Michael Ludwig: "Nach der Wien-Wahl sind sie alle weg"
Michal Ludwig hat das Bürgermeisterbüro entstaubt. Die schweren Vorhänge sind entfernt, nun sieht man in den Rathauspark und dort die Kinder eislaufen. Moderne Ledergarnituren und weiße Designer-Stehlampen prägen das Büro, Häupls roter Plüsch ist weg. Ludwig hat auch die Elektrik erneuern und einen Riesenfernseher aufstellen lassen. „Darauf machen wir jetzt Powerpoint-Präsentationen“, sagt er ohne Ironie.
KURIER: Herr Bürgermeister, wird 2020 gewählt oder doch schon 2019, wie manche Beobachter meinen?
Michael Ludwig: Es mag andere geben, die aus politischen Gründen vorgezogene Wahlen zu ihrem Vorteil durchgesetzt haben. Das ist nicht mein Stil. Die Wähler haben uns Vertrauen geschenkt, dass wir für sie arbeiten.
FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat angekündigt, nicht selbst in Wien zu kandidieren. Glauben Sie ihm das?
Das erinnert mich an Jörg Haider: „Ich bin weg, ich bin wieder da.“ Wien ist zu wichtig, um es als Nebenjob zu sehen. Ich finde interessant, welche Bundespolitiker sich knapp vor der Wahl vorstellen können, in Wien Verantwortung zu übernehmen. Nach der Wahl sind sie dann wieder alle weg.
Sie spielen auf Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) an.
Strache und Blümel sind beide in der Bundesregierung. Man soll sich entscheiden, ob man in der Stadt oder im Bund Verantwortung übernehmen möchte. Man wird ja auch gewählt. Ich sehe meine Rolle seit jeher in Wien, und mir ist jeder Mitbewerber recht. Schrecken tut mich keiner.
Häupl hat sich immer über die Gegnerschaft zu Strache definiert. Ist die FPÖ ohne Strache ein anderer Gegner?
Nein, eine Partei ist nicht nur von der Spitzenperson abhängig, sondern es zählen auch die politischen Ziele.
Können Sie sich eine Koalition mit einer Strache-losen FPÖ vorstellen? Hätte etwa Johann Gudenus eine andere Handschrift?
Wenn ich mir die Aussagen von Gudenus in den letzten Wochen ansehe, sehe ich keine Schnittmenge mit der Sozialdemokratie. Wenn ich an die Aussage denke, in der er die Caritas auf unflätige Art und Weise kritisiert, ist mir das völlig unverständlich.
Sie sind auffällig oft mit Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck im Paarlauf zu sehen. Ist das eine besondere Männerfreundschaft oder ein Vorgeschmack auf Rot-Schwarz?
Ich habe mit Walter Ruck ein persönlich sehr gutes Einvernehmen. Er ist ein wichtiger Ansprechpartner bei der Sozialpartnerschaft, weil er innovativ und bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Im Gegensatz zur Bundesregierung ist mir die Sozialpartnerschaft wichtig.
Man hört innerhalb der Wiener SPÖ immer mehr Stimmen, die Schwarz-Rot präferieren. Hören Sie diese Stimmen auch?
Wir haben eine aufrechte Koalition bis 2020. Da ist viel erledigt, aber noch vieles abzuarbeiten. Das ist meine Richtschnur. Dann wird man nach der Wahl die weiteren Entscheidungen treffen.
Eine Richtschnur ist das Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen. Die neue Grün-Chefin Birgit Hebein hat sich von Beginn an dagegen ausgesprochen. Ist das die erste Bruchstelle mit den Grünen?
Ich bin dann für Verbote, wenn sie sinnvoll sind. Am Praterstern musste ich mich zwischen aggressiven Alkoholikern und Frauen und Kindern, die sich nicht wohlgefühlt haben, entscheiden. Diese Entscheidung fiel leicht. Ich bin sicher, dass sich auch Birgit Hebein Argumenten nicht verschließen wird.
"Mit dem Alkoholverbot soll auch eine verstärkte Betreuung dieser Zielgruppen erfolgen."
Sind Sie für ein Alkoholverbot am Bahnhof Floridsdorf?
Ich habe betont, dass ein Verbot in soziale Maßnahmen eingebettet sein muss. Ich möchte verhindern, dass sich dort eine Szene herausbildet wie damals auf dem Karlsplatz. Die Evaluierung am Praterstern läuft bis April. Ich greife dem nicht vor.
Diese Maßnahme ist im Sinne von Schwarz-Blau. Sehen Sie die Gefahr, dass die beiden – etwa mit den Neos – in Wien eine Mehrheit gegen Sie bilden?
Ich halte das durchaus für realistisch. Man sieht es ja am Beispiel Wiener Neustadt, wo sich sogar fünf Parteien gegen die SPÖ zusammengeschlossen haben.
Die SPÖ hat es den politischen Gegnern zuletzt leicht gemacht. Man denke an das Krankenhaus Nord und aktuell an den Verein „Wiener Kinder- und Jugendbetreuung“, wo der Rechnungshof massive Unregelmäßigkeiten festgestellt hat.
Noch müssen wir den Endbericht abwarten. Unabhängig davon habe ich den Direktor des Stadtrechnungshofs beauftragt, alle größeren Vereine, Stiftungen und Fonds der Stadt zu überprüfen, ob es Compliance Regeln gibt, und ob diese auch eingehalten werden.
Ihre Parteimanagerin Barbara Novak saß im Vorstand des kritisierten Vereins. Jetzt sagt Sie: „So etwas kommt unter meiner Führung nicht vor.“ Wie glaubwürdig ist Novak?
So, wie ich den Rohbericht lese, war der Vereinsvorstand nicht einbezogen. Die Gemeinderätin Novak ist außerdem 2011 dort ausgeschieden. Der Beobachtungszeitraum des Rechnungshofs bezieht sich nicht auf den Zeitraum ihrer Tätigkeit.
Schon 1998 gab es erstmals außerordentliche Gehaltsvorrückungen, ab 2010 Jubiläumsgelder. Wie kann man als Teil des Vorstands so etwas nicht mitbekommen?
Eine Vorrückung im Gehaltsschema ist offensichtlich nicht zwingend im Vorstand Thema gewesen.
Schmerzt es Sie nicht, wenn es in der SPÖ als Arbeiterpartei derartige Auswüchse gibt, in denen sich einige Wenige an der Spitze Bonuszahlungen genehmigen, während die Mitarbeiter im Verein nur nach Kollektivvertrag bezahlt werden?
Natürlich ist das unerfreulich. Mir ist es wichtig, daraus Konsequenzen abzuleiten. Das habe ich getan.
Viele Aufgaben, die eigentlich die Stadt betreffen, werden an Vereine ausgelagert. Da fließt viel Steuergeld, ohne dass die Stadt unmittelbar Kontrolle darüber hat. Ist das sinnvoll?
Ich war immer dafür, dass wir bei Ausgliederungen sensibel vorgehen. Ich will aber darauf hinweisen, dass gerade jene Stimmen, die die aktuellen Vorfälle kritisieren, eigentlich für viel weitreichendere Privatisierungen eintreten. Da hätte die Stadt dann gar keinen Einfluss mehr .
Dennoch: Das wirft kein gutes Licht auf Barbara Novak. Oder sehen Sie das anders?
Ich sehe, dass man sich gerade bemüht, alle möglichen sozialdemokratischen Funktionäre da mithineinzuziehen, um eine große SPÖ-Krise herbeizureden. Aber das hat nur in einem sehr eingeschränkten Ausmaß einen realen Hintergrund.
Es scheint jetzt aufzubrechen, was unter Ihrem Vorgänger zugedeckt war: Sie haben eine Partei übernommen, in der es viel Misswirtschaft gibt.
Nein. Wir leben in einer sehr gut funktionierenden Stadt. Der überwiegende Anteil der vielen Berichte des Stadtrechnungshofs kommt zu positiven Ergebnissen. Und dann gibt es vereinzelt Dinge, die kritikwürdig sind. Die gefallen mir nicht – und das gehört abgestellt. Aber daraus ein Gesamtproblem abzuleiten, wäre falsch.
Sie haben angekündigt, dass die Wiener Außenbezirke mehr in der Stadtpolitik mitreden sollen. Der neue Fernbusterminal sollte in Favoriten gebaut werden, wo heftige Gegenwehr kam. Jetzt wird es wohl ein Standort im 2. Bezirk. Ist das schon ein erstes Ergebnis dieses neuen Mitspracherechts?
Ich suche den intensiven Dialog mit den Bezirken, etwa bei Verkehrsthemen. Wir haben zuletzt schrittweise die Bezirksvorsteher aufgewertet. Das bedeutet für sie aber auch, Verantwortung über die Bezirksgrenzen hinaus zu übernehmen. Letztlich muss die Stadt in ihrer Gesamtheit funktionieren.
Ihre Parteichefin Pamela Rendi-Wagner sieht derzeit keine akute Notwendigkeit für eine Erbschaftssteuer. Gewerkschafter Wolfgang Katzian will weiter dafür kämpfen. Sie auch?
Verteilungsgerechtigkeit fördert den sozialen Zusammenhalt und ist daher sehr wichtig. Die Frage ist, welche Mittel man wählt. Oberste Priorität muss sein, dass internationale Konzerne, die bisher keine oder kaum Steuern bezahlen, ihren Beitrag leisten. Eine Entlastung sollten insbesondere Geringverdiener erfahren. Im Moment sehen wir aber eine Reihe von Maßnahmen der Bundesregierung, die nur bei den Schwächsten der Gesellschaft den Sparstift ansetzt.
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