Kurz' atmosphärischer Besuch bei Brexit-Boris

Kurz' atmosphärischer Besuch bei Brexit-Boris
Kanzler Kurz bei Briten-Premier Johnson, um EU-Austrittsverhandlungen voranzutreiben

Das letzte Mal, im Juli 2018, hatte sich Sebastian Kurz einen schwierigen Tag ausgesucht für seine London-Reise. Theresa May, damals noch Premierministerin, bekam just am Tag seines Besuches schlechte Neuigkeiten: Ihr Außenminister, Boris Johnson, hatte wegen ihrer „zu weichen Brexit-Position“ hingeworfen, und das mit nicht jugendfreier Wortwahl.

Mittlerweile ist die Welt eine andere. Johnson, das Enfant terrible, sitzt in der Downing Street 10, und Kurz ist wieder Kanzler, aber nicht mehr mit den österreichischen Enfants terribles, den Blauen. Er darf seine türkis-grüne Koalition europäische Avantgarde nennen und tut das, was er gut kann: Er ist am internationalen Parkett unterwegs.

Sein Ziel heute ist deshalb ein atmosphärisches: Er will „positiv einwirken“ auf sein Gegenüber, sagt er vor dem Treffen. Das kann funktionieren: Die beiden kennen einander, verstehen sich. Doch freilich ist auch Kurz klar, dass mit „Brexit-Boris“ ein anderer Wind von der Insel Richtung Brüssel weht. „Er weiß, was er will“, so Kurz’ Einschätzung danach. „Es wird noch eine sehr intensive Debatte auf uns zukommen. Johnson ist sehr klar in seinen Vorstellungen, insbesondere was die Deregulierung betrifft. Er ist sicher nicht zu jeglicher Kooperation bereit.“

Der größte Knackpunkt: Brüssel treibt die Angst vor einer feindlichen Konkurrenz vor der Haustür um. Da der Brexit viel kosten wird – seit dem Referendum hat die britische Wirtschaft schon mehr Geld verloren, als man in 47 Jahren Mitgliedschaft an Brüssel gezahlt hat –, will man sich möglichst große Freiräume bei einem Handelsabkommen sichern. Das heißt: So wenige Vorschriften seitens Brüssel wie möglich.

Handshake Kurz Johnson

Die Gefahr vor der Tür

Johnson will darum ein Abkommen ähnlich jenem mit Kanada, die EU hätte lieber eines wie das mit der Schweiz, sagt Kurz. Bei den Eidgenossen gelten dieselben Standards und Normen wie in der EU. Genau das will Johnson verhindern, schließlich haben sich die Brexiteers genau dagegen verwehrt. Nur: „Wenn die Briten beginnen, zu deregulieren, und die Körperschaftssteuer massiv zu senken, kann das schon sehr attraktiv sein für ausländische Investoren. Die Gefahr eines neuen Konkurrenten vor der Haustür ist da“, sagt Christian Kesberg, Handelsdelegierter in London.

Kurz’ Ziel ist, dass künftig „keine ungleichen Wettbewerbsbedingungen“ herrschen. Schließlich hat auch Österreichs Wirtschaft viel zu verlieren. Sieben Milliarden Euro beträgt das Handelsvolumen, das zuletzt sogar gestiegen ist. Speziell eine Branche würde einen No Deal spüren: Wirft man einen Blick in die Statistiken, ist vor allem die Autozuliefererbranche groß vertreten. Kämen nun Zölle, was bei einem No Deal unumgänglich wäre, drohen Magna und Co. Einbußen.

Dass Johnson mit seinen Vier-Augen-Gesprächen einen Keil in die EU-27 treiben will – er trifft die Staats- und Regierungschefs ja alle einzeln –, glaubt Kurz übrigens nicht. „Wenn das die Taktik ist, wird sie nicht gelingen.“

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