Michael Ludwig: „Wir lassen niemanden im Stich“
KURIER: Herr Ludwig, vier Wochen vor Weihnachten werden 27 SPÖ-Mitarbeiter per eMail gekündigt. Ist das die neue Menschlichkeit, die die SPÖ im Wahlkampf plakatiert hat?
Michael Ludwig: Es ist sehr unerfreulich, wenn aus finanziellen Gründen Menschen ihren Job verlieren. Deswegen habe ich als Wiener Parteivorsitzender gemeinsam mit anderen Landesorganisationen vorgeschlagen, dass wir Lösungen für die Betroffenen finden werden und ihnen entsprechende Angebote machen. Wir lassen niemanden im Stich.
Wie viele Betroffene werden ein Angebot bekommen?
Ich gehe davon aus, dass wir Angebote für alle Betroffenen machen können. Ich möchte noch hinzufügen, dass die Betroffenen nicht über Mail gekündigt wurden, sondern es sind Gespräche angekündigt worden. Wichtig war, dass die Mitarbeiter informiert wurden, bevor sie es aus den Medien erfahren. Denn ab einer gewissen Anzahl von Beschäftigten, die nicht mehr in ihrem Job tätig sein können, ist eine Vorwarnstufe in Form einer Meldung beim AMS notwendig.
Stünden wir kurz vor dem 1. Mai, dann würde Rendi-Wagner wahrscheinlich ausgepfiffen werden wie Werner Faymann 2016. Kann man die Wut noch einfangen?
Wut ist kein guter Ratgeber bei der Lösung von Herausforderungen. Wenn zu recht Solidarität mit den Betroffenen verlangt wird, die hier ihren Job verlieren, dann ist nicht Wut angesagt. Es sind alle dazu aufgefordert, darüber nachzudenken, wie man der Bundespartei Solidarität liefern kann, die sich in einer angespannten finanziellen und politischen Situation befindet.
Haben Sie mit Christian Deutsch, der ein Wunschkandidat von Ihnen war, ein Gespräch geführt, warum er so unsensibel in dieser Situation agiert hat?
Ich habe keine Frauen und Männer von und für mich. Ratschläge sind auch Schläge. Ich bin nicht in dieser Funktion und kann es auch nicht beurteilen, wie sich die finanzielle Situation in der Bundespartei entwickelt hat.
Wenn man Ihre Argumentation hört, dann verstehen Sie die Rücktrittsaufforderungen in Richtung Pamela Rendi-Wagner offenbar nicht ...
Die Frage ist: Was löst das für ein Problem?
Weil sie intern extrem angeschlagen ist. Warum ist sie denn für Sie noch die richtige Parteichefin?
Ich habe meine Unterstützung, so wie alle anderen Mitglieder des Parteipräsidiums, nicht nur ihr gegenüber, sondern auch in der Öffentlichkeit kundgetan. Wir sind eine Solidargemeinschaft. Da sollten wir in schwierigen Zeiten zusammenstehen, und uns nicht wechselseitig Rücktrittsaufforderungen zurufen.
Auch Peter Kaiser hat nach der schlechten steirischen Landtagswahl einen offenen Brief geschrieben, wo er meinte, sein sozialdemokratisches Herz blute jeden Tag. Wie sehr blutet Ihr Herz?
Natürlich bin auch ich von Emotionen begleitet, aber das hilft niemandem. Weder den Betroffenen, noch der Partei. Man sollte mit heißem Herzen, aber auch mit kühlem Kopf darüber nachdenken, dass sich die Situation der Sozialdemokratie verbessert. Denn ich bin nach wie vor überzeugt, dass die Menschen auch künftig die Sozialdemokratie brauchen werden.
Daher muss sicher gestellt werden, dass wir uns nicht täglich mit uns beschäftigen, sondern auch politisch in die Offensive kommen. Wir müssen uns mit dem beschäftigen, was die Menschen interessiert. Denn wir haben gute politische Themen. Aber das Schauspiel, das wir hier bieten, ist nicht dazu angetan, dass wir Unterstützung aus der Bevölkerung bekommen.
In die Offensive kommen, kann das Rendi-Wagner noch?
Sie ist erst vor kurzem beim Bundesparteitag mit großer Zustimmung gewählt worden. Man sollte immer jene Menschen, die man wählt, auch mit einer entsprechenden politischen Rückendeckung ausstatten. Wenn man einen Wechsel will, muss man das auch sagen. Dann muss man auch sagen, wer bereit ist, so eine Funktion zu übernehmen und das auch vorschlagen. Ich höre das nur nicht in den Parteigremien und lese es aber dann in den Zeitungen.
Es hat für mich keinen Sinn, wenn wir uns selbst zerstören und jene Menschen, die an der Spitze der Partei stehen, ständig selbst abmontieren. Und bei dieser Gelegenheit auch gleich jene ins Gespräch bringt, die man gleich mit umbringen will. Das scheint mir eine sehr destruktive Linie zu sein. Mir wäre es lieber, wenn man sich in vertrauensvollen Runden bespricht, statt die Parteivorsitzende scheibchenweise abzumontieren, ohne einen Plan für die Zukunft zu haben. In anderen Ländern kann man sehen, wohin das führt. Das will ich nicht.
Wie lange werden Sie Rendi-Wagner noch unterstützen?
Ich werde die Parteivorsitzende solange unterstützen, solange sie das Wohlwollen der gesamten Partei genießt.
Hat Sie das Wohlwollen noch, obwohl Rendi-Wagner mit 13.000 Euro im Rückstand bei der Parteiabgabe war?
Ich weiß gar nicht, ob sie schon so lange Parteimitglied ist, dass sich so eine Summe aufgestaut haben könnte. Ob Sie jetzt die Mandatsabgabe im Vorhinein oder im Nachhinein zahlt, ist nicht das größte Problem der Sozialdemokratie. Da wird sie nicht die Erste sein, die ein paar Monate später zahlt.
Die Umfragewerte der SPÖ liegen auf einem Tiefpunkt bei 18 Prozent. Glauben Sie wirklich, dass noch eine Schubumkehr zu erwarten ist?
Sie hat die Partei in einer schwierigen Situation übernommen. Am Beginn ihrer Tätigkeit habe ich meine Bedenken geäußert, dass es schwer ist für jemanden, wenn er eine solche Funktion so spontan übernimmt. Rendi-Wagner hat aber im Nationalratswahlkampf sehr beherzt gekämpft und ist jetzt in einer schweren Situation, daher habe ich ihr meine Unterstützung zugesichert.
Gibt es nicht schon einen Plan B, nämlich dass Hans Peter Doskozil den Wahlkampf schlägt, sich dann der Operation unterzieht, im Frühjahr zum neuen SPÖ-Chef gekürt wird, um mit Ihnen den Wien-Wahlkampf zu schlagen?
Das sind Gerüchte, die nur dazu dienen, um die SPÖ zu destabilisieren und Personen, die man ins Gespräch bringt, zu desavouieren. Denn was passiert, wenn solche Namen lanciert werden? Andere melden sich, alle möglichen Argumente anzubringen, damit eine Person nicht in diese Funktion kommt. Da gewinnt niemand etwas.
Ich schließe aus, dass Doskozil diese Gerüchte selbst in Umlauf bringt. Das sind andere Personen und mit Sicherheit keine, die ihm wohlwollend gegenüber stehen.
Es gab von Werner Faymann auf Christian Kern einen sehr schnellen Wechsel. Dann kam aus der Not ein rascher Wechsel von Kern zu Pamela Rendi-Wagner. Will man jetzt nicht zum dritten Mal einen High-Speed-Wechsel vollziehen, sondern sich mehr Zeit lassen, um dieses Mal die richtige Person zu finden?
Wichtig ist, dass man einmal weiß, was man will. Wir müssen die inhaltliche Ausrichtung präzisieren. Wir haben einen Reformprozess auf den Weg gebracht. Das halte ich für richtig. Es wird immer personelle Veränderungen in einer großen politischen Organisation geben. Das ist ja auch der Vorteil der Demokratie, dass man solche Wechsel friedlich herbeiführen kann. Ich sehe derzeit keine Alternative zu Rendi-Wagner. Sie ist erst vor einem Jahr gewählt worden.
Seit dem 1. Mai 2016, als Werner Faymann ausgepfiffen wurde, scheinen Konflikte wie Fehden in der SPÖ ausgetragen zu werden. War dieser 1. Mai ein Tabubruch?
Das war sicher ein Tiefpunkt der politischen Kultur in der Sozialdemokratie. Das hat aber mit der Geschwindigkeit der Sozialen Medien zu tun, wo man schnell seinen Unmut äußert. Sicher ist aber auch: Der 1. Mai 2016 hat die innerparteiliche Disziplin sehr gelöst. Was ich nicht für einen Vorteil halte, weil es eine Partei schwächt. Wenn eine Partei in der Öffentlichkeit zerstritten auftritt, ist sie für die Wähler nicht attraktiv, das sollte allen dämmern.
Kommentare