KZ-Häftlinge als "Landplage": Einstellung empört auch Justiz
Ein von der Staatsanwaltschaft Graz eingestelltes Verfahren aufgrund des NS-Verbotsgesetzes gegen die Zeitschrift "Aula" – der KURIER berichtete – sorgt anhaltend für Aufregung. Vor allem die Einstellungsbegründung empört nicht nur die Grünen, sondern auch die Israelitische Kultusgemeinde und selbst das Justizministerium. Auf das Verfahren kann es keinen Einfluss mehr nehmen.
Und auch der Justiz-Rechtsschutzbeauftragte Gottfried Strasser nicht: Die Frist sei bereits verstrichen, außerdem habe er ohnehin keinen Anlass gesehen, tätig zu werden. Auch die breit kritisierte Begründung der Einstellung ist aus seiner Sicht unbedenklich. Strasser wäre der einzige gewesen, der die Fortführung des Verfahrens veranlassen hätte können.
Der unabhängige Rechtsschutzbeauftragte hat den Akt nach der Erledigung durch die Staatsanwaltschaft Graz geprüft. Eine Tendenz zur Propagierung von NS-Zielen sei dem Artikel jedenfalls nicht zu entnehmen gewesen, meinte Strasser; auch wenn die "Aula" aus einer Ecke kommen möge, "wo das Gift des Nationalsozialismus noch immer drin ist". Auch die Begründung zur Verfahrenseinstellung, die auf heftigen Protest gestoßen ist, habe er für unbedenklich gehalten, "und ich halte sie nach wie vor für unbedenklich".
Die Begründung der Justiz
Der "Aula"-Artikel erschien in der Ausgabe Juli/August 2015 unter dem Titel "Mauthausen-Befreite als Massenmörder". Auch als "Landplage" und "Kriminelle" werden sie bezeichnet. Der Grüne Abgeordnete Harald Walser erstattete dagegen Anzeige. Das Ermittlungsverfahren wurde Ende Dezember eingestellt.
Vor allem die Begründung der Einstellung sorgte für Empörung: Darin steht, es sei "nachvollziehbar, dass die Freilassung mehrerer tausend Menschen aus dem Konzentrationslager Mauthausen eine Belästigung für die betroffenen Gebiete Österreichs darstellte". Es gebe in der Literatur Hinweise auf strafbare Handlungen. "Dies ist auch nach der allgemeinen Lebenserfahrung nachvollziehbar, da sich unter den Inhaftierten (unbestritten) Rechtsbrecher befanden."
"NS-Judikatur fortgeschrieben"
Walser zeigte sich davon erschüttert, richtete eine parlamentarische Anfrage an Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) und forderte Konsequenzen. Es werde "in skandalöser Weise indirekt die NS-Judikatur fortgeschrieben", empörte er sich. Die Staatsanwaltschaft übernehme "ungeniert die Täter-Opfer-Umkehr des Autors" des Artikels. Außerdem habe sich die Autorin des in dem Artikel vorgeblich behandelten Buchs ("Werwölfe im Waldviertel" von Ilse Krumpöck) aufs Schärfste von der Besprechung distanziert.
Rechtsschutzbeauftragte Strasser sieht das anders: Es habe sehr wohl Kriminelle gegeben, die von der SS im Lager als Capos eingesetzt worden seien. Ein Mann habe seinen Vater - einen Polizisten - damals sogar mit einer Pistole bedroht. Eine Beeinflussung seiner Entscheidung durch diese persönlichen Erlebnisse kann Strasser nicht erkennen. "Nein, ich sehe mich nicht befangen", betonte er, "aber ich weiß, dass es so war".
"Abscheuliche Täter-Opfer-Umkehr"
Auch dort zeigte man sich höchst unglücklich. "Diese Begründung ist unfassbar und in sich menschenverachtend", sagte Strafrechtssektionschef Christian Pilnacek. Die" unsägliche Diktion" des Artikels sei damit nachträglich gerechtfertigt worden. Das Ministerium und auch die Oberstaatsanwaltschaft Graz können dennoch nicht tätig werden, denn gemäß der geltenden Rechtslage sei man nicht vorab über die Entscheidung informiert worden. Pilnacek sprach von einer "groben Fehlleistung" und betonte: "Die Staatsanwaltschaft, wir alle, müssen dafür sorgen, dass solche fehlgeleiteten Begründungen nicht mehr passieren."
Neue Anzeige der Grünen
Der Grüne Walser zeigte sich erfreut über die Distanzierung des Justizministeriums und reagierte mit "Kopfschütteln bis Entsetzen" auf die Argumentation des Rechtsschutzbeauftragten. Die Grünen wollen erneut Anzeige erstatten und erhoffen sich zumindest eine sachgerechte Begründung der Abweisung. "Wenn diese Einstellungsbegründung aufrecht bleibt, ist zu befürchten, dass sie unter Rechtsextremen und Neonazis als Rechtfertigung für die weitere Verbreitung einer revisionistischen Geschichtsauffassung dient."
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