Kopftuchverbot: Der lange Kampf um Zwang und Freiheit

Auch im Jahr 2025 scheint der Pool an Gesetzesentwürfen zum Kopftuchverbot noch lange nicht ausgeschöpft. Die Begutachtungsphase für ein neues Verbot – es soll bis zur achten Schulstufe gelten – endet am Donnerstag.
Die Wurzeln der österreichischen Kopftuchdebatte reichen in die frühen 2000er-Jahre zurück. "Ich habe ein Problem mit Lehrern, die in einer öffentlichen Schule Kopftuch tragen", sagte die damalige ÖVP-Innenministerin Liese Prokop 2008 in einem Falter-Interview – und löste damit eine Welle politischer Diskussionen aus.
Kopftuch als gemeinsame Linie der Regierungsparteien
Prokop zielte damit explizit auf eine gebildete muslimische Frauenschicht ab. Die FPÖ griff das Thema mit Wahlplakaten wie "Freie Frauen statt Kopftuchzwang" auf und machte es zu einem ihrer Kernthemen. Über Jahre hinweg wurde die Debatte vor allem von FPÖ und ÖVP vorangetrieben. Die SPÖ zeigte sich zunächst zurückhaltend, fand jedoch in jüngster Zeit – ebenso wie die Neos – eine gemeinsame Linie mit den Regierungsparteien: eine grundsätzlich positive Haltung zum Kopftuchverbot.
2017 erreichte die Diskussion ihren Höhepunkt: Das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz, umgesetzt von der damaligen ÖVP-FPÖ-Regierung, führte zu konkreten Verboten und juristischen Auseinandersetzungen. 2019 verabschiedete die Regierung unter Sebastian Kurz schließlich ein Kopftuchverbot für Volksschulen – ein Gesetz, das 2020 vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz aufgehoben wurde.
Keine genauen Zahlen zu kopftuchtragenden Mädchen
Seit mehr als 20 Jahren wird das Kopftuchverbot also in der einen oder anderen Form diskutiert. Die Auswirkungen zeigen sich laut der Dokustelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus seit Jahren in den Zahlen: Mit politischen Kampagnen gegen das Kopftuch würden auch antimuslimisch-rassistische Vorfälle steigen.
"Diese Korrelation verdeutlicht, dass politische Symbolpolitik nicht nur spaltet, sondern auch reale gesellschaftliche Gewalt und Ausgrenzung verstärkt", sagt Juristin Dunia Khalil, Leiterin der Rechtsberatung der Dokustelle, gegenüber dem KURIER. "Die Debatte um das Kopftuch sagt weniger über das Tuch selbst als über die Gesellschaft, die darüber streitet. Sie legt offen, wie schnell der Wunsch nach Gleichberechtigung in Kontrolle umschlagen kann und wie schwer Freiheit zu fassen ist, wenn sie verordnet wird. Die Kritik am aktuellen Entwurf ist vielschichtig", so Khalil.
Die Expertin wittert im Entwurf eine "Bevormundung und Instrumentalisierung muslimischer Mädchen". Der Gesetzesentwurf stehe in einer langen Tradition von Maßnahmen, die "vermeintlich im Namen der Emanzipation erlassen werden, tatsächlich jedoch paternalistische und exkludierende Strukturen verfestigen." Laut Khalil würde hier die "Ausnahme des Zwanges zur Regel" erklärt und für ein pauschales Verbot missbraucht.
ÖVP und FPÖ sehen das freilich anders. Für sie ist das Kopftuch ein Symbol von Unterdrückung. "Es geht hier nicht um ein einfaches Stück Stoff. Es geht um viel mehr", erklärte etwa Familienministerin Claudia Plakolm (ÖVP). Wie viele Mädchen unter 14 Jahren tatsächlich betroffen sind, ist unklar. Plakolm schätzte im September, dass rund 12.000 Mädchen in Wien eine islamische Kopfbedeckung tragen – wie viele dies unfreiwillig tun, ist nicht bekannt. Die Ministerin verwies auf Frankreich als Vorbild: Dort wirke ein entsprechendes Verbot, individuelle Freiheit und soziale Integration stünden im Zentrum.
Einseitiger Fokus auf das Kopftuch?
Doch wie steht es um den Turban der Sikhs oder die Kippa jüdischer Männer? In der österreichischen Debatte dreht sich alles fast ausschließlich um das Kopftuch. Bereits in den 2010er-Jahren häuften sich Gesetzesinitiativen, die auf ein Kopftuchverbot an Schulen abzielten.
Der neue Entwurf versucht nun, die damaligen Bedenken zu berücksichtigen. Das Kopftuch soll nur dann verboten werden, wenn es als Ausdruck einer "ehrkulturellen Verhaltenspflicht" getragen wird. Doch was genau darunter zu verstehen ist, bleibt unklar – weder der Gesetzestext noch die Erläuterungen liefern eine Definition. Damit wäre der Vollzug entsprechend schwierig. Zudem geht das Gesetz davon aus, dass ausschließlich Mädchenbekleidung als "Ausdruck einer ehrkulturellen Verhaltenspflicht" gelten kann.
Das geplante Verbot soll bereits ab dem kommenden Semester in Kraft treten.
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