Kurz und seine Staatsbesuche: Image-Offensive nach Plan

Kurz und seine Staatsbesuche: Image-Offensive nach Plan
Kurz pflegt sein Bild als gern gesehener Gast und Gastgeber. Beobachter vermissen Inhalte.

Zuerst sitzen sie. Die Köpfe auf Augenhöhe. Unterhalten sich. Eher langweilig.

Die Kamera klickt erst, als der Kanzler aufsteht – und Wladimir Putin einlädt, es ihm nachzutun: Der jüngste Regierungschef der EU, der die Hand nach oben richtet und dem politischen Schwergewicht aus Russland etwas erklärt: das ist das Bild, das man haben will.

Sebastian Kurz erklärt den Großen seine Welt.

Kurz und seine Staatsbesuche: Image-Offensive nach Plan

Gezielte Auswahl

In der Bildersammlung des Kanzleramts ist es kein Einzelstück: Egal, ob mit Papst Franziskus, Arnold Schwarzenegger oder Emmanuel Macron – von beinahe jedem Treffen des Kanzlers mit hochrangigen Gästen existiert ein Foto, auf dem Kurz spricht, die Hand hebt, etwas erklärt. Alles Absicht also? „Ja, das Team um Kurz wählt das Motiv gezielt aus“, sagt Petra Bernhardt, die an der Uni Wien zu visueller politischer Kommunikation forscht. Vor allem Dragan Tatic, Kurz’ eigener Fotograf im Kanzleramt, inszeniert ihn gerne so, dass er im Bild dominiert. Warum, ist auch klar: „Die Mächtigen der Welt hören ihm zu.“

Das „Welterklärer-Bild“ steht aber auch prototypisch für etwas anderes, das Kurz von seinen Vorgängern unterscheidet: Sein Fokus liegt so stark auf Außenpolitik, dass sich für viele Beobachter der Vergleich mit Kanzler Bruno Kreisky aufdrängt – sein Engagement sorgte ja im Nahen Osten für Furor(e). Dass Kurz am Sonntag auf Israels Premier Benjamin Netanjahu trifft, passt ins Narrativ des weltgewandten 31-Jährigen.

Wenn er am Mittwoch zur Stippvisite in Berlin ist– wie immer, und darauf legt man Wert, in der Economy Class – wird das sein 16. Auslandstermin sein. Weitere 22 Mal hatte der ÖVP-Chef in den ersten 174 Tagen seiner Amtszeit internationale Gäste in Wien zu Besuch. Das sind in Summe 37 Auslandskontakte; zum Teil mit der Creme de la Creme der Politik (von Merkel, Macron über Orban und Putin bis zu Chinas Xi Jinping). Fehlt nur Trump. Und an diesem Politgipfel – Putin und der US-Präsident sollen sich in Wien begegnen – wird hinter den Kulissen des Ballhausplatzes angeblich schon lange gearbeitet. Ein Putin-Sprecher bestätigte am Samstag, das Wien als Ort erwogen wird.

Die Frage, warum Kurz sich lieber als seine Vorgänger am internationalen Parkett bewegt (Ex-SPÖ-Kanzler Werner Faymann hatte in seinen ersten 174 Tagen 21 internationale Kontakte, dessen Nachfolger Christian Kern sogar nur 14), ist seiner Vita geschuldet. „Kurz’ größtes Talent sind die Auslandsagenden“, sagt Paul Ronzheimer, Chefreporter der Bildzeitung und Biograf des Kanzlers – schließlich war Kurz Außenminister. Dem stimmt Hasnain Kazim, Österreich-Korrespondent des Spiegel, zu: „Sebastian Kurz weiß sich zu inszenieren. Es geht ihm um die Außenwirkung.“ Er wisse um die Sympathien, die ihm von Amerikanern, Russen und Deutschen entgegenfliegen – „da gilt er ja bei vielen Konservativen, die Merkel überdrüssig sind, als der junge Star, nach dem sie sich sehnen. Damit ist aber nicht gesagt, dass er Außenpolitik macht.“

Dass er dabei einer Devise folgt, die die deutsche Kanzlerin seit Jahren vorlebt, hat eine gewisse Ironie: Merkel überlässt die Innenpolitik ihren Ministern, agiert dafür gerne auf der Bühne der Weltpolitik, weil die besseres Ansehen genießt. Kurz’ Agieren hat Konsequenzen: „Karin Kneissl kennt in Deutschland kein Mensch. Auch Alexander Van der Bellen hat im Zuge des Putin-Besuchs für das Ausland keine Rolle gespielt. Hängen bleibt, dass Putin Kurz besucht hat“, sagt Ronzheimer.

„Baustellengeräusch“

Im Inland hat man während seiner Reisen den Eindruck, dass in allen Ressorts an unterschiedlichsten Materien gewerkt wird, ob Albanienroute, Mindestsicherung oder Sozialversicherung. Dieser Eindruck ist gewollt, wird in Regierungskreisen „Baustellenge- räusch“ genannt und schlägt sich wohl auch in den – für einen neuen Kanzler untypisch anhaltend hohen – Beliebtheitswerten nieder.

Nur: Ob die Republik tatsächlich umgebaut wird, ist heute nicht absehbar. Wichtig sei , so Ronzheimer und Kazim, dass Kurz Themen abseits der Migration setze und die Ankündigungen für die Wähler spürbar werden. „Kurz muss darauf achten, dass er auch liefert“, sagt Ronzheimer. Er habe derzeit leichtes Spiel, denn „die Außenwahrnehmung ist: Österreich hat gar keine Opposition.“

Zumindest in den nächsten sechs Monaten wird sich daran wohl wenig ändern. Österreich hat ab 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft inne und Kurz kann sich als Gastgeber so geben, wie er es in den ersten Monaten seiner Kanzlerschaft gemacht hat.

Achten müsse er nur darauf, dass es nicht bei schönen Motiven bleibt, sagt Petra Bernhardt. Sie meint damit insbesondere seinen Instagram-Account, auf dem Kurz fast ausschließlich beim Händeschütteln mit Staatsspitzen im Ausland oder beim Empfang selbiger im Kanzleramt zu sehen ist (siehe Bilder). „Das sind maximal harmlose Bilder, damit kann man natürlich wenig falsch machen“. Auf Sicht brauche es aber mehr Auseinandersetzung mit Themen – wie bei Kanadas Premier: „Justin Trudeau setzt über die Selbstinszenierung hinaus auch auf Inhalte. Dafür hat Kurz noch ein Stück weit zu gehen.“

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