Land der Schlawiner: Nur drei Prozent zahlen Putzfrau korrekt
Das Bad reinigen, die Terrasse zusammenkehren, die Betten überziehen, die Blumen gießen: Österreichs Haushalte geben immer mehr Geld für Dienstleistungen aus, die sie vorher selbst erledigt haben. In Summe wurden allein im Vorjahr 760 Millionen Euro für Haushaltshilfen aufgewendet, 2015 waren es erst 644 Millionen Euro.
Insgesamt nahmen 580.000 Haushalte, das ist mehr als jeder siebente, zumindest einmal im Jahr eine externe Arbeitskraft in Anspruch. Dies geht aus Daten der Branchenradar.com Marktanalyse GmbH hervor, die die Ausgaben für häusliche Dienste in Österreich 2019 erhob. Auch wenn der Personalbedarf steigt, von einem ganz normalen Wirtschaftszweig ist diese Dienstleistung noch weit entfernt. In 97 Prozent der Fälle erfolgte die Bezahlung „schwarz“, es lag also keine Anmeldung bei der Sozialversicherung vor, behauptet der Branchenradar, der unterschiedlichste Datenquellen auswertet.
Haushaltshilfen in Österreich werden nur selten angemeldet
Demnach haben lediglich 3000 Haushalte angestellte Haushaltshilfen. Weitere 8600 nutzen Arbeitskräfte von gewerblichen Anbietern oder Sozialagenturen. Nur ein Prozent aller Haushalte entlohnt ihre Hilfen mittels Dienstleistungsschecks.
Nur Stundenjobs
Der Linzer Ökonom und Schattenwirtschafts-Experte Friedrich Schneider hält den Schwarzarbeitsanteil von 97 Prozent zwar für etwas zu hoch gegriffen. Er kommt in seinen Studien auf rund 90 bis 95 Prozent. Die gesamte "Wertschöpfung" durch den Pfusch mit Haushaltshilfen beziffert er mit 950 Millionen Euro, die gesamte Schattenwirtschaft kommt auf ein Volumen von 24 Milliarden Euro.
Der hohe Prozentsatz wundert ihn nicht: „Auch wenn der Bedarf steigt: Viele Haushalte benötigen Putzhilfen nur für ein paar Stunden und da ist der Dienstleistungsscheck viel zu umständlich“. Häufig haben auch die Haushaltshilfen selbst kein Interesse an einer Anmeldung, weil sie schon woanders sozialversichert sind.
11.500 Scheck-Arbeiter
Um den Putz-Pfusch einzudämmen, führte die schwarz-blaue Regierung 2006 den Dienstleistungsscheck ein. Bezahlt werden dürfen mit dem Scheck „einfache haushaltsnahe Arbeiten“ wie Reinigung, Kinderbeaufsichtigung oder einfache Gartenarbeit. 1,25 Mio. Euro betrugen die Einführungskosten, gerechnet wurde mit dem Verkauf von 500.000 Schecks pro Jahr. Ein Ziel, das noch immer außer Reichweite liegt.
Die Zahlen steigen aber. Im Vorjahr wurden laut Sozialministerium 350.000 Schecks mit einem Gesamtvolumen von rund 11 Millionen Euro ausgegeben. Damit wurden 11.500 Arbeitskräfte entlohnt, 72 Prozent davon waren Frauen. Seit der Einführung wurden Schecks im Wert von 67 Millionen Euro verkauft. Für Schneider ist die Maßnahme zwar richtig, wurde aber zu bürokratisch aufgesetzt. Vor allem die Überweisung auf ein Konto dauere den Arbeitskräften oft zu lange, diese wollen ihr Geld sofort.
Reform nötig
Angesichts der schleppenden Entwicklung schlägt er eine Reform nach belgischem Vorbild vor. Hier kann ein vom Arbeitgeber ausgestellter Scheck in jeder Trafik gegen Bargeld eingelöst werden. Weniger Bürokratie und keine neue Strukturen wünscht sich Michaela Guglberger von der Dienstleistungsgewerkschaft vida . Die komplizierte An- und Abmeldung verhindere vor allem bei stundenweisen Putzdiensten eine legale Beschäftigung. Laut vida gibt es rund 10.000 fest angestellte Beschäftigte in privaten Haushalten, davon sind etwa 6000 geringfügig angemeldet. Die Zahl sei seit Jahren stabil.
Kritisch sieht die Gewerkschaft die Vermittlung von selbstständigen Putzkräften über diverse Online-Plattformen. Der deutsche Anbieter Helpling zog sich nach Klagen wegen Lohn- und Sozialdumpings nach kurzer Zeit wieder aus Österreich zurück.
Einfache Tätigkeiten
Entlohnt werden können nur einfache, haushaltsnahe Dienstleistungen (Reinigung, Beaufsichtigung von Kinder, Einkäufe, einfache Gartenarbeit). Die Arbeitskraft muss eine Arbeitsberechtigung haben.
Prozedere
Erhältlich sind die Schecks im Wert von 10 bis 100 Euro bei Trafiken und Postämtern. Das Prozedere kann auch elektronisch abgewickelt werden, seit heuer auch mittels eigener Smartphone-App. Diese ist in allen gängigen App-Stores erhältlich:
Entlohnung
Der Stundenlohn wird zwischen Arbeitgeber und -nehmer ausgehandelt, darf aber nicht unter den Mindeststundenlohn (z.B. Reinigungskraft 12,34 - 16,62 Euro) fallen. Bei ein und dem selben Arbeitgeber ist eine Beschäftigung nur bis zur Geringfügigkeitsgrenze (446,81 pro Monat) möglich.
Vorteile
Der Arbeitgeber kann stundenweise Haushalts-Arbeiten legal entlohnen. Hauptvorteil für den Arbeitnehmer ist, dass er unfallversichert ist. Eine Kranken- und Pensionsversicherung ist freiwillig möglich.
Nähere Infos finden Sie unter www.dienstleistungsscheck-online.at
Die „Klassiker“ für Vorschriftssünder
Einige Rechtsvorschriften wurden schon immer gern gebrochen:
- Schwarzfahren
Allen voran das Schwarzfahren. 2018 waren beispielsweise in Wien wieder mehr Passagiere ohne Fahrschein unterwegs. Insgesamt kontrollierten die „Sheriffs“ der Wiener Linien 5,7 Millionen Fahrgäste, von denen 1,9 Prozent kein Ticket gekauft hatten. Da wäre eine Taxifahrt billiger gewesen, denn Schwarzfahren kostet 105 Euro.
- Jugendschutz
Viele Menschen würden sich freuen, wenn sie in einer Bar nach dem Ausweis zur Alterskontrolle gefragt werden würden. Für Gastronomen kann sich das auch wirklich auszahlen: Verkauft man Alkohol, Tabak oder jugendgefährdende Medien an Teenager und Kinder, kann das bis zu 15.000 Euro kosten.
- Hundehaltung
Die Wiener lieben ihre Hunde, müssen als Herrln und Frauerln aber einige Regeln beachten. Lässt man einen Listenhund ohne Leine oder Beißkorb laufen, kostet das um die 1.000 Euro Strafe. In Wien gab es 2018 exakt 1.031 Anzeigen, 696 Organmandate und 2753 Abmahnungen wegen Missachtung der Maulkorb- Leinenpflicht. Billiger kommt es, wenn man das hinterlassene „Gackerl“ ignoriert. Dann ist nicht nur der Hund erleichtert, sondern auch der Besitzer um 50 Euro.
- GIS-Gebühren
Offiziell heißt es, dass rund fünf Prozent der Österreicher illegalerweise keine ORF-Gebühren zahlen, obwohl sie ein Empfangsgerät besitzen. Braver ist die Landbevölkerung, deren Bereitschaft, GIS zu bezahlen, höher ist als die der Städter.
Vergessene Regelbrüche
Diese Vorschriften bricht fast niemand mehr:
- Illegale Mitfilmer
Können Sie sich noch erinnern, als im Kino so mancher seine Digicam zückte? Die Qualität der Filmpiraten-Aufnahmen war meist eine Zumutung. In Zeiten von relativ billigen Streaming-Anbietern sind Kino-Mitfilmer überflüssig geworden. Allerdings: Die Zahl der Anbieter von Piraterie steigt wieder.
- Alkohol am Steuer
Obwohl sich in Sachen Technik in diesem Punkt nicht wirklich viel verändert hat, ist es mittlerweile immer verpönter, beim Fahren Alkohol zu trinken. Wurden im Jahr 2008 noch österreichweit 42.281 Anzeigen wegen Alkohols am Steuer gemacht, waren es 2018 nur noch 28.067 Anzeigen.
Diese Zahlen sind vorallem im Kontext der Kontrollen beeindruckend. 2008 wurden im ganzen Land 724.488 Alkomattests beziehungsweise Überprüfungen mit Alkohol-Vortestgeräten durchgeführt. Im vergangenen Jahr waren es laut der Statistik des Innenministeriums 1,7 Millionen Alk-Überprüfungen. Die gestiegene Präsenz der Polizei hat sich bei diesem Thema offenbar ausgezahlt.
- Rauchen im Büro
Das Thema rund um den blauen Dunst begleitet die Österreicher seit Jahren, meistens durch eine Verschärfung der Regeln. Schon im Jahr 1995 wurde das Rauchen in Einrichtungen wie Schulen oder Universitäten untersagt. Gehalten haben sich aber lange Zeit nur wenige daran. Seit 1. Mai 2018 darf auch in Büros nicht mehr gequalmt werden. Es braucht jetzt einen gesonderten Raum zum Rauchen. In der Gastronomie sind die Regeln bekanntlich noch locker. Werden die derzeitigen Pläne der Regierung aber umgesetzt, kommt das Rauchverbot in Lokalen im November 2019.
Die neuen Kavaliersdelikte
Ärger über E-Scooterfahrer und Essen in der U-Bahn:
- Netflix-Teilen
Technisch ist es problemlos möglich, den beliebten Streaming-Dienst mit anderen Nutzern zu teilen. Ginge auch nicht anders, denn innerhalb eines Haushaltes gibt es meist mehr als nur ein Empfangsgerät. Das Teilen dort ist explizit in den Abos vorgesehen, aber: Darf ein Abonnent seine Zugangsdaten auch Geschwistern, Eltern oder Freunden außerhalb weitergeben? Im Prinzip nicht, so steht es in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Theoretisch könnte Netflix bei allzu vielem Teilen das Konto sperren. Allerdings ist noch kein Fall bekannt, in dem das geschehen wäre. Teilen ist also ein Risikospiel.
- Essen in der U-Bahn
Was mit der U6 begann, wurde Mitte Jänner auf sämtliche Wiener U-Bahn-Linien ausgedehnt. Seither haben Käsekrainer, Döner und Nudeln im Wegwerfbecher während der Fahrt ausgedient. Gestraft wird nicht, die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes weisen nur auf das Verbot hin. Vor Kurzem veröffentlichten die Wiener Linien eine Halbjahresbilanz: Demnach wurden 372 Fahrgäste auf entsprechende Verstöße aufmerksam gemacht. Verglichen mit dem Aufkommen von rund 1,2 Millionen Passagieren täglich extrem wenig.
- E-Scooter
Die wendigen Roller sind vor allem aus Städten nicht mehr wegzudenken. Mit der jüngsten Novelle der StVO ist deren Benützung seit Juni österreichweit geregelt. Erlaubt sind sie überall dort, wo Radfahren gestattet ist oder umgekehrt: Fahren auf Gehsteigen ist untersagt, es sei denn, eine Gemeinde erlaubt dies in Schritttempo. Die Scooter dürfen maximal 25 km/h draufhaben, Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung ist verboten, es gilt eine Grenze von 0,8 Promille.
Weshalb Österreicher gerne einmal Verbote übertreten
Roland Girtler, Soziologe und Kulturanthropologe, gesteht: „Ich fuhr mit dem Fahrrad bei Rot über eine Kreuzung es kam kein Auto.“ Dafür aber von hinten ein Streifenwagen, den er „übersehen“ habe. Die Moral von der Geschichte? Der Uni-Professor „zeigte sich zerknirscht“, wie er schildert. „Der gelernte Österreicher neigt in unserem liberalen Rechtsstaat dazu, Normen zu brechen, da er hofft, dass deren Übertretung kaum bestraft wird beziehungsweise nicht bestraft werden kann“, erläutert Girtler. „Aber das ist allgemein menschlich so.“
Die Umschreibung „allgemein“ ist ein gutes Stichwort für Arnd Florack von der Uni Wien. Der Sozialpsychologe erklärt solches Verhalten der Mitmenschen als Frage der Norm und Gewohnheit. „Wir haben nicht alle jede Vorschrift im Kopf. Wir machen Dinge, die üblich sind“, beschreibt der Uni-Professor. „Das übliche Tun wird als relevanter angesehen als das, das eigentlich vorgeschrieben oder erlaubt ist.“
Ein Vorbild hilft
Florack untermalt mit einem einfachen Beispiel, das aber weit verbreitet vorkommen dürfte: In einer Siedlung sind einige Container für den Papiermüll aller Mieter. Hin und wieder kann man einen Bewohner beobachten, wie er Kartons säuberlich zerlegt und faltet. Damit mehr Platz ist im Papiercontainer. Das sind nicht etwa Schachteln, die er mit nach Hause gebracht hätte. Sondern jene der Nachbarn in der Hoffnung, dass sie dieses Verhalten endlich von ihm abschauen.
Nun ist es nicht verboten, Schachteln als Ganzes in den Mülleimer zu werfen. Aber geboten ist es schon, sie zu zerkleinern. Dies konsequent nicht zu tun, sei eine Sache der Gewohnheit und des Vorbilds, das die Gesellschaft gebe, erläutert Florack. Dies sei allerdings ein verbreitetes Phänomen auch weit über Österreich hinaus, wenn auch länderspezifisch und kulturell durchaus mit Unterschieden behaftet, betont der Uni-Professor.
Nun sagt man aber gerade den Österreichern einen gewissen Hang nach, es bei kleinen und kleinsten Verstößen nicht so eng zu nehmen. Soziologe Girtler erklärt dies mit einem Augenzwinkern so: „Die in Österreich viel gepriesene Freude an der ‚Schlamperei‘ tut das Ihre dazu bei.“ Außerdem sei es denkbar, dass man Ver- oder Gebote absichtlich umgehe. „Es ist möglich, dass die Verletzung von Vorschriften geradezu als heldenhaft angesehen wird“, sinniert Girtler. All das gepaart mit einem recht tief verwurzelten Sicherheitshoffen. „Der gelernte Österreicher scheint darauf zu vertrauen, dass ihm bei der Verletzung ‚kleiner‘ Gebote beziehungsweise Verbote ohnehin nichts passiert.“
Effektive Kontrollen
Doch jedes Verhalten ließe sich ändern, wenn man nur wollte. Psychologe Florack sieht zwei Wege: Mehr hinschauen, ob die Regeln befolgt werden, oder positive Beispiele. „Es geht um die Anzahl der Kontrollen, gar nicht so sehr um die Strafhöhe. Wenn jemand sieht, dass man kontrolliert wird, dann gibt das einen Effekt.“
Das kann allerdings auch mit positiver Konditionierung klappen. Vor 15 Jahren noch wurde derjenige, der die Trümmerl seines Hundes hinter dem Tier aufklaubte, schief angeschaut. Heute ist es genau andersherum: Die Gesellschaft goutiert mittlerweile dieses Verhalten nicht nur, sondern erwartet es. „Ich habe keinen Hund, gehe aber mit einem spazieren. Die Trümmerl nicht wegzuräumen würde ich mich gar nicht trauen“, schmunzelt Florack.
Zurück zu Professor Girtlers Erfahrung mit der roten Ampel. „Die Polizistin las meinen Namen im Ausweis und fragte mich, ob ich der Mann sei, der über das Rotlichtmilieu geschrieben hat. Ich bejahte“, erinnert sich Girtler. „Darauf nahm sie von einer Bestrafung Abstand. Ich war hoch geehrt.“ Auch das ist österreich-typisch: Ein guter Schmäh kann ein zwinkerndes Auge manchmal ganz zudrücken.
Kommentare