Die Überraschung in Brüssel folgte auf den Fuß: Bei jedem ihrer bisherigen drei Auftritte bei EU-Gipfeln gab sich Meloni hart in der Sache, aber kompromissbereit, zugänglich und europafreundlich.
Die Politikerin, die einst aus der allerrechtesten Ecke des Landes kam; die hammerharte Europakritikerin; die frühere Oppositionelle, die gedroht hatte: „Der Spaß ist bald vorbei“ – hat sie sich zur pragmatischen Konservativen gewandelt?
Immer wieder betont Meloni Italiens Unterstützung für die Ukraine, liefert Waffen und zieht bei allen EU-Sanktionen gegen Russland mit. Und das; obwohl weit mehr als ein Drittel der Italiener die Ukraine-Politik Roms ablehnt.
Doch die Botschaft der rechten Premierministerin steht unumstößlich fest: Italien ist und bleibt ein verlässlicher Partner des Westens, der NATO und der EU.
Dieser konziliante Kurs verlockte sogar Manfred Weber, Chef der Europäischen Volkspartei (EVP) dazu, auf Tuchfühlung mit Melonis „Fratelli“ zu gehen – einer Partei, die die EVP bisher gemieden hätte wie der Teufel das Weihwasser.
In Webers deutscher Heimat aber kam der Vorstoß in Richtung Meloni gar nicht gut an. Er wurde stante pede zurückgepfiffen. Denn auch wenn die rechte Regierungschefin plötzlich moderat und konstruktiv auftritt, sehen ihre Kritiker noch lange keinen Gesinnungswandel.
Vermutet wird vielmehr etwas anderes: „Meloni braucht das Geld“, bringt es der renommierte Politologe Mujtaba Rahman vom Beratungsunternehmen Eurasia Group auf den Punkt. Fast 200 Milliarden Euro an Corona-Wiederaufbauhilfen wird Italien bis 2026 von der EU erhalten – so viel wie kein anderes Land in der Union. Diese Rekord-Finanzspritze könnte dem schwer verschuldeten Italien dabei helfen, den fatalen Investitionsrückstand aufzuholen.
Beraten wurde Meloni dabei von ihrem Vorgänger Mario Draghi. Berührungsängste, dass der Ex-Premier und frühere Chef der Europäischen Zentralbank ihr beim Amtsantritt schaden könnte, hatte das politische Großtalent Meloni nie. Schon als 15-jähriges Mädchen war sie in die Politik gegangen – und hat seither gelernt: Politische Grundsatzkämpfe scheut sie nicht – aber nur, wenn sie sie gewinnen kann.
67 Milliarden Euro an Coronahilfen sind bereits ins Land geflossen. Und damit dies auch weiterhin so geschehe, „wird Rom jeden Kampf mit Brüssel vermeiden“, schreibt Rahman in einem Gastkommentar für das Magazin Politico.
Auch KURIER-Italien-Korrespondentin Andrea Affaticati bestätigt, „dass Meloni absolut nicht mit der EU auf Konfrontation gehen will. Nicht aus Angst, sondern aus politischem Kalkül.“
Kleinere Scharmützel zwischen Giorgia Melonis rechter Regierung und dem EU-Parlament über LGBTQI-Rechte fallen da nicht ins Gewicht.
Und bei ihrem harten Anti-Migrationskurs hat die italienische Regierungschefin ohnehin viele europäische Amtskollegen wie Kanzler Karl Nehammer an ihrer Seite.
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