Ausblick 2016: Die Stimmung ist schlechter als die Lage

Ausblick 2016: Die Stimmung ist schlechter als die Lage
Es wird härter, schwieriger: Die Bevölkerung geht ausnehmend skeptisch ins neue Jahr. Manche Sorgen nehmen sich im Vergleich der letzten drei Jahrzehnte weitaus größer als notwendig aus.

"Es wird zunehmend schwieriger, mit dem Einkommen auszukommen." Müsste der Chef des OGM-Instituts Wolfgang Bachmayer die Ergebnisse seiner jüngsten OGM-Studie für den KURIER in einem Satz zusammenfassen, es wäre wohl dieser. Die Angst, materiellen Wohlstand einzubüßen, ist das Gefühl, das die Österreicher derzeit am massivsten beeinflusst. Im Unterschied zu vielen anderen Umfragen hat OGM diesmal einen Langzeit-Vergleich erstellt, der den Bogen von 1986 bis in die Zukunft spannt (Details unten).

Und bei Fragen wie etwa der Armutsgefährdung sind die Österreicher deutlich pessimistischer als noch in den 80er-Jahren.

Wälzten 1986 nur vier von zehn Befragten die Befürchtung, dass die Bevölkerung in Bälde ärmer sein wird, sind es heute, knapp 20 Jahre später, sieben von zehn.

"Gleichzeitig mit dem Wohlstand ist seit den 80er-Jahren auch die Furcht vor dem Verlust gestiegen", sagt Bachmayer. Bei Frauen sei sie überdurchschnittlich stark ausgeprägt – fast 80 Prozent der Frauen glauben, die Österreicher werden 2020 ärmer sein.

Ausblick 2016: Die Stimmung ist schlechter als die Lage
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Zu dieser Sorge passt, dass die satte Mehrheit (70 Prozent) mit einer höheren Steuerbelastung rechnet. Wie geht das mit der im Jänner 2016 wirksam werdenden Steuerreform zusammen? "Ohne die Reform wäre der Wert vermutlich noch höher", sagt Bachmayer. Er erklärt die große Angst vor weiteren Steuer-Erhöhungen so: "Diese Sorge ist gelernt. Als in den 70er-Jahren die Umsatzsteuer neu eingeführt wurde, war das für breite Bevölkerungsgruppen ein Schock. Seit damals gab es keine wesentlichen Korrekturen in die andere Richtung – das Abgaben-Niveau blieb hoch."Ein richtiggehender Meinungsumschwung ist beim Thema Pensionen zu beobachten: Während in den 80er-Jahren nicht einmal ein Drittel der Menschen dachte, dass das Pensionsantrittsalter künftig steigen wird, sind es nunmehr mehr als 90 Prozent. Überraschend ist für den Meinungsforscher, wie pessimistisch die Österreicher die Frage der Gleichberechtigung von Mann und Frau sehen. "Aus meiner subjektiven Perspektive hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gott sei Dank sehr vieles zugunsten der Frauen verbessert", sagt Bachmayer. Früher sei es beispielsweise aufgrund von gesetzlich verankerten Benachteiligungen zu unglaublichen Situationen gekommen: "Eine Scheidung war für Frauen gleichbedeutend damit, dass sie von heute auf morgen auf der Straße stehen", so der OGM-Chef.

Die Daten seiner Umfrage belegen allerdings nicht, dass die Bevölkerung Verbesserungen wahrgenommen hat, im Gegenteil: Mit 86 Prozent glauben mehr Menschen als je zuvor, dass die berufliche Gleichstellung von Frauen und Männern nie Realität wird.

Bachmayer erklärt das Ergebnis so: "Es wird zu Recht sehr viel über die Gleichberechtigung und in der Gesellschaft vorhandene Defizite berichtet. Durch die intensive Thematisierung hat die Bevölkerung aber offenbar das Gefühl, dass sich wenig bis gar nichts zum Besseren wandelt."

Apropos Wandel: Im Bereich der institutionalisierten Politik ist offenbar ein deutliches Umdenken spürbar.

Denn bei der Frage, welche Partei in Zukunft die führende Rolle im Land spielen wird, führt die FPÖ – und das mit einer deutlichen Mehrheit von 29 Prozent gegenüber der SPÖ (15 Prozent). "Dieses Ergebnis hat mit den jüngsten Wahlen sowie kursierenden Umfragen zu tun", sagt Bachmayer. "Die Wähler lesen und hören, dass die Freiheitlichen in vielen Erhebungen Platz 1 erreichen – dementsprechend antworten sie auf die Frage, wer künftig eine wichtige Rolle spielt."

OGM-KURIER-Studie: Der Langzeit-Vergleich

Wenn ein Meinungsforschungsinstitut am Tag X eine größere Gruppe Menschen – in diesem Fall mehr als 500 – am Telefon erreicht, um die aktuelle Stimmungslage zu erfragen, dann kann das im Einzelfall sehr spannend sein. Im Idealfall bekommen die Auftraggeber ein authentisches Stimmungsbild geliefert, eine Momentaufnahme.

Wenn allerdings dieselbe Frage wieder und immer wieder gestellt wird, und solcherart Jahre oder – wie im vorliegenden Fall der KURIER-OGM-Umfrage – Jahrzehnte vergehen, dann lassen sich nicht nur Stimmungen, sondern gesellschaftliche Veränderungen nachzeichnen. Und diese zeigen sich am deutlichsten bei den Themen Arbeitsmarkt, Pensionen und Sicherheit. Während beim Themenbereich Armut/Job und Altersversorgung zunehmend Pessimismus um sich greift, ist die Angst vor einer subjektiven Gefährdung – etwa durch Einbrüche etc. – bemerkenswerterweise nicht gestiegen: Die Österreicher fühlen sich in Sachen Kriminalität gleich sicher wie vor zwanzig Jahren.

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