einheit, z.B. Prävention, Physiotherapie, Ernährungsberatung, Sozialarbeiter, etc.

Solche Einzelverträge hat die Ärztekammer bereits entschieden abgelehnt, Präsident Artur Wechselberger hatte angekündigt, dass die Standesvertretung diese "nicht hinnehmen" könnte. Oberhauser verteidigte die Einzelverträge nun aber damit, dass es je nach den regionalen Gegebenheiten auch unterschiedliche Anforderungen gebe, auf die man speziell eingehen müsse.

Nur mit E-Card

Rechtlich gesehen muss jede Primärversorgungs-Einheit - egal ob Zentrum oder vernetzten Einheit - als eine juristische Person und als Organisationseinheit auftreten. Es müsse für die Patienten "ein vis-a-vis" geben, betonte Oberhauser. Sie stellte auch klar, dass nur Sachleistungen angeboten werden dürfen, die mit der E-Card abgegolten werden, und keine Wahlarztzentren. Es kann damit keine Primärversorgungs-Einheit ohne Vertrag mit der Sozialversicherung geben.

Offen ist die Gesundheitsministerin bezüglich der Rechtsform. Möglich wären neben Gruppenpraxen etwa auch selbstständige Ambulatorien. Dass dann auch Ärzte andere Ärzte anstellen können, wie das die Ärztekammer schon seit langem fordert und wie das auch in Ambulatorien der Fall ist, "kann durchaus herauskommen", zeigte sich der Gesundheitsministerin gesprächsbereit.

Nicht folgen kann Oberhauser allerdings der Argumentation der Ärztekammer, dass ein solches "Primary Health Care"-Gesetz (PHC-Gesetz) überhaupt nicht notwendig sei, weil ohnehin alles im ASVG geregelt sei. Die Gesundheitsministerin verwies darauf, dass es derzeit keine klaren Spielregeln gebe, diese müsse man festschreiben. Und sie verwies auch darauf, dass eben deshalb Ingrid Reischl, die Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse, und der Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, Johannes Steinhart, bezüglich der Verträge für das derzeit einzige Pilotprojekt in der Wiener Mariahilfer Straße angezeigt worden seien.

Die Ärztekammer lehnt die Pläne von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) zur Einrichtung einer neuen Primärversorgung ab. Präsident Artur Wechselberger erklärte gegenüber der APA, in dem Papier "steht nichts Neues". Für ihn erschließe sich der Sinn des geplanten Gesetzes nach wie vor nicht, außer man habe die Absicht die Ärztekammer aus dem gesamten Prozess heraus zu halten.

Wechselberger verwies darauf, dass es auch jetzt schon einen Gesamtvertrag mit der Ärztekammer gebe, von dem dann die Einzelverträge mit den Ärzten abgeleitet werden. Wenn man das auch für die Primärversorgung wolle, brauche man kein eigenes Gesetz, "das stehe schon im ASVG", argumentierte der Ärztekammer-Präsident.

Er vermutet allerdings, dass man den Gesamtvertrag für die Primärversorgung unter Ausschluss der Ärztekammer machen will und damit die einzelnen Ärzte ohne Schutz der Kammer dastünden. Grund für seine Vermutung ist, dass nirgendwo stehe, wer die Vertragspartner sein sollen. Aber die Ärztekammer "kann nicht zuschauen", wenn sie in die Vertragsgestaltung nicht eingebunden ist, betonte Wechselberger.

Dem Präsident fehlt auch die Einbindung der Ärzteschaft in die Bedarfsplanung und in die Erstellung des Stellenplans. Dies solle nach den derzeitigen Plänen nach der regionalen Zielsteuerung ohne Einbindung der Ärztekammer erfolgen.

"Konstrukte, die nicht funktionieren werden"

Unnötig verkompliziert wird das ganze nach Ansicht Wechselbergers auch durch die Absicht Oberhausers, dass die Primärversorgungs-Einheiten eine eigene Rechtspersönlichkeit haben sollen. "Vom Praktischen her" sei es jetzt schon schwierig, eine Praxis zu gründen. Wenn sich dann noch mehrere Personen zusammenschließen, eine Rechtsperson gründen und dann gemeinsam einen Vertrag schließen sollen - "wie soll das in der Realität gehe?", fragt sich der Ärztekammer-Präsident. Hier würden "Konstrukte produziert, die nicht funktionieren werden".

Offen ist für Wechselberger auch, wie es mit der Verantwortung in dem System aussehen werde. Er kritisiert, dass die Gruppenpraxen schon jetzt ein "Mauerblümchen-Dasein" fristen, weil sie so kompliziert seien. Das Angebot Oberhausers, über eine Anstellung von Ärzten durch andere Ärzte gesprächsbereit zu sein, ist für Wechselberger "kein Geschenk". Das sei eine 20 Jahre alte Forderung der Ärztekammer, die Gesundheitsministerin komme damit nur einer dringenden Versorgungsnotwendigkeit nach.

Ursula Frohner, die Präsidentin des Österreichischen Gesundheits-und Krankenpflegeverbandes, beklagte, dass nach wie vor nicht klar sei, wie die Pflegeleistungen transparent dargestellt und abgerechnet werden sollen. Sie fordert daher wie in Deutschland einen Honorarkatalog für Pflegeleistungen.

Zustimmung

Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger und die Wiener Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) begrüßen die Pläne von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) zur Einrichtung einer neuen Primärversorgung. Auch die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) hält das geplante Gesetz für nötig. Der Krankenpflegeverband fordert einen Honorarkatalog auch für Pflegeleistungen.

Hauptverbands-Chef Peter McDonald begrüßte in einer Aussendung, dass Oberhauser mit rechtlichen Rahmenbedingungen Klarheit für Ärzte und Sozialversicherungen schaffen wolle. "Bessere Vernetzung und ganztägige Erreichbarkeit sind im Interesse der Patienten", betonte McDonald. Der Hausärzte-Bereich werde damit gestärkt und zur Entlastung der Spitalsambulanzen werde in den kommenden Jahren ein ergänzendes Versorgungsangebot im niedergelassenen Bereich geschaffen. Für Ärzte und andere Gesundheitsberufe bieten die neuen Versorgungsformen ein breiteres Aufgabenspektrum, Arbeit im Team und die Chance auf Verbesserung der Work-Life-Balance, meinte der Hauptverbands-Chef.

Auch Wehsely hob die Vorteile für die Patienten hervor. Mit der Primärversorgung werde eine umfassende und wohnortnahe Versorgung sichergestellt. Außerdem würden attraktive Rahmenbedingungen für die Gesundheitsberufe geschaffen, damit auch junge Ärzte wieder eine Perspektive in dem Beruf sehen.

WGKK-Obfrau Ingrid Reischl begrüßte die Ausweitung und Stärkung der Primärversorgung ebenfalls und glaubt, dass durch die gesetzliche Grundlage mehr solcher Einrichtungen möglich werden. Sie verwies auf positive Erfahrung mit dem Pilotprojekt in der Wiener Mariahilfer-Straße und meint, dass ohne eine gesetzliche Regelung eine breitere Umsetzung kaum möglich wäre.

Kommentare