Kopftuchverbot an Schulen ab Semesterferien 2026: Erst Aufklärung, dann Strafen

PK "KINDERKOPFTUCHVERBOT AN SCHULEN?: SHETTY / PLAKOLM / LEICHTFRIED
Die Ausgangssituation im Vergleich zu 2019 sei heute eine "völlig andere", so Integrationsministerin Plakolm. Was das Gesetz genau vorsieht.

Zusammenfassung

  • Das Kinder-Kopftuchverbot gilt ab den Semesterferien 2026, mit einer Aufklärungsphase vor Einführung von Sanktionsbestimmungen ab Schulbeginn im Herbst.
  • Das Verbot gilt an allen Schulen in Österreich (Klassen, Schulhöfe, Sporthallen, etc.) und für alle Mädchen bis zum vollendeten 14. Lebensjahr.
  • Verboten ist das Tragen eines Kopftuches, "welches das Haupt nach islamischen Traditionen verhüllt“, also vom Hijab bis zur Burka. Bei Verstößen drohen Eltern Geldstrafen bis 800 Euro.

Am Mittwoch hat der Ministerrat die Gesetzesvorlage beschlossen, im Dezember soll sie am Programm des Nationalrats stehen: Das Kinder-Kopftuchverbot soll in Österreichs Schulen ab den Semesterferien 2016 mit einer Aufklärungsphase starten.

Gemeinsam mit Staatssekretär Jörg Leichtfried (SPÖ) und Neos-Klubobmann Yannick Shetty lud Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) am Donnerstag zu einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt, um die Details zu präsentieren.

"Zeichen der Unterdrückung"

"Ein Kopftuch an einem 11-jährigen Mädchen ist und bleibt ein Zeichen der Unterdrückung", beginnt Plakolm die Pressekonferenz. "Mädchen entwickeln Schamgefühle, sie bekommen ein verzerrtes Körperbild, ein instabiles Selbstwertgefühl."

Die Ausgangssituation sei heute, im Vergleich zu 2019, eine "völlig andere“, hält Plakolm fest: Damals habe es rund 3.000 betroffene Mädchen muslimischen Glaubens gegeben, heute seien es rund 12.000 in Österreich. Und: Damals sei der Druck auf Mädchen, ein Kopftuch zu tragen, in erster Linie aus der eigenen Familie, also z.B. von Vätern oder Brüdern, gekommen, so die ÖVP-Ministerin. Heute hätten hingegen radikalislamische Influencer und vermeintliche Vorbilder auf Social Media viel Einfluss. "Vor allem junge Burschen fühlen sich als Sittenwächter berufen."

Das Problem hätten mittlerweile alle Parteien - in der Regierung und in der Opposition - erkannt. Man habe sich sehr intensiv mit Experten zu diesem Thema ausgetauscht und Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren - ein erster Gesetzesentwurf zum Verbot war im September in die Begutachtung geschickt worden - ernst genommen. Die nun gefundene Lösung sei für alle Beteiligten tragfähig.

Was das Gesetz genau vorsieht

Eine Änderung zum bisher bekannten Vorhaben gibt es beim Alter: Statt bis zur achten Schulstufe soll das Verbot bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres gelten. Gegenüber der Begutachtung geändert wurde zudem die Bestimmung, dass das Tragen "im schulischen Kontext“ untersagt sein soll. Konkret gilt das Verbot nun an allen Schulen, also an öffentlichen und privaten, in der Klasse, auf dem Pausenhof, im Sportsaal oder auf den Schulsportplätzen. Bei Schulveranstaltungen wie Skikursen oder im dislozierten Unterricht (etwa Lehrausgänge) außerhalb der Schule greift es nicht. 

Präziser ist zudem festgelegt worden, was genau verboten ist. Nämlich das Tragen eines Kopftuches, "welches das Haupt nach islamischen Traditionen verhüllt“, also vom Hijab bis zur Burka. Im Begutachtungsentwurf war das Verbot noch auf das Tragen des Kopftuchs aus "ehrkulturellen Gründen“ beschränkt. Das hat man nun fallen lassen, offenbar weil damit unter Umständen etwa die Verhüllung aus rein religiösen Gründen nicht erfasst gewesen wäre.

Ab wann das Verbot gilt

Die Einführung des Verbots sieht zwei Stufen vor: Zunächst gibt es eine Aufklärungsphase (ab den Semesterferien 2026), in der Schulen, Eltern und Kinder vorbereitet und informiert werden. Geplant sind Gespräche und die Klärung individueller Hintergründe. Bei Drohungen oder Drucksituationen durch "Sittenwächter“ will man in dieser Phase frühzeitig eingreifen. 

Erst mit dem Schulstart im September 2026 können dann Strafen bei Verstößen auferlegt werden. Trägt ein Mädchen in der Schule Kopftuch, muss zunächst die Schulleitung mit ihm sowie seinen Erziehungsberechtigten ein Gespräch führen. Bei einem erneuten Verstoß lädt die Schulbehörde die Betroffene und die Eltern zu einem verpflichtenden Gespräch. Bei weiteren Verstößen muss der zuständige Kinder- und Jugendhilfeträger verständigt werden. Im Extremfall drohen den Eltern Geldstrafen zwischen 150 und 800 Euro oder kann eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu zwei Wochen verhängt werden. Im ersten Entwurf waren noch Strafen bis zu 1.000 Euro vorgesehen. 

Plakolm kündigt zudem eine laufende Evidenzerhebung an, um beispielsweise die Fallzahlen beobachten zu können.

Leichtfried: Komplexe Debatte

Staatssekretär Jörg Leichtfried (SPÖ) räumt auf der Pressekonferenz im Anschluss an Plakolm ein, die Debatte rund um das Kopftuchverbot für Kinder sei "komplex“, berühre sie doch u. a. das Kindeswohl. Ein wesentliches Ziel der Regierung sei es, Kinder und Jugendliche bestmöglich vor äußeren Zwängen oder Rollenzuschreibungen zu schützen. Externe Vorgaben zur Kleidung könnten die Entwicklung von Mädchen massiv beeinträchtigen, wie er festhält.

Yannick Shetty (Neos) bedauert, dass das Kopftuchverbot in der Vergangenheit so stark polarisiert hat. Heute löse man Probleme "auf Basis von Fakten und dem Rechtsstaat". Das neue Gesetz sei klar altersbezogen, wissenschaftlich begründet und werde von Begleitmaßnahmen unterstützt – etwa dem Ausbau der Burschenarbeit.

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Shetty, Plakolm und Leichtfried bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt am Donnerstag.

"Ich will nicht, dass sich eine Elfjährige auch nur eine Sekunde Gedanken machen muss, ob ihre Haarsträhne richtig bedeckt ist", so Shetty, der zugibt, dass sich seine Meinung zum Kopftuchverbot im Vergleich zu früher geändert habe. Das liege eben auch daran, dass die Fallzahlen heute andere seien.

2020 kippte Verfassungsgerichtshof  das Kopftuchverbot für Kinder

Er betont, dass man bei verfassungsrechtlichen Fragen nicht die Fehler aus der Vergangenheit wiederholen sollte. Das erste, unter Türkis-Blau beschlossene Kopftuchverbot für Kinder war 2020 vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) gekippt worden. Die Richterinnen und Richter sahen den Gleichheitsgrundsatz verletzt, weil sich das Verbot konkret gegen das islamische Kopftuch richtete.

Im Begutachtungsverfahren habe man breite Unterstützung erfahren, etwa von Lehrern oder Schulpsychologen, so Shetty. Es gab auch viele Verbesserungsvorschläge, denen entsprechend nachgekommen wurde. Der wichtigste Punkt im Vergleich zu Schwarz-Blau: Man könne mit "ganz klarer Evidenz" untermauern, warum es ein Problem in diesem Bereich gebe.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft kritisierte die Regierungspläne. Es gehe den Parteien nicht um das Kindeswohl, sondern um politisches Kleingeld, hieß es bereits in einer früheren Stellungnahme zu den Plänen. "Das Ziel ist von der islamfeindlichen Stimmung zu profitieren.“ 

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