Mahrer: „Dreistelliger Millionenbetrag für Ausbildung“

Mahrer: „Dreistelliger Millionenbetrag für Ausbildung“
Wie der neue Wirtschaftskammer-Chef tickt. Was seine Visionen sind, und ob er ausgesorgt hat

Angelehnt an Arnold SchwarzeneggersTerminator“ nennt er sich gerne „Innovator“. In seiner Regierungszeit titulierte sich der fast Zwei-Meter-Hüne auch schon mal ungeniert als CIO(Chief Innovation Officer), was Harald Mahrer unter den Ministerkollegen nicht nur Sympathien einbrachte. „Das haben mir einige als überheblich ausgelegt, aber es hat sich bewahrheitet“, erzählt der frisch gekürte  Chef der Wirtschaftskammer Österreich durchaus selbstbewusst.

Ob es für ihn nicht kurios erscheint, dass ausgerechnet der Chef-Innovator eine Aufgabe übernimmt, die im digitalen Zeitalter ausstirbt – nämlich  einen de facto gesicherten Job bis zum Pensionsalter zu haben? Mahrers Vorgänger Christoph Leitl war 18 Jahre im Amt  und Rudolf Sallinger stolze 26 Jahre. Mahrer, der Maßanzüge trägt, sprüht vor Zukunftsvisionen, aber was seine  Amtszeit betrifft, hält er sich offen: „Ich habe keinen Zeitplan, wie lange ich das machen werde. Ich will mich im Jetzt engagieren.“  

Neues Buch im Herbst

Der Glaube an Freiheit und Veränderung im digitalen Zeitalter ist Mahrers zweite Religion. Vier Bücher hat der Ex-Wirtschaftsminister über seine Visionen schon verfasst. Im Herbst soll Buch Nummer 5 folgen. Sein  Werk mit dem provokantesten Titel lautet: „Mehr Freiheit. Mehr Verantwortung. Von der Vertrauensgesellschaft und wie wir uns von der Lüge des Vollkaskostaates befreien“.

Welche Thesen aus seinem Buch  möchte der neue Wirtschaftskammer-Chef realisieren? Mahrer möchte einen „Beitrag leisten“, damit die Österreicher eine „Entziehungskur von der Droge Staat“ erfolgreich absolvieren. Eine  „Daueralimentierung, durch die die Bürger mit Förderungen und Sozialleistungen an den staatlichen Tropf gehängt werden“ lehnt er ab. Denn, so seine Überzeugung, durch zu viel Sozialleistungen werden „die Bürger klein gehalten  und können sich nicht selber entwickeln“. Auch im Gesundheitswesen rührt der Wiener kräftig um  (siehe Interview rechts). Durch seine Ehefrau, Andrea Samonigg, die ein Privatspital in Kärnten leitet, hat er einen  Einblick, wo es im Gesundheitssystem krankt.

Seine Frau war es auch, die während seiner Zeit als Regierungsmitglied die Geschäftsführung seiner „HM- Tauern Beteiligungsgesellschaft“ übernahm. In den vergangenen Monaten stieg er wieder ins Geschäft  ein. Als Business-Angel will er künftig agieren. „Ich werde  mich hier auf neue Innovationsbereiche fokussieren, etwa mit der Transformation von Ergebnissen aus der Spitzenforschung in die Betriebe.“ In einem Artikel des  Zeit-Magazins stand vor drei Jahren, dass Mahrer durch seine Firmenverkäufe vor seiner Regierungszeit bereits „ausgesorgt hat“.

Ausgesorgt?

Kann er das von sich tatsächlich behaupten? Dazu will sich der sonst sehr redselige  neue Wirtschaftskammer-Boss, der leidenschaftlich Kunst sammelt, nicht konkret äußern. Er sagt nur so viel:  „Ich war unternehmerisch schon sehr erfolgreich und habe das aber auch  weiterhin vor.“ Ein Dementi klingt anders.

Was er aber vehement abstreitet, ist sein harter Führungsstil, der ihm nachgesagt wird. Rund zwei Dutzend  Top-Mitarbeiter sollen das Ministerium unter ihm verlassen haben. „Viele meiner Mitarbeiter kamen nicht aus der Politik, sondern ich  habe sie aus der Wirtschaft geholt. Manche haben  schnell erkannt: Politik ist doch ein anderes Geschäft.“  Was er aber zugibt,  ist seine „bedingungslose Qualitätsorientierung“. „Ich gebe sehr viel Lob, aber ich gebe auch Kritik, denn wir spielen in der Champions League.“  

Nicht nur seinen Mitarbeiter mutet er einiges zu, sondern auch inhaltlich provoziert  Mahrer gerne. So sieht der 45-Jährige  die Digitalisierung nicht pessimistisch.  Um die Ängste zu entkräften, zieht Mahrer gerne zwei Cover des Spiegel-Magazins hervor. Eines von Ende der 70er Jahre und eines, das vor Kurzem erschien. Beide warnen davor, dass die Roboter die Menschen arbeitslos machen werden. Für ihn der Beweis, dass die Panik überzogen ist.

KURIER: Herr Mahrer, Sie werden keinen leichten Start haben. Aus 22 sollen fünf Sozialversicherungen werden. Die Selbstverwaltung bleibt zwar, aber der Einfluss der Gewerkschaften soll beim Stimmverhältnis in den Kassen zurückgedrängt werden. Gehen Sie gleich auf Konfrontation mit dem ÖGB? Harald Mahrer: Das sehe ich relativ entspannt. Es mag sein, dass eine derartige Veränderung in der Verantwortungsübernahme der Organe nicht alle freut. Aber da die Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleich viel einzahlen, waren wir immer der Meinung, dass hier Parität herrschen sollte. Daher ist das bei den Regierungsverhandlungen so beschlossen worden.

Die Gewerkschaft wird sich nicht gern auf ein Stimmverhältnis von 50:50 in den Kassen reduzieren lassen …

Ich kann mich jetzt nicht gegen etwas stemmen, was ich in den Koalitionsverhandlungen selbst ausverhandelt habe. Das ist ja ein Erfolg für mich. Wir machen das nicht zum Selbstzweck, sondern wir wollen die Effizienzpotenziale heben, weil die Kosten in der Spitzenmedizin steigen und die Österreicher immer älter werden. Wichtig ist, dass das System weiter nach dem Prinzip der Selbstverwaltung organisiert bleibt. Dann gibt es noch eine Reihe von Punkten, die sinnvoll sind, wie etwa die Abschaffung der Mehrfachversicherung, die die Regierung bald angehen sollte.

Soll die AUVA erhalten bleiben?

Ja, absolut. Die AUVA erbringt eine Reihe von Spitzenleistungen. Aber: Sie erbringen auch Leistungen, die entweder von anderen Sozialversicherungsträgern zu wenig bezahlt werden. Oder wir Unternehmer zahlen aus unseren Unfallversicherungsbeiträgen Leistungen, die eigentlich von einem anderen Sozialversicherungsträger bezahlt werden müssten. Deswegen steht im Regierungsprogramm, dass es eine Aufgabenanalyse und eine Zahlungsstromanalyse geben soll. Das ist sinnvoll zu machen.

Sie sprechen gerne von „Sozialpartnerschaft neu“. Wie soll die ausschauen?

In einer „Zukunftspartnerschaft“ soll das gemeinsame Ganze gemeinsam behandelt werden. Davon haben wir uns in den vergangenen Jahren sehr weit entfernt. Es ist eine Art Bazarhandel-Mentalität eingezogen. Wir brauchen aber eine Zukunftspartnerschaft bei den großen Fragen, wie etwa der Verschiebung der internationalen Marktmacht von Europa Richtung Asien. Die rasante Weiterentwicklung dort ist ein Faktum, mit dem sich die heimische Wirtschaft auseinandersetzen müsse. Gepaart mit der Digitalisierung muss man die Chancen sehen. Es gibt überall gute Ansätze, aber es ist nicht der große Wurf gelungen, dem man sich auch verschrieben hat. Ende Juni werde ich mich mit den neuen Präsidenten der Sozialpartnerschaft zusammensetzen, wie wir es anlegen wollen. Ich gehe sehr offenherzig in diese Gespräche.

Immer öfter gehen Unternehmer an die Öffentlichkeit, um Flüchtlinge, die ihre Lehre erfolgreich absolviert haben, vor der Abschiebung zu retten. Werden Sie sich als neuer Wirtschaftskammerpräsident dafür einsetzen, dass gut integrierte Flüchtlinge über die Rot-Weiß-Rot-Karte bleiben können?

Als Unternehmervertreter ist der Maßstab die Rechtsstaatlichkeit. Darauf muss ich mich als Unternehmer verlassen können. Das heißt in diesem Fall: Wenn es einen negativen Bescheid gibt, dann gibt es einen negativen Bescheid. Das mag im Einzelfall sehr bitter sein, aber es gibt offenbar keinen Asylgrund. Um solche Situationen zu vermeiden, müssen die Verfahren verkürzt werden. Wenn jemand seine gesamte Ausbildung in Österreich macht, gut integriert ist und dann bekommt er einen negativen Asylbescheid, verstehe ich den Unmut. Aber man muss beide Seiten sehen. Ich verstehe auch jene, die sagen, man kann nicht die Rechtsstaatlichkeit mit einer Sonderausnahme umgehen. Dann müsste ich eine andere gesetzliche Grundlage schaffen.

Digitalisierung war schon als Minister Ihr Schwerpunkt. Wie werden Sie die Digitalisierung als Wirtschaftskammerpräsident vorantreiben?

Wir müssen vor allem in der Bildung ansetzen. Weg von der dualen, hin zu einer trialen Ausbildung gehen. Für unsere Kinder ist es selbstverständlich, dass sie sich ihr Wissen über die digitalen Medien aneignen. Aber die Mitarbeiter in den Betrieben haben diese Qualifikation noch nicht. Die Mitarbeiter hier auf den aktuellen Level zu bringen, schaffen die Unternehmen nicht. Ich habe vor, ein Bildungsinnovationspaket zu schnüren, wo wir einen dreistelligen Millionenbetrag investieren werden.

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