Kontrolle an EU-Binnengrenzen: Darf Österreich das?

Kontrolle an EU-Binnengrenzen: Darf Österreich das?
Seit 2015 führt Österreich an der slowenischen und ungarischen Grenze Kontrollen durch. Am Dienstag entscheidet der EuGH, ob das rechtens ist.

Von Wien nach Triest fahren, ohne über mögliche Staus an der österreichisch-slowenischen Grenze nachdenken zu müssen? Das gibt es schon lange nicht mehr. Denn seit dem Jahr 2015 führt Österreich an der slowenischen – wie auch an der ungarischen – Grenze wieder Kontrollen durch. Und das, obwohl eigentlich der Schengener Grenzkodex gilt.

Demnach ist nur eine vorübergehende und kurzfristige Wiedereinführung von Kontrollen an den EU-Binnengrenzen erlaubt. Maximal darf ein Land an den Grenzen zu anderen Schengenländern sechs Monate lang kontrollieren. Eine Verlängerung muss begründet und per Notifizierungsschreiben der EU-Kommission mitgeteilt werden. Das macht seit fast sieben Jahren nicht nur Österreich so, sondern auch andere Mitgliedsstaaten wie Deutschland, Frankreich, Dänemark und Schweden.

Nur: Ist diese Verlängerung alle sechs Monate überhaupt mit dem Unionsrecht vereinbar? Über diese Frage muss am Dienstag die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) urteilen.

Spannungsfeld

„Die bedeutendere Frage, die hinter dem Verfahren steckt, ist die Spannung zwischen der Zukunft einer EU ohne Grenzkontrollen und der Freizügigkeitsrechte von Unionsbürgern einerseits und den Sicherheitsinteressen von Mitgliedstaaten andererseits“, sagt Stefan Salomon. Er lehrt Europäisches Recht an der Universität Amsterdam und hat das Verfahren ursprünglich ins Rollen gebracht, indem er sich an der österreichisch-slowenischen Grenze weigerte, seinen Pass zu zeigen, und dann Beschwerde gegen die gegen ihn verhängte Verwaltungsstrafe einlegte.

Was gegen die „quasi-permanente Wiedereinführung von Grenzkontrollen“ spreche, sind laut Salomon unter anderem die grundsätzliche Idee europäischer Integration, die auf einer Abwesenheit von Grenzkontrollen beruhe – und die entstehenden Kosten. 700 Millionen Euro fallen laut einer Studie des Europäischen Parlaments EU-weit für die Kontrollen selbst an. Rechnet man die Mehrkosten, die etwa durch Staus und Verzögerungen für die Wirtschaft entstehen, dazu, kommt man innerhalb von zwei Jahren auf etwa fünf Milliarden Euro.

Das österreichische Innenministerium hat die Wiederverlängerung der Grenzkontrollen vor dem EuGH mit „hohem Migrationsdruck“ und Schleppereibekämpfung argumentiert. „Diese Umstände haben sich seit 2015 nicht verändert, heißt es auf KURIER-Anfrage aus dem Innenministerium.

Aber wie geht es nun weiter? Der EuGH folgt in den meisten Fällen den Schlussanträgen des Generalanwalts. Dieser hatte zuletzt festgehalten, dass die Anforderungen an die Grenzkontrollen umso strenger sein müssten, je länger sie andauern. Ein entsprechendes Urteil würde laut Salomon für Österreich bedeuten, dass heimische Gerichte im jeweiligen Fall zu prüfen hätten, ob diese Anforderungen eingehalten werden.

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