Kurz-SMS an Strache: "Bitte halte mich nicht für ganz deppert"
Lange musste der Ibiza-U-Ausschuss warten – nun wurden die Chatverläufe zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz und dem damaligen FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache endlich und in einer niedrigen Klassifizierung geliefert. Der KURIER bekam einen ersten Einblick. Der Zeitraum der Chats erstreckt sich von Jänner 2019 bis 12. Juni 2019, sowie einige wenige Chatverläufe aus dem Jahr 2017.
Eines gleich vorweg: Postenschacher oder Korruption sind aus den Chatverläufen keine zu erkennen. Man fragt sich bei der Durchsicht viel mehr, was diese Chats im U-Ausschuss verloren haben.
Denn in den Chatverläufen, die die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft an den Ibiza-U-Ausschuss schickte, findet sich kein Wort zur Bestellung von Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria. Da wird nicht über eine Glückspielnovelle gesprochen. Da gibt es auch keine Unterhaltung zum Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds, wo Strache für Walter Grubmüller gesorgt haben soll, dass sein Spital in diesen Fonds aufgenommen wird.
Szenen einer schwierigen Ehe
Viel mehr sind es Einblicke in die Szenen einer Koalitionsehe. Und die war nicht immer so harmonisch zwischen ÖVP und FPÖ, wie sie nach außen wirkte. Als etwa das Rattengedicht bekannt wird, wirft Strache dem Kanzler vor, dass er dieser doch auch einmal öffentlich sagen könnte: „Ich arbeite mit den freiheitlichen Regierungsmitgliedern seit einem Jahr und vier Monaten zusammen und ich weiß, das sind keine Rechtsextremisten.“ Strache ärgert sich, dass Kurz der FPÖ hier einige Kritik über die Medien ausrichtet.
Als bekannt wird, dass der Identitäre Martin Sellner in Kontakt mit dem Christchurch-Attentäter war und auch eine Spende von ihm erhalten hatte, ist Kurz sauer. Er schreibt am 1. April 2019 an Strache, dass das „Thema für uns eine Belastung ist“. Und meint weiter: „Haben Anfragen aus aller Welt und ich hoffe auf eine klare Position von eurer Seite.“ In einem weiteren Chat fordert Kurz von Strache: „Ich hoffe, wir finden nach Ostern wieder einen ordentlichen Modus. So bringt das wirklich nichts (....), aber bitte halte mich nicht für ganz deppert.“
Inhaltliche Dispute gab es auch jede Menge: Da streiten Strache und Kurz beispielsweise um die Erhöhung der Mindestpension auf 1.200 Euro netto. Die ÖVP will aber nur auf 1.200 Euro brutto erhöhen. Strache schreibt wütend an Kurz: „Die Brutto-Variante betrifft gerade mal 8.500 Personen in der Pension und am meisten profitieren die Bauern, weil die die Versichertenzeiten haben. Unser Klientel ist da weniger betroffen. Das ist eine Provokation!“ Heftige Dispute gab es auch um die Abschaffung der GIS-Gebühren, die die FPÖ unbedingt wollte, aber die ÖVP blockiert hier. Die Erhöhung der Mindestpension war übrigens die letzte Pressekonferenz am Tag, bevor das Ibiza-Video öffentlich wurde.
Ibiza: Wer steckt dahinter?
Das Ibiza-Video kündigte Strache dem Kanzler übrigens so an. Am 16. Mai 2019 um 12 Uhr 43 schreibt Strache. „Ich muss mit dir heute noch vertraulich reden.“ Kurz: „Ok. Worum geht es? Wann sollen wir und wie lange?“ Dann diskutieren die beiden über die Uhrzeit. Kurz bestätigt dann und meint: „Ok. Dann 20 Uhr. Was ist los? Was Schlimmes?“ Strache antwortet: „Halb so wild. Viele falsche Vorwürfe, welche so nicht stattgefunden haben. Aber die Frage ist der Auftraggeber ... da haben wir zur Zeit ein paar Informanten.“
Und Kurz fragt: „Wer steckt dahinter? Silberstein?“ Strache antwortet: „Wenn das so einfach wäre, dann wäre es schön!“
Blümel an Strache: "Hast du auch die Stuhlproben?“
Man findet aber auch amüsante Passagen. Etwa als Strache an den damaligen Regierungskoordinator Gernot Blümel in der Chatgruppe schreibt: „Du darfst nicht immer so kontrolliert bleiben, lieber Gernot. Geh einmal aus dir raus.“ Und auch Kickl und Hofer geben Blümel den Rat: „Öffne die Ventile.“
Als Strache Kurz und Blümel ganz exklusiv und detailliert von einem Treffen von sozialdemokratischen Granden wie Vranitzky & Co. berichtet, antwortet Kurz etwas süffisant: „Aha, was du immer an Infos auftreibst.“ Eine Stunde später schreibt Strache, dass nun auch Pamela Rendi-Wagner an dem Treffen teilnehme. Und Blümel antwortet trocken: „Hast du auch die Stuhlproben?“
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