Ex-Grüner Chorherr darf auf höheren Kostenersatz hoffen, Strache nicht

Für Heinz-Christian Strache kommt sie zu spät, für Christoph Chorherr gerade rechtzeitig: die Neuregelung des Kostenersatzes, die ein Vielfaches der bisherigen Entschädigung bei Freispruch bringen soll. Die Änderung der Strafprozessordnung soll am Freitag im Nationalrat beschlossen werden – und rückwirkend ab 1. Jänner 2024 gelten.
Richard Soyer, Verteidiger des Ex-Grünen Chorherr, hält es für „realistisch“, dass sein Mandant Anspruch hat. Der Freispruch in der Spenden-Causa fiel im Jänner 2023 und wurde im Mai 2024 rechtskräftig. „Wir haben bisher keinen Antrag auf Kostenersatz gestellt, weil wir die Neuregelung abwarten wollen“, sagt er zum KURIER. Wie hoch dieser ausfallen wird, traut er sich nicht abzuschätzen.
„Extremer Umfang“
Das neue stufenförmige Modell bietet einen Rahmen von bis zu 60.000 Euro, die genaue Höhe muss ein Richter individuell auf den Betroffenen abstimmen.
In der „Grundstufe“ stehen einem Beschuldigten im Schöffen- und Geschworenenverfahren bis zu 30.000 Euro zu. Bei längeren Verfahren (Stufe 2) kann sich dieser Höchstsatz um 50 Prozent erhöhen bzw. sogar verdoppeln, wenn diese einen „extremen Umfang“ haben, besonders komplex sind sowie mehrere Beschuldigte und/oder Delikte umfassen (Stufe 3).
Dem ehemaligen grünen Planungssprecher und neun weiteren Beschuldigten (darunter Immobilientycoons wie Michael Tojner und René Benko) war Korruption im Zusammenhang mit Flächenwidmungen vorgeworfen worden. Die Ermittlungen dauerten fünf Jahre.
Das Justizministerium geht in seiner Folgeabschätzung übrigens davon aus, dass pro Jahr insgesamt 45 Freisprüche in Verfahren der Stufe 3 anfallen werden.
Geplant ist einerseits eine Erhöhung der bisherigen Pauschalbeträge bei Freisprüchen. Diese betragen bis zu
- 30.000 Euro bei Freispruch im Schöffen- oder Geschworenenverfahren,
- 13.000 Euro bei Freispruch durch einen Einzelrichter vor einem Landesgericht und
- 5.000 Euro bei Freispruch vor einem Bezirksgericht.
Diese Höchstsätze können nach Ermessen des Richters in einem mehrstufigen Modell um 50 Prozent erhöht werden, wenn die Hauptverhandlung von längerer Dauer ist (Stufe 2: 45.000 bzw. 19.500 bzw. 7.500 Euro). Verdoppelt werden können die Höchstsätze, wenn die Verfahren von „extremem Umfang“ sind (Stufe 3: 60.000 bzw. 26.000 bzw. 10.000 Euro).
Das Justizministerium geht in seiner Folgeabschätzung pro Jahr von ca. 30 Großverfahren mit im Schnitt jeweils zehn Beschuldigten aus. Daraus dürften sich pro Jahr ca. 45 Freisprüche der Stufe 3 – also der höchsten Stufe bei Schöffen- und Geschworenenverfahren – ergeben. Auf Stufe 2 dürften pro Jahr 162 Freisprüche anfallen, auf Stufe 1 wären es laut BMJ 443.
Zweitens sollen künftig auch Beschuldigte, deren Verfahren eingestellt wurden, einen Kostenersatz bekommen. Dieser beträgt bis zu
- 6.000 Euro auf der Grundstufe
- 9.000 Euro bei „außergewöhnlichem Aufwand im Ermittlungsverfahren“
- 12.000 Euro bei Verfahren von „extremem Umfang“.
In Summe sind für die neuen Kostenersätze 70 Millionen Euro pro Jahr budgetiert - von 2024 bis einschließlich 2028. Dann wird evaluiert.
Strache geht leer aus
Ex-FPÖ-Vizekanzler Strache, der seit dem Platzen der Ibiza-Affäre 2019 einen „hohen sechsstelligen Beitrag“ für seine Verteidigung bezahlt haben soll, ist von der Neuregelung nicht umfasst. Sein letzter Freispruch (Prikraf-Causa) wurde im Sommer 2023 rechtskräftig.
Dabei war Strache eines der wohl plakativsten Beispiele dafür, dass die derzeitige Pauschale in überlangen Verfahren bei Weitem nicht ausreicht. Er bekam damals nur 3.000 Euro Entschädigung.
Der ÖRAK (Österreichischer Rechtsanwaltskammertag) hat laut Begleittext zum Gesetz eingemeldet, dass die Verteidigung in einem durchschnittlichen Ermittlungsverfahren rund 3.124 Euro kostet.
Bei Verfahren vor einem Einzelrichter würden im Schnitt rund 6.500 Euro fällig, während die Verteidigung in einem Schöffen- und Geschworenenverfahren schon mit 14.469 Euro zu Buche schlagen kann. Bei Verfahren, die mehrere Jahre andauern, kann sich dieser Betrag freilich ums Vielfache steigern.
Bei Einstellung eines Verfahrens gab es bis dato gar nichts – künftig aber bis zu 6.000 Euro. Und auch hier kann der Höchstsatz doppelt so hoch ausfallen, wenn das Ermittlungsverfahren extrem umfangreich war.
Beschwerden und Antragsflut
Auf die Richterschaft kommt viel Arbeit zu – nicht nur, weil laut Gernot Kanduth, Präsident der Richtervereinigung, mit einer Vielzahl an Anträgen aus der ersten Jahreshälfte (wie Chorherr) zu rechnen sei, sondern auch mit zahlreichen Beschwerden gegen die festgesetzten Beträge. Logisch: Gerade in der Anfangszeit werden viele Verteidiger austesten, was bzw. wie viel die neue Regelung hergibt.
Laut Folgeabschätzung erfordert der Mehraufwand sechs neue Richterplanstellen. „Diese Rechnung geht nicht auf“, sagt Kanduth. Zudem sei mit dieser Aufstockung erst im Rahmen des neuen Budgets, also im Herbst 2025, zu rechnen.
2023 kam es laut Justizministerium zu 8.922 Freisprüchen und 28.015 Verurteilungen im Hauptverfahren. 173.359 Strafverfahren wurden eingestellt.
Die häufigsten Delikte, aufgrund derer es zu einer Einstellung kam, waren:
- Fahrlässige Körperverletzung
- Diebstahl
- Körperverletzung
- Betrug
- Sachbeschädigung
Zu Freisprüchen kam es am häufigsten bei den Delikten:
- Körperverletzung
- Diebstahl
- Betrug
- Gefährliche Drohung
- Sachbeschädigung
„Äußerst begrüßenswert“ findet unterdessen Philipp Wolm, Präsident der Vereinigung der Strafverteidiger, die Neuregelung. Er betont aber, dass es sich mehr um einen „Beitrag“ handle als um einen „Ersatz“. Die Kosten einer „umfangreichen und qualitativ hochwertigen Verteidigung werden auch in Zukunft die neuen Grenzen etwas ausdehnen“.
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