Gewessler: Kürzungen "auf dem Rücken der Schwächsten"

Gewessler über die Budgetkonsolidierung, den Lobau-Tunnel, das Verbrenner-Aus und Kritik an der aktuellen Bundesregierung.

In einer politisch herausfordernden Phase für grüne Kernthemen verteidigt Leonore Gewessler, Bundessprecherin der Grünen, den Kurs ihrer Partei und übt scharfe Kritik an der aktuellen Bundesregierung aus ÖVP, SPÖ und Neos. Im Gespräch in der ZIB 2 macht sie deutlich: Gerade jetzt brauche es eine starke grüne Opposition, die Klimaschutz, soziale Verantwortung und Zukunftsfragen konsequent vertritt.

Angesprochen auf jüngste Rückschritte – vom drohenden Bau des Lobau-Tunnels über das abgeschwächte EU-Aus für Verbrennungsmotoren bis zum Auslaufen des Klimabonus – weist Gewessler den Eindruck zurück, die Regierungsbeteiligung der Grünen sei wenig erfolgreich gewesen. Vielmehr zeige sich nun, wie rasch Errungenschaften im Klima- und Sozialbereich wieder zur Disposition gestellt würden. Die neue Bundesregierung sei sich vor allem dann einig, "wenn es gegen den Klimaschutz geht" oder "soziale Rechte abgebaut werden".

Gerade in Zeiten von Gegenwind sei es entscheidend, dass die Grünen zuhören, Sorgen ernst nehmen und in konkrete politische Lösungen übersetzen, so Gewessler. Sie betont, dass sich die Partei nicht nur für Klimaschutz einsetze, sondern ebenso für leistbare Energie, sichere Arbeitsplätze und soziale Absicherung. Aktuell würden jedoch auf Bundes- wie Landesebene Kürzungen "herzlos auf dem Rücken der Schwächsten" vorgenommen.

Als Beispiel nennt sie die Proteste von Pflegekräften in Salzburg. Während Millionen in den Straßenbau flössen, müssten ausgerechnet jene sparen, die tagtäglich Verantwortung für Pflegebedürftige übernehmen. Um dem entgegenzutreten, hat Gewessler einen Brief an alle Landeshauptleute geschrieben. Gerade in der Weihnachtszeit müsse Solidarität mehr sein als ein Schlagwort – sie müsse sich auch in Budgetentscheidungen widerspiegeln.

Zur Debatte um die Budgetkonsolidierung räumt Gewessler ein, dass auch frühere Entscheidungen – etwa die Abschaffung der kalten Progression unter Schwarz-Grün – langfristige Auswirkungen hätten. Entscheidend sei aber die Frage, wie konsolidiert werde. Es sei nicht vermittelbar, warum Milliarden für Autobahnen vorhanden seien, während bei einkommensschwachen Haushalten und sozialen Leistungen gespart werde.

Verbrenner-Aus und E-Mobilität

Auch auf europäischer Ebene sieht Gewessler eine gefährliche Trendwende. Die Aufweichung des Verbrenner-Aus ab 2035 bezeichnet sie als "zukunftsvergessen". Gerade für Beschäftigte in der Autoindustrie sei das der falsche Weg. Europa müsse mutig in E-Mobilität investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben und langfristig Arbeitsplätze zu sichern. "Ich will, dass Europa auch in 20 oder 30 Jahren noch die besten Autos der Welt baut", betont sie.

Ein weiteres kontroverses Thema ist die Debatte um religiöse Symbole in Schulen. Gewessler hält die Diskussion über Kreuze in Klassenzimmern für wenig zielführend und verweist auf bestehende vertragliche Grundlagen. Deutlich kritischer äußert sie sich zum Zwang zum Kopftuch für Mädchen. Zwar teilen die Grünen die Sorge um Selbstbestimmung und Gleichberechtigung, doch hätten sie das Kopftuchverbot für unter 14-Jährige aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht unterstützt. Ein Gesetz müsse wirksam sein und vor dem Verfassungsgerichtshof halten, so Gewessler. Stattdessen plädiert sie für präventive Maßnahmen wie multiprofessionelle Interventionsteams an Schulen.

Grünen-Chefin Gewessler: "Eine Partei, die zuhört"

Mit Blick auf die kommenden Jahre sieht Gewessler ihre zentrale Aufgabe darin, Vertrauen zurückzugewinnen. Seit ihrer Wahl zur Bundessprecherin sei sie quer durchs Land gereist, um Gespräche zu führen und zuzuhören. Erste Erfolge sieht sie in steigenden Umfragewerten und einem Mitgliederrekord der Grünen. Bis zu den Landtagswahlen 2027 wolle sie diesen Kurs fortsetzen.

Besonders in Oberösterreich gehe es um viel: Sollte die FPÖ stärkste Kraft werden, liege es an der ÖVP, ob sie eine Zusammenarbeit mit Rechtsextremen eingehe oder eine Regierung ohne sie bilde. Die Grünen stünden bereit, Verantwortung zu übernehmen.

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