Grüner U-Ausschuss-Bericht: "Spenden, Chats und alles, was Du willst"

Grüner U-Ausschuss-Bericht: "Spenden, Chats und alles, was Du willst"
Die grüne Fraktionsvorsitzende Nina Tomaselli zieht Resümee über Ibiza-Untersuchungsausschuss.

Die Grüne Sicht auf Ibiza und den Koalitionspartner

SPÖ, ÖVP, Neos und FPÖ zogen bereits Bilanz über den Ibiza-Untersuchungsausschuss. Für SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer wurde unter Türkis-Blau "ein Staat im Staat aufgebaut", für sein ÖVP-Pendant Andreas Hanger diente der Ausschuss dem "rot-pinken Duo Krainer-Krisper als Profilierungsversuch". Laut Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper hat der Ausschuss den  "Nepotismus der türkisen Familie" zutage gefördert - für FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker einen "Masterplan für Korruption" beim ehemaligen Koalitionspartner offenbart. Am Dienstag präsentierte nun Nina Tomaselli, Fraktionsführerin der Grünen, den Bericht ihrer Partei. 

 

Grüner U-Ausschuss-Bericht: "Spenden, Chats und alles, was Du willst"

"Inside Ibizia - Spenden, Chats und alles, was Du willst", so nennen die Grünen ihren 146 Seiten umfassenden Bericht. Er beinhaltet das Fazit von "2,7 Millionen Aktenseiten, 116 Befragungen, 105 Auskunftspersonen - davon 23 Politiker, 29 Beamte, 2 Polizisten", so die grüne Fraktionsführerin. Der Bericht zum Download im Detail

Der Ausschuss diente und diene dem "Selbstreinigungsprozess", so Tomaselli. Jede einzelne Passage aus dem Ibiza-Video von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sei hinterfragt worden. Der Grüne Succus: Es ging um "Selbstbereicherung, mutmaßliche Korruption und Postenschacher im ganz großen Stil". Und: "Wir haben geschaut, ob es stimmt, dass man sich über Vereine, in Parteien kaufen kann" und "wir haben geschaut, ob es stimmt, dass man öffentlichen Besitz privatisieren kann". 

Parallelsystem unter Türkis-Blau

Zentrale Erkenntnis für Tomaselli: "Türkis-Blau wollte ein Parallelsystem schaffen, vorbei am Parlament, an der Kontrolle". Der Umbau sollte für "Gönnerinnen und Gönner still und heimlich" erfolgen. Eine "wesentliche Drehscheibe sei das türkis geführte Finanzministerium" gewesen. Das liege vor allem an Thomas Schmid ﴾ehemaliger Kabinettschef und Ex‐ÖBAG‐Chef﴿. "Er war überall mittendrin statt nur dabei“, sei es um Privatisierungen oder um Postenschacher gegangen. Ganz oben stand bei letzterem die Bestellung Schmids zum Alleinvorstands der ÖBAG, so Tomaselli: „Das war eine g'schobene Partie.“

Die Chats hätten zudem offenbart, was viele in der Bevölkerung lieber nicht hätten wissen wollen. "In zahlreichen SMS ist festgehalten, welche Machenschaften im Gange waren", so die Grün-Mandatarin. Man werde bei der Lektüre der Chats mitgenommen in die "Einstellung", die die Verfasser "zur Bevölkerung haben. Stichwort 'Pöbel', Stichwort 'einem alten Mann Vollgas geben'". 

Zum ebenfalls im Ibiza-Ausschuss thematisierten "Projekt Edelstein" hat Nina Tomaselli Neuigkeiten. Das "Projekt Edelstein" sei weit mehr gediehen gewesen als bis dato bekannt. Dies würden Emailverkehre in den Akten belegen.

Details zu "Projekt Edelstein"

Zur Erinnerung: Zum Projekt "Edelstein", also dem angedachten Verkauf des Bundesrechenzentrums (BRZ) an die Post AG, stellt der Bericht des Verfahrensrichters fest, dass die Hintergründe, Motive und Strategien weitestgehend aufgeklärt werden hätten können. "Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Arbeiten an diesem Projekt aus anderen als den durch das Regierungsprogramm vorgegebenen objektiven Gründen erfolgten", heißt es wörtlich dazu.

Weder seien die Überlegungen zum Projekt nach dem Datenskandal der Post ad acta gelegt worden, so Tomaselli, noch habe sich dieses lediglich im Ideenstadium befunden. Gefunden habe man ein neues Strategiepapier, in dem die Privatisierungspläne aufgelistet sind ‐ "weit entfernt von einem Anfangsstadium oder Brainstorming“. Dass man die neuen Erkenntnisse als Beleg dafür werten kann, dass der U‐Ausschuss zu früh beendet wurde, sieht Tomaselli nicht so: „Nein, das Wissen geht ja nicht verloren.“ Bis zum Ende des U‐Ausschusses könnten die Akten weiter durchsucht werden. „Das werden wir auch bis zum allerletzten Tag machen.“

"Ich fühlte mich an einen Kampf erinnert"

Tomaselli hält fest, dass es primär um parlamentarische Aufklärungsarbeit ging, die jedoch durch das "Ausreizen aller rechtlichen Mittel" - Stichwort Aktenlieferung - erschwert wurde. "Ich fühlte mich an einen Kampf erinnert: Jeder einzelne Schritt musste erkämpft werden. Diesem Ausschuss wurde nichts geschenkt, er wurde ausgebremst, ist aber erfolgreich am Ziel angekommen", befindet die grüne Fraktionsführerin und nennt als Beispiele "die Rücktritte in der Justiz und der ÖBAG" sowie das Anti-Korruptions- und Glücksspiel-Gesetz. Wann diese Gesetze in Begutachtung und beschlossen werden, das kann Tomaselli nicht sagen. "Ich bin optimistisch, dass es zeitnah passiert." Ob Tomaselli für eine Fortsetzung beziehungsweise Wiedersetzung des U-Ausschusses ist, will sie auf Nachfrage nicht klar beantworten.

"Unserer Meinung nach gäbe es noch viele Stränge, denen man nachgehen könnte wie zum Beispiel Wirecard. Doch das U-Ausschuss-Recht ist ein Minderheitenrecht." Sollte die Opposition einen U-Ausschuss einsetzen, so könne man davon ausgehen, dass die "Grünen in gewohntem Enthusiasmus dabei sein" werden.

Gegenwärtig könne man jedenfalls davon ausgehen, dass es in der türkis-grünen Regierung keinen Postenschacher gebe, so Tomaselli auf Nachfrage. Sie "lege die Hand ins Feuer, dass kompetente Personen" in der türkis-grünen Regierung besetzt wurden.

Wie es nach so viel Kritik an der ÖVP im Zuge des Ausschusses nun um das Vertrauen in die Volkspartei bestellt ist und ob diese Konsequenzen ziehen sollte, das will die Fraktionsführerin erst nicht wirklich beantworten. "Was die ÖVP sagt, tut, macht, will" - das müsse man die ÖVP fragen. "Was ich davon halte, das wisse sie, das ist nicht wirklich viel". 

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