Van der Bellen: "Jede Einschränkung von Pressefreiheit inakzeptabel"
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) übte am Rande der UNO-Generalversammlung in New York Kritik an der vom Innenministerium "empfohlenen" Info-Sperre gegen kritische Medien. Es dürfe durch Kommunikationsverantwortliche keine Ausgrenzung gewisser Medien geben, betonte Kurz.
In einem E-Mail aus dem Büro von Innenminister Herbert ( FPÖ) wird angeregt, die Kommunikation mit bestimmten Medien auf "das Nötigste" zu beschränken. Im Visier sind der Standard, der Falter und auch der KURIER. Anfragen dieser drei Blätter sollten nur mehr soweit rechtlich geboten beantwortet werden, wird den Landespolizeidirektionen als Adressaten des Mails geraten.
Außerdem empfiehlt das Ministerium, die Staatsbürgerschaft und den Aufenthaltsstatus von Verdächtigen in Aussendungen explizit zu nennen sowie Sexualdelikte verstärkt zu kommunizieren.
Der Leiter der Kommunikationsabteilung des Innenministeriums, Alexander Marakovits, hatte das E-Mail am Montagabend verteidigt und damit bestätigt. Urheber sei der Ressortsprecher Christoph Pölzl.
"Für einen freien und unabhängigen Journalismus im Land tragen besonders Parteien und Regierungsinstitutionen sowie öffentliche Einrichtungen eine hohe Verantwortung. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist nicht akzeptabel", so Kurz' Botschaft in Richtung FPÖ-Innenminister Kickl.
Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen betonte in New York ausdrücklich die Bedeutung der Meinungs- und Pressefreiheit. "Die Freiheit der Meinungsäußerung, die Medien- und Pressefreiheit sind Grundpfeiler unserer liberalen Demokratie und unseres Rechtsstaates in Österreich. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist inakzeptabel", betonte Van der Bellen. Jedes Medium sollte den gleichen, freien Zugang zu Informationen haben, eine Diskriminierung einzelner Medien darf nicht vorkommen. Öffentliche Stellen hätten die Pflicht, die Medien umfassend zu informieren und so den Bürgerinnen und Bürgern die Teilhabe an der demokratischen Diskussion zu ermöglichen.
"Boykott von Medien" dürfe nicht sein
Dass das Innenministerium angekündigt hat, eine neue Kommunikationsrichtlinie zu erarbeiten und eine faire Zusammenarbeit mit allen Medien anzustreben, hält Kurz allerdings für richtig. Nachsatz: "Die Ausgrenzung oder der Boykott von ausgewählten Medien darf in Österreich nicht stattfinden. Das gilt für die Kommunikationsverantwortlichen aller Ministerien und öffentlichen Einrichtungen." Der Kanzler betonte zudem, dass das für alle Parteien gelte.
Im Bundeskanzleramt verwies man aber auch darauf, dass es in der Vergangenheit immer wieder zu solchen Versuchen in der politischen Kommunikation gekommen sei. So habe das Team von Ex-Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) Anfang 2017 wegen eines für die damalige Regierung wenig erquicklichen "Bürgerforums" vorübergehend den ORF boykottiert und im Herbst 2017 einen Inseratenboykott über eine österreichische Tageszeitung verhängt.
Allerdings: Von einer Boykott-Anregung an Beamte gegen bestimmte Medien war damals freilich keine Rede.
Edtstadler geht auf Distanz
Staatssekretärin Karoline Edtstadler ( ÖVP) ist am Dienstag auf Distanz zum E-Mail aus ihrem Ministerium gegangen. "Sie wissen, dass ich nicht nur eine Kennerin, sondern auch eine Verfechterin der Europäischen Menschenrechtskonvention bin", sagte sie am Rande einer Pressekonferenz.
Dazu gehöre das Recht auf Meinungsfreiheit "und darin beinhaltet ist auch die Pressefreiheit", erklärte Edtstadler. "Das steht nebenbei auch in Österreich im Verfassungsrang und daher ist für mich jede Einschränkung der Meinungsfreiheit oder auch der Pressefreiheit inakzeptabel."
Wie ein derartiges Mail das von Kickl geführte Ministerium verlassen konnte, müssten diejenigen gefragt werden, die es ausgesandt haben, sagte die ÖVP-Politikerin auf Nachfrage. Sie sei "in keiner Weise involviert" gewesen und habe selbst davon aus den Medien erfahren.
Kanzler Kurz distanziert sich von Innenministerium
Ministerium: Keine Weisung
Das FPÖ-geführte Innenministerium war am Dienstag neuerlich darum bemüht, die Bedeutung des Papiers herunterzuspielen. Die Kritik an der Medienarbeit des Ressorts wies man zurück. Kickl selbst nahm vorerst nicht Stellung und ging auf Tauchstation.
Der Freiheitliche schickte den Leiter der Präsidialsektion, Karl Hutter, in der Causa vor. "Von einer 'Informationssperre' kann keine Rede sein", stellte Hutter fest. Im kritisierten Schreiben des Ressortsprechers, das an verschiedene Polizeidienststellen versandt wurde, werde schließlich ausdrücklich auf das "rechtlich vorgesehene" Maß der Zusammenarbeit mit Medien hingewiesen, auch sei zur Erläuterung eine umfangreiche Passage aus dem Auskunftspflichtgesetz beigefügt worden.
Hutter betonte als Vorgesetzter des Ressortsprechers, der das Schreiben verfasst hatte, dass es sich weder um eine Weisung handle noch um ein Schreiben, das im Auftrag oder auch nur im Wissen des Innenministers oder seines Kabinetts verfasst wurde. Formulierungen wie "Schreiben aus dem Ministerbüro" oder gar "Geheimpapier" seien deshalb unzutreffend, erklärte Hutter in einer Aussendung.
Das Innenministerium will die aktuelle Debatte zum Anlass für eine Neufassung der Grundlagen der Medienarbeit nehmen.
Polizei Wien machte bereits Umstellungen
Für die Pressestelle der Landespolizeidirektion (LPD) Wien stellen die Empfehlungen aus dem Ministerium "keine Änderung im täglichen Gebrauch unserer Medienarbeit dar". Das sagte Leiter Manfred Reinthaler auf Anfrage. Aber: Ganz so unverbindlich dürften die "Anregungen" aus dem Ministerium auch wieder nicht sein. Eine Ausnahme mache die LPD Wien bei der Nennung der Staatsbürgerschaft bei Verdächtigen in Aussendungen.
Diesbezüglich hat die LPD Wien ihre bisherige Praxis schon vor einer Woche - vor dem E-Mail von Ressortprecher Pölzl – aufgrund telefonischer Informationen aus dem Ministerium geändert. Reinthaler sieht darin eine Maßnahme "im Sinne der Transparenz" und eine österreichweit einheitlichere Linie als zuvor. "Wenn alle benannt werden (Österreicher wie Ausländer, Anm.), ist das für uns in Ordnung", sagt der Pressechef. "Wenn die fachvorgesetzte Behörde darum ersucht, das zu machen, tun wir das natürlich."
Bisher keine Änderungen bei Sexualverbrechen
Bei der für die Öffentlichkeit bestimmten Kommunikation zu Sexualstraftaten gelte nach wie vor der Grundsatz, den Opfer- und Datenschutz in den Vordergrund zu stellen. "Beim Großteil der Sexualstraftaten, in etwa 80 Prozent der Fälle, besteht aber eine Täter-Opfer-Beziehung. Bei solchen Taten im familiären Bereich könnte die Identität des Opfers leicht nachvollzogen werden, deswegen wird hier zumeist von einer Veröffentlichung abgesehen. Es ist eine Frage der Prioritäten."
Zum Hauptvorwurf einer geplanten Beschneidung der Pressefreiheit durch Ausgrenzung kritischer Medien betonte Reinthaler: "Es gibt absolut keine Info-Sperre. Das steht so auch nicht drinnen." Dass die sogenannten Exklusivbegleitungen von Journalisten zur Imagepflege eingesetzt werden, "das mache ich, seit ich hier Chef bin". Wer dort zum Zug kommt, "das suchen wir schon selber aus". Dass das Ziel "eine neutrale oder positive Berichterstattung" sei, "ist nichts Neues".
Tiroler und Kärntner Polizei: Keine Adaptionen
Auch die Pressstelle der LPD Tirol sieht in dem Mail "keine Anleitung", gewisse Medien von Informationen auszuschließen. Die Kärntner Polizei will wegen der "Anregungen" aus dem Wiener Ministerium ihre Informationspolitik nicht ändern. "Die Staatsbürgerschaft wird bei uns, wenn es relevant ist, bereits seit Jahren genannt", betonte der Leiter der Pressestelle, Rainer Dionisio, am Dienstag. Eine Benachteiligung einzelner Medien werde nicht geben.
Kommentare